Personalexpertin Karin Schambach
War Diversität in Konzernen und als Investmentfaktor nur eine Fassade?

Karin Schambach ist Gründerin und Geschäftsführerin der Personalberatung Indigo Headhunters. Foto: Indigo Headhunters / Canva
Mark Zuckerbergs Statement zu „mehr maskuliner Energie“ hat viel ausgelöst. Was heißt das für das Thema Diversität? Karin Schambach hat sich dazu ein paar Gedanken gemacht.
Mark Zuckerbergs „more masculine energy“-Aussage brachte den Stein endgültig ins Rollen – er rollt rückwärts und wird immer schneller.
Als Unternehmerin, Personalberaterin, Europäerin und als Frau stehe ich also derzeit erschüttert vor dem Anti-Diversity-Trend in den USA. Unternehmen kündigen ihre Vielfalts-, Gleichberechtigungs- und Inklusionsprogramme und -richtlinien (DEI) auf oder wollen zum...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Gratis-Zugang:
Um die Autorisierung über LinkedIn zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
Um die Autorisierung über Google zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
Mark Zuckerbergs „more masculine energy“-Aussage brachte den Stein endgültig ins Rollen – er rollt rückwärts und wird immer schneller.
Als Unternehmerin, Personalberaterin, Europäerin und als Frau stehe ich also derzeit erschüttert vor dem Anti-Diversity-Trend in den USA. Unternehmen kündigen ihre Vielfalts-, Gleichberechtigungs- und Inklusionsprogramme und -richtlinien (DEI) auf oder wollen zumindest keine prüfbaren Reportings mehr erstellen. Dazu gehören neben Meta und McDonalds immer mehr Unternehmen.
Die Aussage des Meta-CEO ist in dieser schnelllebigen Zeit schon fast ein alter Hut, steht aber weiterhin dafür, was in den USA gerade an Rückwärtsbewegung passiert. Wie schnell sich mühsam aufgebaute Entwicklungen in Luft auflösen. Wie schnell das Rad der Geschichte sich zurückdrehen lässt. Wie langwierig es offensichtlich ist, Firmenkulturen so weit zu verändern, dass in solch einer Situation ein lauter Aufschrei in Gesellschaft und Unternehmen zu vernehmen wäre.
Stattdessen regiert die Angst: Geschickt hat Zuckerberg die Aufhebung der Diversitätsprogramme mit der Ankündigung verknüpft, sich von 5 Prozent Low Performern trennen zu wollen. Damit sorgt er für weniger kritische Stimmen – aus Angst vor Arbeitsplatzverlust.
Diversität hat aktuell in den USA einen schweren Stand
Wie erleichtert scheint der eine oder andere CEO in den USA zu sein, sich endlich weniger mit Diversität als unternehmerischem Erfolgsfaktor auseinandersetzen zu müssen. Wie froh sind wohl einige männliche CEOs, sich vielleicht bald wieder unter Ihresgleichen und ohne störende, abweichende Ansichten bewegen zu können.
In den vergangenen Jahrzehnten haben Frauen und Männer weltweit gemeinsam vieles erreicht und auch in unserer Investmentbranche durch Transparenz, Förderung, Aufklärung, Ausbildung und Coachings diversere Unternehmensstrukturen geschaffen. Doch könnte sich dies auch hier in Europa langsam, aber sicher verändern.
Natürlich bedeutet Diversität viel mehr als Geschlecht. In all ihren Ausprägungen hat Diversität aktuell einen schweren Stand, zumindest in den USA. Für diesen Text werde ich mich gleichwohl auf den Aspekt Geschlechter-Diversität konzentrieren, weil er mir persönlich sehr am Herzen liegt. Schon wenige Stichworte wie Care-Arbeit, Gender Pay Gap, Mental Load und Rentenlücke zeigen, dass wir hier noch lange nicht am Ziel sind.
Wenn wir heute wie früher einmal behaupten, dass jeder (und jede) von vorneherein die gleichen Chancen habe und diese eben nutzen müsse, dann waren viele Jahre Information, Aufklärung, Kampf um Gleichbehandlung und Gleichberechtigung umsonst. Denn machen wir uns nichts vor: Was in der Wirtschaft geschieht, passiert auch in der Gesellschaft – parallel oder verzögert.
Werden Nachhaltigkeit und ESG bald ihre Bedeutung verlieren?
Was in wenigen Wochen – unfassbar, tatsächlich nur Wochen – passiert ist, hätte wohl niemand für möglich gehalten. Derzeit herrscht sicherlich bei vielen auch in der Investmentbranche die Sorge vor, wie sich die Errungenschaften der Diversität in Unternehmen und Gesellschaft nun weiter entwickeln werden. Immerhin sind Diversität und Inklusion gerade in den letzten Jahren ein wichtiger Teil des „G“ in ESG geworden. Viele Firmen bezeichnen sie offiziell als Teil ihrer DNA. Einige Investmentgesellschaften haben spezielle Fonds dazu aufgelegt.
Viele Fondsgesellschaften und institutionelle Investoren investieren nur in Firmen, die DEI-Richtlinien haben. Derzeit sehen dies Statuten teils sogar vor. Der CEO der DWS, Stefan Hoops, hat sich so deutlich wie kein anderer bisher hierzulande für Diversität ausgesprochen. Vielleicht wird er bald dafür als mutig bezeichnet werden? Je nachdem, wie sich unsere Branche entwickelt. Sollten sich etwa Frauenförderung, kulturelle Vielfalt und LGBTIQ-Engagements im Nachhinein als Marketingstrategie erweisen, um mehr Fondsprodukte zu verkaufen?
Beim Thema Klimaschutz-Investments sehen wir, wohin eine neue Politik führen kann. Die größten Asset Manager sind bereits von Net Zero abgerückt. Hierzulande ist das Bild noch etwas differenzierter. Es gibt weiterhin Sustainability-Investmentkonferenzen und ESG-Fonds, die aktiv kommuniziert werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Aufstellung Bestand hat.
Wie werden Unternehmen den Spagat bewältigen, nachhaltig zu bleiben und gleichzeitig dem veränderten Zeitgeist nachzukommen? Werden Nachhaltigkeit und ESG bald ihre Bedeutung verlieren?
Noch vor wenigen Monaten wäre ein Statement wie das von Mark Zuckerberg für bestimmte Investorengruppen Grund genug gewesen, von einem Meta-Investment abzusehen. Heute heißt es: „go woke, go broke“. Selbst Apple, das seine Diversitätsprogramme derzeit noch aufrechterhält, bekommt bereits den Druck einiger Großaktionäre zu spüren, dem neuen Trend möglichst schnell zu folgen. Es bleibt spannend, wie sich die großen Investmenthäuser in den USA verhalten werden.
Wird sich Europa behaupten und an Diversitätswerten festhalten?
Wohin steuern wir? Werden europäische, deutsche Unternehmen nachziehen, weil es bald taktisch und wirtschaftlich notwendig sein wird, dem Druck aus den USA nachzugeben? Oder wird sich Europa behaupten können und an seinen Diversitätswerten festhalten?
Mich wundert, dass eines der Hauptargumente für Diversität – der nachgewiesene Beitrag einer diversen Unternehmenskultur zum wirtschaftlichen Erfolg – diesen Trend nicht aufzuhalten vermag. Ganz zu schweigen von der Suche nach Gerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung in Wirtschaft und Gesellschaft.
Wie viel Angst muss in der US-Wirtschaft vor Donald Trump herrschen, damit es so wenig Widerstand gibt?
Viele deutsche und europäische Unternehmen setzen seit Jahren mithilfe von speziellen Einstiegsprogrammen, internen Schulungen und Weiterbildungsangeboten darauf, möglichst allen qualifizierten Menschen die gleichen Chancen zu bieten: Wer die entsprechende Leistung erbringt, der oder die soll es auch ganz nach oben schaffen können. Soll das Rad der Diversität wieder zurückgedreht werden? Offensichtlich existiert weiterhin eine hinreichend große Gruppe weißer, mächtiger Männer, die sich die Konkurrenz qualifizierter Frauen gerne vom Hals halten wollen, egal mit welchen Mitteln. Ein Armutszeugnis.
Ich hoffe sehr, dass sich Europa klar positioniert. Schon aus Gründen von Moral oder Fairness. Nun heißt es für Europa, für Deutschland, für hier ansässige Unternehmen und für die nationale und internationale Investmentbranche, die hier am Markt präsent ist, Haltung zu zeigen. Wie lange sich Europa gegen den Trend in den USA stemmen kann und vielleicht auch will, bleibt offen. Einige Marktplayer haben schon signalisiert, dass der amerikanische Markt zu wichtig sei, um sich der Entwicklung entgegenzustemmen.
Zwar existieren in Europa und auch in Deutschland nicht nur Firmenrichtlinien, sondern auch Gesetze wie etwa das Führungspositionengesetz, die Frauenquoten für börsennotierte Aufsichtsräte vorschreiben. Gleichzeitig dürften sich aber auch in Europa – trotz vielfachen Engagements – einige gerade erleichtert zurücklehnen und freuen, dass das unselige Thema Diversität gerade etwas in den Hintergrund rückt.
Das eine oder andere Aufatmen männlicher Zeitgenossen konnte ich in meinem Umfeld in den letzten Wochen bereits hören. Zu ungerecht fühlte man sich in den letzten Jahren behandelt, weil ein Fokus in der Rekrutierung gerade auf Top-Positionen auf Diversität lag. Aus der individuellen Perspektive vielleicht nachvollziehbar, ist die Entwicklung gesamtgesellschaftlich betrachtet eine Katastrophe. Ohne den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, wird das Pendel zurückschlagen. Heute ist das Thema alles andere als entschieden.
Über die Autorin