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Streit mit Kanzlei Jaffé Dividenden aus Wirecard-Investments: Acatis-Chef Leber schaltet auf stur

Von in AnalysenLesedauer: 7 Minuten
Hendrik Leber
Hendrik Leber: Der Acatis-Chef fühlt sich und seine Anleger ungerecht behandelt. | Foto: Anna Mutter

Hendrik Leber ist entschlossen, den Streit auszufechten. Der erfahrene Profianleger, Chef der Fondsgesellschaft Acatis, will die Dividenden, die zwei Fonds seiner Gesellschaft aus Investments in das Ex-Dax-Unternehmen Wirecard vereinnahmt haben, nicht an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.

Die Vorgeschichte: Leber hatte in den Jahren 2017 bis Ende 2018 mit zwei Acatis-Fonds, dem Acatis Aktien Global und dem Datini Valueflex, in das später skandalträchtig untergegangenen Dax-Unternehmen Wirecard investiert. Beide Fonds seien seinerzeit mit einem Plus aus dem Investment herausgegangen sei, betont Leber. Genau genommen war auch ein dritter Fonds, der Acatis Fair Value Deutschland, investiert gewesen, doch dieser bleibt bei den Forderungen von Jaffé außen vor. 

Die Wirecard-Pleite

Bekanntermaßen musste Wirecard im Juni 2020 Insolvenz anmelden. Scheingeschäfte hatten ein rund zwei Milliarden Euro großes Loch in der Konzernbilanz hinterlassen – das Geld war verschwunden, es  hatte vermutlich auch nie existiert.

Der Fall Wirecard liegt heute beim Insolvenzverwalter. Er soll klären, wie alle finanziell Beteiligten bestmöglich aus dem Schlamassel herauskommen. In erster Linie soll er dafür sorgen, dass die Gläubiger des Unternehmens einen maximal großen Anteil ihrer Forderungen zurückerstattet bekommen. Die Aktionäre als Unternehmenseigner haben in solchen Fällen üblicherweise das Nachsehen.

Mit der Abwicklung der Wirecard-Insolvenz ist die Münchner Kanzlei Jaffé betraut. Rechtsanwalt Michael Jaffé ist in großen Insolvenzfällen erfahren, er hat unter anderem schon die Geschädigten des insolventen Schiffscontainer-Anbieters P & R vertreten.

Um die Gläubiger von Wirecard bestmöglich auszahlen zu können, hat Jaffé nun von ehemaligen Aktionären des Unternehmens gefordert, Dividenden aus dem Investment wieder zurückzuzahlen.

Wenn man mit Leber über die Forderung von Jaffé spricht, fällt ein Wort immer wieder: Gerechtigkeitsempfinden. Das, was Menschen als gerecht empfinden, muss jedoch bekanntlich nicht mit dem übereinstimmen, was auch formal rechtens ist. Das ist auch Hendrik Leber bewusst. Und doch stößt die Forderung des Insolvenzverwalter dem Profiinvestor sauer auf.

Gerechtigkeitsempfinden angegriffen 

„Es gab in der angesprochenen Zeit mehrere Institutionen, die für Wirecard zuständig waren“, erinnert Leber im aktuellen Investmentbericht seines Hauses von September 2023. Er zählt auf: Wirecard-Vorstand und -Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, ‚Bilanzpolizei‘ und die Finanzmarktaufsicht. „Auf sie alle mussten wir uns als Anleger verlassen und sie alle haben die damals gemachten Vorwürfe nicht ernst genommen oder sogar unterdrückt.“

Nun sollen die Anleger, quasi die Opfer des Betrugs, zahlen – „diejenigen also, die am meisten unter dem Versagen der oben aufgeführten Institutionen leiden musste“, fügt Leber an.

Im Telefonat zeigt sich der Investor auch persönlich angegriffen. Er erinnert an die Wirtschaftsprüfgesellschaft EY, die Wirecard seinerzeit Jahr für Jahr eine stimmige Bilanz testierte. Diese sollte man zuerst angehen, wenn man nicht gerechtfertigter Gewinne im Zusammenhang mit Wirecard zurückholen wolle, findet er.

Leber erinnert in dem Zusammenhang den Fall Bernie Madoff: Der US-Finanzinvestor hatte Anleger in Investments gelotst, die auf ein Ponzi-Scheme, eine Art Schneeballsystem, aufbauten. Anleger hatten arglos und im guten Glauben Madoff ihr Geld anvertraut. Viele Kleinanleger seien nach Auffliegen des Betrugs durch die Rückforderungen des Insolvenzverwalters in den finanziellen Ruin getrieben worden, erinnert Leber.

Unbeteiligte Aktionäre ebenfalls betroffen 

Mit Blick auf den aktuellen Fall und die Endanleger der beiden Acatis-Fonds sagt er: „Es fühlt sich nicht richtig an.“ Allerdings ist sich der Investor darüber im Klaren: „Im Insolvenzrecht gibt es keine Gerechtigkeitsregel.“ Die Kanzlei Jaffé könne Aktionäre auch ungleich behandeln. 

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Für Leber ergibt sich aus den Dividendenrückforderungen ein Dilemma: Die heutigen Anleger der beider Fonds müssten für Fehler, die vor allem andere in Bezug auf Wirecard gemacht haben, büßen. Zudem könnten die Anleger von 2017/18 ihr Geld längst abgezogen haben, neue Anleger könnten hinzugekommen sein. Wer genau in den Fonds investiert ist, sei ihm im Großen und Ganzen unbekannt, so Leber.

Insgesamt ist jedoch nicht nur Acatis von den Dividendenrückforderungen betroffen. Der Wirecard-Insolvenzverwalter hat sich auch an andere Fondsgesellschaften gewandt. Laut Leber ist allerdings kein gemeinsames Vorgehen der Gesellschaften gegen die Forderungen geplant – zu unterschiedlich seien die Investments ausgestaltet gewesen.

Es liegt auch eine Vermutung nahe: Viele Gesellschaften könnten die Forderungen des Insolvenzverwalters allein schon deshalb ohne Murren begleichen wollen, weil sie ihren Namen nicht noch einmal im Zusammenhang mit dem skandalträchtigen Wirecard genannt hören wollen.

Keine Rechtsgrundlage 

Bei Jaffé weist man die Kritik von Acatis-Chef Leber von sich: Es fehle schlicht die Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Dividende. Die Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2017 und 2018 ebenso wie die Gewinnverwendungsbeschlüsse des Zeitraums hätten sich als nichtig erwiesen. Ein entsprechendes Urteil des Landgerichts München ist mittlerweile rechtskräftig. Auch dass die Aktionäre die Zahlungen gutgläubig entgegengenommen hätten, ändere nichts daran, dass sie sie zurückzahlen müssten – wie der Bundesgerichtshof bekräftigt habe.

„Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, diese Ansprüche geltend zu machen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen, um die Interessen der Gläubiger, denen hier ein erheblicher Schaden im Milliardenbereich entstanden ist, zu wahren“, beharrt ein Sprecher der Kanzlei auf Anfrage von DAS INVESTMENT.

Man fordere die Dividenden zudem ausschließlich von professionellen und institutionellen Anlegern zurück. „Privatanleger sind nahezu nicht betroffen“, versichert der Sprecher – ein Punkt, den Hendrik Leber mit Blick auf die Endanleger der Acatis-Fonds erklärtermaßen anders sieht.

Insgesamt sei es „nicht nachvollziehbar“, warum ausgerechnet Aktionäre, die eine Dividende erhalten hätten, die gar nicht erwirtschaftet worden sei, geschützt werden müssten, ereifert man sich bei Jaffé. Bei korrekter Bilanzierung hätte Wirecard in den fraglichen Jahren immerhin keine Dividenden ausschütten können, sondern hätte Verluste ausweisen müssen. „Dafür, dass ein Aktionär seine zu Unrecht ausgezahlte Dividende ‚auf Kosten‘ der Gläubiger, die ebenfalls geschädigt wurden, behalten darf, gibt es keine nachvollziehbare Begründung.“

Wirtschaftliche Belastung gering 

Bei Jaffé nimmt man auch direkt auf Lebers Vorwürfe Bezug. „Zu den vornehmlich rechtspolitischen Ausführungen von Herr Leber, der im Übrigen gar keine Kritik am Insolvenzverwalter übt oder Vorwürfe gegen diesen erhebt (da er auch weiß, dass es die gesetzliche Aufgabe des Verwalters ist, die Ansprüche geltend zu machen), ist zu ergänzen, dass auch gegenüber Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfern Ansprüche (teilweise bereits gerichtlich) vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.“ Es sind mithin neben den Aktionären auch die von Leber benannten Hauptverantwortlichen im Wirecard-Skandal, die die Kanzlei belangen wolle.  

Nicht zuletzt verweist man bei der Kanzlei auch auf die „verhältnismäßig geringe“ Dividende jener Jahre: Wirecard hatte 2017 0,18 Euro und ein Jahr später 0,20 Euro pro Aktie an seine Aktionäre ausgeschüttet. Die wirtschaftliche Belastung der Anteilseigner halte sich in Grenzen, vermutet man bei Jaffé.

Für Leber geht es allerdings weniger um wirtschaftliche Überlegungen als ums Prinzip. Der Streit mit dem Insolvenzverwalter dreht sich laut dem Acatis-Chef um rund 10.000 Euro – mit Blick auf die Fondsvermögen von 37 Millionen (Acatis Aktien Global) und 833 Millionen Euro (Datini Valueflex) ist das wenig. Auch die Abstriche in der Performance der Fonds dürften sich laut seiner Einschätzung allerhöchstens auf Nachkommastellen belaufen. Trotzdem steht sein Entschluss fest: Leber will auf stur schalten und die Sache ausfechten. Wenn es sein muss, auch gerichtlich.

Während Acatis-Chef Leber sich allein an den Dividendenrückforderungen der Kanzlei Jaffé stört, hat es in der Vergangenheit bereits viel weitergehende Kritik am Insolvenzverwalter gegeben: Die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken, Union Investment, wollte erwirken, dass Wirecard-Aktionäre Entschädigung aus der Insolvenzmasse erhalten können. Dem schob das Landgericht München jedoch einen Riegel vor: Die Aktionäre seien keine Gläubiger. Sie könnten deshalb auch keine Schadenersatzansprüche beim Insolvenzverwalter geltend machen.  

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