DJ KONJUNKTUR IM BLICK/Trichet, Keynes und die Liquiditätsfalle
DJ KONJUNKTUR IM BLICK/Trichet, Keynes und die Liquiditätsfalle
Von Peter Trautmann DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins am Donnerstag mit einer Senkung um einen halben Prozentpunkt wieder auf 2,00% gebracht, jenes historische Tief, das bereits von Mitte 2003 bis Ende 2005 herrschte. Ihr Präsident Jean-Claude Trichet machte dabei klar, dass - nach vier Zinssenkungen in Folge - für Februar kein weiterer Zinsschritt zu erwarten ist. Erst für März, wenn die EZB ihre neuen Inflations- und Wachstumsprojektionen vorstellt, sei die nächste Lockerung der Geldpolitik denkbar, deutete Trichet an.
Ob die europäischen Währungshüter im Februar im gegenwärtig krisenhaften Wirtschaftsumfeld tatsächlich stillhalten werden, ist nicht sicher. Schon vor den EZB-Ratssitzungen im Dezember und Januar kamen aus der Notenbank teilweise recht verhaltene Signale, was die anstehenden Zinsentscheidungen betraf. Bekanntlich kam es anders.
Doch ob die EZB nun im Februar oder erst im März ihre Zinsen weiter nach unten schraubt, ist nicht wesentlich. Vielmehr ist die entscheidende Frage, wo für die Notenbank der Tiefpunkt beim Hauptrefinanzierungssatz erreicht ist. Trichet deutete hier am Donnerstag an, dass die EZB kaum der Fed oder auch der Schweizerischen Nationalbank folgen wird. Eine Nullzinspolitik wird es also mit ihm und den anderen Mitgliedern des EZB-Rates nicht geben.
Trichet verwies dazu auf das keynesianische Konzept der Liquiditätsfalle und dass die EZB nicht in eine solche Situation geraten wolle. Keynes - oder vor allem die Ökonomen, die ihn interpretiert haben - verstanden darunter eine Situation, in der die langfristigen Bondzinsen so niedrig sind, dass sie sich durch expansive geldpolitische Maßnahmen wie Zinssenkungen nicht weiter reduzieren lassen. Trichet wollte allerdings nicht sagen, bei welchen Zinsniveaus eine Liquiditätsfalle drohen könnte.
Die Begründung für die Unwirksamkeit der Geldpolitik in einer Liquiditätsfalle ist, dass die mit den niedrigen Marktzinsen verbundenen hohen Anleihenkurse den Investoren für einen Einstieg zu riskant erscheinen, sodass durch expansive Maßnahmen geschaffene Liquidität lieber gehalten wird, statt in Bondkäufe zu fließen. Damit steigen die Anleihenkurse nicht weiter, zugleich sinken die Marktzinsen nicht mehr und entfalten somit auch keine Wirkung auf die gesamtwirtschaftlichen Nachfragegrößen.
Gegenwärtig dürfte eine solche Situation - mit Renditen zehnjähriger Bundesanleihen von rund 2,90% - noch nicht erreicht sein, die Renditen weisen weiterhin eine sinkende Tendenz auf. Andererseits gibt es etwa in den USA, wo die Renditen mehr als einen halben Prozentpunkt niedriger liegen, bereits deutliche Warnungen vor einer Blase am Anleihenmarkt. In einer Titelgeschichte des US-Anlegermagazins "Barron's" wurde schon vor einer Woche angesichts der erreichten Renditetiefs zum Ausstieg aus dem Bondmarkt geläutet ("Get out now!"). Allerdings gibt es auch Ökonomen, die diese Einschätzung nicht teilen.
Doch zurück zum Euroraum: Eine solche Blase am Markt für Staatsanleihen dürfte es aus Sicht der EZB hier zurzeit wohl noch nicht geben, und damit dürften auch die Leitzinsen noch etwas gesenkt werden. Allerdings scheint es nach Trichets Aussagen vom Donnerstag sehr sicher zu sein, dass die Notenbank beim Hauptrefinanzierungssatz nicht mehr unter den Bereich von 1,00% bis 1,50% gehen wird.
-Von Peter Trautmann, Dow Jones Newswires, +49 (0) 69/297 25-313 [email protected] DJG/ptt/hab Besuchen Sie unsere neue Webseite http://www.dowjones.de
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January 16, 2009 11:01 ET (16:01 GMT)
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