Ninety-One-Stratege Michael Power
Drehscheibe der Globalisierung
Michael Power ist Marktstratege bei der Fondsgesellschaft Ninety One. Foto: Ninety One
Die Globalisierung wird mit Asien als Dreh- und Angelpunkt radikal neu ausgerichtet, ist Michael Power überzeugt. In seinem Gastbeitrag erklärt der Marktstratege von Ninety One, welche Folgen das für die Finanzwelt hat.
Die Globalisierung hat so viele Facetten, dass der Begriff für verschiedene Menschen sehr unterschiedliche Bedeutungen hat. Und, wie bereits erwähnt, entwickelt sich ihre inhaltliche Bedeutung ständig weiter. Doch während die Globalisierung schon früh ihre Kritiker hatte, hatten die gängigsten Definitionen bis zur globalen Finanzkrise im Jahr 2008 einen fast mechanischen Charakter, der ihre Eigenschaften beschrieb, ohne sie zu bewerten. Dabei gibt es welche, die am häufigsten genannt werden.
Zum einen umfasste die Globalisierung die Ausbreitung aller Handelsformen über Nationen hinweg und das nahezu überall. Während der Handel mit Gütern wenig überraschend die meiste Aufmerksamkeit erhielt,...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Globalisierung hat so viele Facetten, dass der Begriff für verschiedene Menschen sehr unterschiedliche Bedeutungen hat. Und, wie bereits erwähnt, entwickelt sich ihre inhaltliche Bedeutung ständig weiter. Doch während die Globalisierung schon früh ihre Kritiker hatte, hatten die gängigsten Definitionen bis zur globalen Finanzkrise im Jahr 2008 einen fast mechanischen Charakter, der ihre Eigenschaften beschrieb, ohne sie zu bewerten. Dabei gibt es welche, die am häufigsten genannt werden.
Zum einen umfasste die Globalisierung die Ausbreitung aller Handelsformen über Nationen hinweg und das nahezu überall. Während der Handel mit Gütern wenig überraschend die meiste Aufmerksamkeit erhielt, umfasste die Globalisierung auch den Handel mit Technologie und Informationsdienstleistungen sowie die Ansiedlung von Beschäftigungsmöglichkeiten, die manchmal sogar eine grenzüberschreitende Bewegung von Arbeitskräften auslöste. Die Hauptakteure der Globalisierung waren die multinationalen Konzerne, vor allem (aber nicht nur) diejenigen mit Sitz im Westen. Sie führte zudem häufig zu komplexen globalen Lieferketten, die dafür sorgten, dass die Produktion an Auftragsgeber ausgelagert wurde - Lieferanten von Fertigprodukten, die in Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten als das Land des Endverbrauchers ansässig sind.
Nachdem China im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation (WTO) beitrat, verschoben sich die längerfristigen globalen Handelsstrukturen entscheidend und verfestigten sich im Jahrzehnt nach der Weltwirtschaftskrise sichtbar. So wurde die Globalisierung zu einem viel größeren Phänomen, da ihre Auswirkungen auf der zweiten Ebene – sozialer, kultureller, rechtlicher und vor allem politischer Art – immer besser erkannt wurden.
Die Digitalisierung trug dazu bei, dass sich die Globalisierung ausweitete und ihre Reichweite bis in die entlegensten Winkel vergrößerte. Automatisierung und sogar künstliche Intelligenz hielten Einzug und trübten das Bild der Arbeitskosten innerhalb eines Landes weiter ein. Übrigens: China ist mit Abstand der weltweit größte Abnehmer von Industrierobotern.
Die Globalisierung wird im Westen unterschiedlich betrachtet
Zunächst konzentrierten sich die Medien auf die Vorteile der Globalisierung - Beschäftigungsmöglichkeiten für asiatische Arbeiter, die im Gegenzug günstigere Waren für westliche Verbraucher herstellten, waren die weithin wahrgenommene „Win-Win-Situation“ . Doch schon bald wurden auch die Nachteile deutlich, insbesondere der steil zurückgehenden Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie im Westen. Und dort, wo die Arbeitsplätze nicht verloren gingen, kam es oft zu einem gedeckelten Lohnwachstum. Der „China-Preis“ verwandelte sich von einem Segen günstiger Waren für hauptsächlich westliche Verbraucher in einen Fluch niedriger Löhne für viele westliche Arbeiter. Die Globalisierung hatte noch viel mehr zu bieten als das, aber wie sich in der westlichen politischen Rhetorik widerspiegelte, war dies ihre Quintessenz.
Diese wachsende Antipathie gegenüber der Globalisierung im Westen war bei weitem nicht allgemeingültig. Multinationale Konzerne verteidigten die neue Wirtschaftsordnung. Schließlich profitierten sie auch von ihr – nämlich durch rigoros konstruierte, kosteneffiziente Lieferketten, oft verstärkt durch einen parallelen Prozess der Minimierung von Steuerlasten durch Verrechnungspreise und anderes Gewinnverschiebungsverhalten unter Einbeziehung von Niedrigsteuerländern, wie beispielsweise Apples Nutzung von Irland.
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