GDV-Auswertung D&O-Versicherung: Warum Manager immer öfter haften müssen
Die in Deutschland tätigen Managerhaftpflicht (D&O)-Versicherer haben 2023 erneut mehr Schäden regulieren müssen. Die Zahl der Fälle ist auf 2.200 gestiegen, fast 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Jeder Schaden kostete die Versicherer im Schnitt fast 100.000 Euro. Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor.
Der Begriff D&O-Versicherung ist eine Abkürzung für Director‘s and Officer’s Liability Insurance. Sie ist eine besondere Form der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Mitglieder von Leitungs- und Aufsichtsorganen in Unternehmen, also zum Beispiel Vorstand, Geschäftsführung oder Aufsichtsrat. Sie zahlt Schadenersatzforderungen gegen Manager, wenn diese gegen ihre Pflichten verstoßen haben.
GDV schätzt D&O-Gesamtmarkt auf etwa 925 Millionen Euro
Nach der aktuellen D&O-Statistik des GDV stieg die Zahl der Schäden bereits das zweite Jahr in Folge. Dabei steigen die Schäden schneller als die Beitragseinnahmen. Konkret nahmen die dem Lobbyverband für 2023 gemeldeten Leistungen um 9,4 Prozent auf 216 Millionen Euro zu, während die Beitragseinnahmen um 5 Prozent auf 458 Millionen Euro anstiegen.
Trotz dieser Entwicklung sank die Schadenquote von 42,4 auf 39,4 Prozent im Vorjahresvergleich. Hintergrund ist, dass im Jahr 2023 Abwicklungsgewinne aus Schäden früherer Jahre realisiert werden konnten. Die D&O-Versicherung ist eine sogenannte Long-Tail-Sparte, in der die Schadenabwicklung regelmäßig länger andauert. Im langfristigen Mittel der vergangenen Jahre sind hierbei laut GDV Abwicklungsverluste aufgetreten, das heißt, die ursprünglich gebildeten Rückstellungen waren nicht ausreichend, um die Schäden zu regulieren.
Allianz und andere Unternehmen fehlen in der Auswertung
An der GDV-Statistik beteiligen sich allerdings nicht alle in Deutschland aktiven Versicherer. Unter anderem fehlt ausgerechnet der Branchenprimus Allianz. Zudem hat sich die Zusammensetzung der meldenden Versicherer verändert, sodass die absoluten Zahlen nicht miteinander vergleichbar sind. Insgesamt schätzt der GDV, dass die an der Statistik beteiligten Versicherer einen Marktanteil von 73 Prozent haben. Auf Basis einer Branchenschätzung geht der Verband für den deutschen Markt von einem Beitragsvolumen von bis zu 925 Millionen Euro aus.
Hallo, Herr Kaiser!
Mehr Insolvenzen und höhere regulatorische Anforderungen
Die Entwicklung führen die Versicherer laut des GDV auf die konjunkturelle Lage und damit verbundene Anforderungen zurück. So sind im ersten Halbjahr 2024 die Unternehmensinsolvenzen um 25 Prozent gestiegen. Dies ziehe oft hohe Schadenersatzforderungen von Insolvenzverwaltern gegen die Verantwortlichen nach sich. Wegen neuer Haftungsrisiken, etwa durch neue Anforderungen an die Informationssicherheit durch die europäische „NIS-2“-Richtlinie, oder wachsender Compliance-Anforderungen rechnet die Versicherungsbranche auch für die nähere Zukunft mit vermehrten Schadenersatzforderungen gegen Manager, zumal diese persönlich haften, wenn sie kein funktionierendes Compliance-System eingerichtet haben.
Ein Problem: Obwohl ein Hinweisgebersystem seit Ende 2023 für alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitern verpflichtend ist, hatte rund ein Viertel der Unternehmen auch Monate später ein solches System noch nicht eingerichtet. Insgesamt könnten damit fast 19.000 mittelgroße Unternehmen in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz nicht umgesetzt haben. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des GDV.
Insurtech Finlex: Neue Risiken schlagen noch nicht voll durch
Auf Basis der GDV-Veröffentlichung bestätigte der Digitalversicherer Finflex die Trends in der D&O-Veröffentlichung. Es sei weiterhin eine steigende Anzahl von (klassischen) Schadenmeldungen zu beobachten, die auch auf die insgesamt angespannte wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen zurückzuführen sei. Aber: „Die Schadenerfahrung des vergangenen Jahres hat jedoch gezeigt, dass sich viele vorhergesagte ‚neue‘ Risiken (noch) nicht im befürchteten Ausmaß verwirklicht haben. Schäden aufgrund von ESG-Risiken sind weiterhin die Ausnahme und Inanspruchnahmen von versicherten Personen aufgrund von Cyber-Vorfällen treten bislang ebenfalls nur vereinzelt auf.“
Für das Jahr 2025 sei eine gleichbleibend hohe Anzahl an D&O-Schadenfällen zu erwarten. Aufgrund der prognostizierten steigenden Anzahl von Unternehmensinsolvenzen werde weiterhin ein beachtlicher Teil der D&O-Schadenmeldungen im Umfeld von Insolvenzen erfolgen. Zu den neuen Haftungsrisiken zählt Finlex neben den genannten auch Verstöße im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, des Hinweisgeberschutzgesetzes oder der „NIS-2“-Richtlinie.