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DWS-Expertin im Interview „Kunden sind heute deutlich sensibler“

Anja Wohlgethan leitet seit Juli 2006 die Privatbanken-Betreuung der Deutsche-Bank-Vermögensverwaltung DWS in Deutschland. Die zertifizierte Investmentanalystin (CIIA, Certified International Investment Analyst) ist seit über 20 Jahren in der Finanzbranche tätig.
Anja Wohlgethan leitet seit Juli 2006 die Privatbanken-Betreuung der Deutsche-Bank-Vermögensverwaltung DWS in Deutschland. Die zertifizierte Investmentanalystin (CIIA, Certified International Investment Analyst) ist seit über 20 Jahren in der Finanzbranche tätig. | Foto: DWS

DAS INVESTMENT: Klimawandel & Co. sind in der Mitte des öffentlichen Diskurses angekommen. Doch wie verhält es sich mit dem Interesse der Anleger an nachhaltigen Investments?

Anja Wohlgethan: Der anhaltende Klimawandel, die Abholzung am Amazonas und eine Vielzahl anderer sozialer und ökologischer Themen schaden dem globalen Wirtschaftswachstum laut Studien um bis zu ein Drittel. Aktienanleger hat vergangenes Jahr das Niedrigwasser im Rhein bewegt, das zu niedrigeren Gewinnen und Kursverlusten einiger deutscher Unternehmen geführt hat. Einige Kunden fragen nun ihre Berater, welche bisher nicht berücksichtigten Risiken sie denn noch im Depot haben. Das führt nicht unbedingt zu einer höheren Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen, aber Kunden sind deutlich sensibler gegenüber diesem Thema als noch vor ein paar Jahren. Wir sehen erste Zuflüsse von Privatkunden. Unser Vertriebspartner Postbank konnte bereits rund 100 Millionen Euro für den nachhaltigen Aktienfonds DWS Invest SDG Global Equities einsammeln.

Zieht die Finanzberatung hier nach?

Wohlgethan: Die ehrgeizige Wirtschaftsstrategie der Europäischen Union hat zum Ziel, die Emission von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 auf eine Netto-Null zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es neben jährlichen Investitionen von mindestens 180 Milliarden Euro auch einer Reihe von Instrumenten zur Re-Allokation von Kapital. Bei der Neuausrichtung von Kapitalströmen zugunsten nachhaltiger Investitionen soll die Anlage- und Vermögensberatung eine Schlüsselrolle übernehmen.

Wie schnell werden wir hierzu eine Regulierung sehen?

Wohlgethan: Vorgesehen ist die verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen innerhalb der Anlage- und Vermögensberatung im Rahmen der Geeignetheitsprüfung. Hierzu sollen die Finanzmarktrichtlinie Mifid und die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD erweitert werden. Spätestens Anfang 2021 werden Anlage- und Vermögensberater ihre Kunden fragen müssen, ob das Thema Nachhaltigkeit für sie relevant ist.

Was ist dabei die größte Herausforderung für den Vertrieb?

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Wohlgethan: Der mangelnde Marktstandard, die unterschiedlichen Investmentansätze und das fehlende gemeinsame Verständnis innerhalb der Branche über das, was grüne Finanzprodukte sind.

Brauchen wir hier den Gesetzgeber, um europaweit eine einheitliche Definition eines nachhaltigen Finanzprodukts zu schaffen?

Wohlgethan: Das wird nicht ganz leicht sein, denn die kulturellen Prägungen in Europa sind doch sehr unterschiedlich. Franzosen bewerten beispielsweise Atomenergie ganz anders als Deutsche. Wichtig ist, hervorzuheben, dass es beim EU-Aktionsplan nicht um Vorschriften und starre Vorgaben geht. Vielmehr sollen Vermögensverwalter offenlegen, wie sie nachhaltig agieren, damit Anleger eine Entscheidung treffen können. Und das ist gut so. Denn eins ist klar: Letztendlich entscheidet der Kunde über die Wahl seiner Anlage. Wirklich hilfreich für Berater, Produktprüfer und Kunden wäre ein offizielles Label. Dies ist auch das Ziel der EU-Kommission, die ein „EU Ecolabel“ plant. Hoffen wir, dass ein einheitlicher und vor allem auch praxistauglicher Standard gefunden wird. Bis dahin werden wir mit mehreren nationalen und internationalen Labels, teilweise mit unterschiedlichen Berechnungsmethoden, umgehen müssen.

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