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DWS-Mann Klaus Kaldemorgen: So sieht er die Weltwirtschaft

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DAS INVESTMENT.com: Wie spiegelt sich Ihre Makro-Meinung derzeit in Ihrem Fondsportfolio wider?

Kaldemorgen: Die geschilderten Vor- und Nachteile der einzelnen Wirtschaftsräume spiegeln sich langfristig in der strategischen Ausrichtung eines Aktienportfolios wieder. Diese strategische Ausrichtung wird aber kürzerfristig von einer taktischen Positionierung überlagert, da natürlich auch die Kursbewegungen der Vergangenheit, sowie die Stimmung der Investoren in die Portfoliogewichtung einfließen. Um die Verwirrung komplett zu machen, wird die geografische Aufteilung eines Portfolios durch sogenannte multinationale Unternehmen (zum Beispiel Samsung, BHP und andere) verzerrt, dessen Länderbezug irrelevant für die Anlagerentscheidung ist. Auch spielt die Portfoliokategorie für die regionale Aufteilung eine entscheidende Rolle, je nachdem, ob Benchmark Überlegungen eine Rolle spielen oder das Portfolio eine Benchmark unabhängige Total Return Strategie verfolgt.

Aus Sicht eines Total Return Investors würde ich europäischen Aktien augenblicklich einen breiten Raum im Portfolio einräumen. Dabei spielt eine Rolle, dass die Eurozone wohl die wirtschaftliche Talsohle durchschritten hat, was sich noch nicht in den Bewertungen widerspiegelt. Aus dem amerikanischen Aktienmarkt halte ich mich hingegen zunächst heraus. Hier ist die wirtschaftliche Dynamik hinreichend diskontiert, während Belastungen durch eine Reduzierung der Anleihekäufe durch die Fed ins Haus stehen. Von China und anderen Emerging Markets haben sich Anleger in den letzten Monaten enttäuscht abgewendet, was sich in teilweise deutlichen Kursverlusten manifestiert. Nicht auf breiter Front, aber selektiv erscheinen mir Anlagen in Russland, China und Brasilien chancenreich. Längerfristig ist die Wachstumsperspektive der Emerging Markets nach wie vor in Takt. Notwendige Strukturreformen, die während der Boomphase vernachlässigt wurde, könnten einen Trigger für die Rückkehr der Investoren bilden.

DAS INVESTMENT.com: Sie haben sich seit Jahren skeptisch zu Aktien aus Schwellenländern und insbesondere China geäußert. Was wäre für Sie ein Anlass, in China im größeren Stil einzusteigen?

Kaldemorgen: Gute Kapitalmarktstorys werden mit Skepsis geboren und sterben in der Euphorie. So geschehen auch bei den Anlagen in Schwellenländern. In der Euphorie haben Anleger oft vergessen, dass ein hohes Wirtschaftswachstum politische, soziale und ökonomische Reformen erfordern. Die Notwendigkeit für diese Reformen wird während der Boomjahre gerne verdrängt. Dies ist kein Phänomen der Schwellenländer, sondern konnte auch gut in der Eurozone beobachtet werden. Der Druck auf Veränderungen zu reagieren ist m.E. gerade in China stark gewachsen. Leider hat man das Gefühl, dass unter der neuen Regierung der Reformeifer ins Stocken geraten ist. Insofern wäre ein Anlass für ein stärkeres Investment in China mehr Dynamik bei strukturellen Reformen. Schon jetzt glaube ich, dass selektive Investments sich in China wieder rechnen. Leider wird der chinesische Index (Hang Seng China Enterprise Index) zu 61 Prozent von Finanzwerten und zu 21 Prozent von Energiewerten dominiert. Beide Sektoren drängen sich in China nicht unbedingt für eine Anlage auf.

DAS INVESTMENT.com: Es gibt immer wieder kritische Stimmen, die offizielle Statistiken aus USA und China zu Arbeitsmärkten oder ähnlichem anzweifeln. Sind Sie da auch vorsichtig?

Kaldemorgen: Statistiken bergen stets die Gefahr, falsch interpretiert zu werden. Gerade Investoren neigen dazu, wegen der leichten Verfügbarkeit Anlageentscheidungen schnell und ohne tiefergehendes Verständnis oder Analyse aus den Statistiken abzuleiten. Dazu muss man noch nicht einmal unterstellen, dass diese bewusst falsch erhoben wurden oder manipuliert werden.

Statistiken sind oft sehr ungenaue Hochrechnungen. So werden für die Errechnung amerikanische Arbeitslosenquote gerade einmal 60.000 Haushalte befragt – tatsächlich gibt es aber insgesamt 114 Millionen Haushalte. Die Fragen lautet dann, „Haben Sie einen Job?“ oder „Suchen Sie einen Job?“. Über die Gründe für die Antwort „Suche keinen Job“ wird nicht reflektiert. Man kann sich lebhaft die Ungenauigkeiten vorstellen, die sich aus diesen Statistiken ergeben.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, Statistiken mit anderen Erhebungen beziehungsweise Quellen zu plausibilisieren. Zum Beispiel, ob der Stromverbrauch mit dem Wirtschaftswachstum korrespondiert.

In China gibt es beispielsweise sogenannte schwarze Löcher, wenn man die Statistiken der Provinzen aufaddiert und dann mit den zentral erhobenen Statistiken vergleicht.

Selbst wenn Statistiken aufgrund der Erhebung eher mangelhaft sind, so können die Veränderungen zumindest ein ungefähres Bild der Entwicklung geben. Man muss sich nur der Unzulänglichkeiten und Defizite bewusst sein. Dafür ist aber ein fundiertes Wissen über die Methodik der Erhebung notwendig.

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