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Aktualisiert am 20.03.2020 - 17:43 Uhrin GeldpolitikLesedauer: 5 Minuten

DZ-Bank-Analyst über Epidemie Märkte unterschätzen das Coronavirus

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Klar ist, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie erheblich sein werden. Das gilt selbst dann, wenn sich die Krankheit nun tatsächlich auf dem Rückzug befindet und noch im ersten Quartal weitgehende Entwarnung gegeben werden kann. Denn die wirtschaftlichen Schäden durch den Produktionsausfall in Fabriken, durch die Störung von Lieferketten, durch eingeschränkte Konsummöglichkeiten und durch die Ausfälle im Reiseverkehr sind vor allem für China und die asiatischen Anrainerstaaten schon jetzt beträchtlich.

Chinas Präsident Xi Jinping sagte am vergangenen Wochenende, dass der Ausbruch relativ große Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft haben werde. Diese dürften aber nur von kurzzeitiger Natur und kontrollierbar sein. Leider ist auch nicht auszuschließen, dass sich die Infektion über die Grenzen Chinas hinaus weiter ausbreitet und in eine Pandemie mündet. Selbst wenn es sich hierbei um ein recht unwahrscheinliches Risikoszenario handelt, so ist es angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen durchaus relevant. In unserer Analyse kommen wir zu dem Schluss, dass in diesem Fall eine globale Rezession zu befürchten wäre, die sich an den Aktienmärkten in scharfen Kursverlusten niederschlagen würde.

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In unserem Krisenszenario gehen die negativen Auswirkungen somit weit über das von Apple skizzierte hinaus. Lieferketten reißen, der Welthandel bricht ein und die Welt gleitet in eine Rezession ab. Die Investoren werden in einen Risk-off-Modus schalten und massiv Aktien verkaufen. Während der letzten Rezessionen 2003, 2009 und 2011 ist die Kurs-Buchwert-Bewertung des Dax immer unter die erste untere Standardabweichung (KBV 1,27) gesunken. Für den Dax bedeutet dies ein Kursniveau von rund 9.700 Punkten, beziehungsweise einen Einbruch um rund 30 Prozent.

Auch aus den letzten beiden Dax-Korrekturen 2015 und 2018 kann ein Einbruch im Krisenszenario in dieser Größenordnung abgeleitet werden. Anfang 2015 sind die Kurse und die Bewertung des Dax, auch unterstützt durch die Anleihekäufe der Notenbanken, zunächst deutlich angestiegen. Dies war auch in den letzten Monaten zu beobachten. Ängste rund um einen abrupten Einbruch des chinesischen Wirtschaftswachstums, hatten in den Folgemonaten zu einem Kursrückgang von rund 30 Prozent geführt.

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Auch die Konjunktursorgen 2018, ausgehend von einer zunehmend protektionistischen US-Handelspolitik und einer nachlassenden Dynamik des Welthandels, haben zu einer Korrektur des Dax von fast 25 Prozent geführt. Einen Kurseinbruch von rund 50 Prozent, wie es in 2008/09 zu beobachten war, sehen wir hingegen nicht. Die Krise 2008/09 hatte ihren Ursprung in einer Finanzkrise, die sich sukzessive auf die Realwirtschaft ausgeweitet und diese abgewürgt hat. Zudem spricht gegen einen so massiven Einbruch, dass mit einem Abklingen der Krankheit im zweiten Halbjahr die Zuversicht an die Märkte zurückkehren und somit eine starke Gegenbewegung an den Märkten zu beobachten sein sollte.

Unser Risikoszenario weicht zwar deutlich von unserem Basisszenario ab. Aber auch in unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass der Markt die Folgen des Virus unterschätzt. Die Marktstimmung ist zu gut, die Gewinnschätzungen zu ambitioniert und die Bewertung zu hoch. Diese Konstellation sollte in den kommenden Wochen zu einer Konsolidierung führen.


Über den Autor:
Michael Bissinger ist Analyst für Aktien- und Anlagestrategien bei der DZ Bank.

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