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Candriam-Anleihechef im Interview „Echte ESG-Integration erhöht die Rendite“

Greta Thunberg beim Klimastreik in Mailand am 1. Oktober
Greta Thunberg beim Klimastreik in Mailand am 1. Oktober: Anleiheanleger werden den verstärkten Dialog mit Emittenten suchen, die unter ihrem Potenzial bleiben, um auf die Verbesserung ihrer ESG-Kennzahlen einzuwirken. | Foto: Imago Images / aal.photo
Nicolas Forest, Candriam

Herr Forest, die globale Standardisierung der ESG-Definitionen ist immer noch unvollständig. Wie sollten wir nun „Integration“ definieren?

Nicolas Forest: „Integrieren“ bedeutet „zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen“. ESG-Integration bedeutet aber nicht einfach, Daten zusammenzutragen. Man muss sie auch interpretieren können. Und bestenfalls den Veränderungen immer einen Schritt voraus sein.

Für mich ist der wichtigste Aspekt, dass die ESG-Integration ein vielschichtiger Prozess ist, und nicht ein Ergebnis. Es handelt sich um die Einbeziehung von ökologischen, sozialen und Governance-Risiken und -chancen in die Arbeit mit festverzinslichen Anlagen und in die Finanzanalysen als Grundlage für Anlageentscheidungen.

ESG-Integration ist aber nicht zuletzt auch ein Prozess der Information und Aufklärung – sowohl der Investmentmanager und Analysten als auch der Anleger.

Welche Ergebnisse erwarten Sie durch die konsequente Einbindung des Themas ESG?

Forest: Wir erwarten langfristig bessere risikobereinigte Erträge. Und auf dem Weg dahin erwarte ich, dass die echte Integration von ESG-Faktoren in die Prozesse für festverzinsliche Anlagen in der gesamten Investmentbranche dabei hilft, Kapital effizienter anzulegen und zugleich bessere Ergebnisse für die Gesellschaft hervorzubringen.

Sie sprechen von echter Integration. Gibt es eine bestimmte Methode, an die sich Anleger halten sollten, um „Greenwashing“ zu vermeiden?

Forest: Wie bei anderen Elementen der Investmentanalyse gibt es keine einzig richtige Methode. Es gibt mehr als einen Ansatz. Daher gilt: Die jeweilige ESG-Integration muss zur eigenen Anlagephilosophie und den konkreten Risiko-Rendite-Zielen der Anleger passen. Um das Richtige zu tun, hilft Anlegern die jüngste europäische Verordnung zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen von Finanzdienstleistern, SFDR. Sie ist ein großer Schritt, damit Anleger die Spreu vom Weizen trennen können.

Unterscheiden sich Anleihen im Hinblick auf die ESG-Integration eigentlich von Aktien?

Forest: Auch bei festverzinslichen Anlagen ist die Integration von ESG-Faktoren hilfreich. Das entdecken von Verlustrisiken fällt leichter, wenn solche zusätzlichen Elemente die für die Anlage nötigen Informationen ergänzen.

Bei Anleihen ist nicht zu vergessen, dass sie oft signifikantes Aufwärtspotenzial bieten können. Wandelanleihen könnten zu Aktien werden und High-Yield-Werte könnten auf Investment-Grade hochgestuft werden. Für eine umfassende Analyse der künftigen Cashflows und Chancen ist es daher nötig, genau zu verstehen, wie fundamentale Faktoren, einschließlich ESG-Kriterien, die Chancen maximieren und die Risiken verringern.

Anlageexperten müssen nicht nur mit den regulatorischen Veränderungen Schritt halten, sondern sie im Sinne der Anleger am besten vorwegnehmen und sie bei ihren Investmententscheidungen berücksichtigen, oder?

Forest: Der Vorteil der neuen ESG-Verordnung ist die verbesserte Transparenz für Anleger. Die Fundamentaldaten von Emittenten werden zunehmend auf sehr reale Weise von ESG-Faktoren beeinflusst. So zeigte Covid-19 die Bedeutung sozialer Faktoren für die Unternehmensgewinne auf. Die Klimakonferenz COP-26, die vom 31. Oktober bis zum 12. November im schottischen Glasgow stattfindet, dürfte wiederum dazu führen, dass die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels thematisiert werden. Wir verfolgen diese Entwicklungen genau.

Wie geht es bei Candriam jetzt im Hinblick auf die ESG-Integration weiter?

Forest: Wir konzentrieren uns stark auf die risikobereinigten Erträge. Etwas vereinfacht formuliert, geht es bei der Kapitalanlage immer darum, Risiken zu identifizieren, Risiken zu vermeiden und zu entscheiden, welche Risiken man in Kauf nimmt, um Rendite zu erzielen. Ein zentrales Ziel der ESG-Integration ist die laufende Verbesserung der Identifizierung und Bewertung von Risiken. Wir stellen uns darauf ein, dass die Regulierung sich ständig weiterentwickelt.

Und – letzte Frage – wohin geht der Weg?

Forest: Die Anleiheemittenten werden immer präziseren Analysen unterzogen. Dadurch werden sich neue Spitzenreiter und Schlusslichter herauskristallisieren. Anleiheanleger werden den verstärkten Dialog mit denjenigen Emittenten suchen, die unter ihrem Potenzial bleiben, um auf die Verbesserung ihrer ESG-Kennzahlen einzuwirken. Kurz gesagt: ESG-Integration ist ein Prozess. Dieser Prozess dürfte sich kontinuierlich weiterentwickeln. Wir sind überzeugt, dass echte Integration von ESG-Faktoren zu besseren Anlageergebnissen führt und in sehr erheblichem Maß zum Erreichen sozialer und ökologischer Ziele beiträgt.

Das komplette Interview mit Nicolas Forest, Fixed Income-Chef bei Candriam, lesen Sie hier.

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