Eckpunktepapier des BMF Was heißt eigentlich „Vertriebsgesellschaften“?
Finanzanlagenvermittler sollen unter die Aufsicht der Bafin kommen. Das Vorhaben hatten die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Jetzt hat das Bundesfinanzministerium (BMF) dargelegt, wie man sich die neue Regelung in groben Zügen vorstellt.
In einer Beziehung signalisiert das Eckpunktepapiereine der Branche Entwarnung: Für jetzige 34f- und 34h-Vermittler soll es in Zukunft weiterin Erleichterungen geben. Denn die dann als „Finanzanlagendienstleister“ zusammengefassten Vermittler müssen keine Erlaubnis nach Paragraf 32 Kreditwesengesetz beantragen, wie sie etwa für Banken oder auch Haftungsdächer verpflichtend ist. Vielmehr soll ihre Ausnahmeregelung nach Gewerbeordnung Einzug ins Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) halten: Sie sollen somit eine Bafin-Lizenz zu milderen Bedingungen erhalten.
Im BMF-Eckpunktepapier ist die Rede von drei Gruppen, in die heutige 34f- und 34h-Vermittler – genannt „Finanzanlagendienstleister“ – fallen sollen:
- Finanzanlagendienstleister mit eigener Erlaubnis,
- Vertriebsgesellschaften mit erweiterten Anforderungen und
- Vertraglich gebundene Vermittler ohne eigene Erlaubnis.
Was mit „Vertriebsgesellschaften“ und der neuen Art von „vertraglich gebundenen Vermittlern“ gemeint ist, konkretisiert man beim BMF wie folgt: „In Anlehnung an die einschlägigen KWG-Vorschriften soll erstmalig die Möglichkeit der Vermittlung als vertraglich gebundener Vermittler geregelt werden. Solche Vermittler, die ausschließlich für Rechnung und unter Haftung einer Vertriebsgesellschaft tätig werden, die ihrerseits über eine (erweiterte) Erlaubnis verfügt, bedürfen keiner eigenen Erlaubnis.“
Das klingt ganz ähnlich wie die Bedingungen für Haftungsdächer und an sie angebundene Vermittler, festgeschrieben im Kreditwesengesetz (KWG) Paragraf 2 Absatz 10. Das Konstrukt: Das Haftungsdach reicht seine Lizenz an den gebundenen Vermittler aus und ist im Gegenzug für dessen Handlungen verantwortlich.
Laut dem BMF-Eckpunktepapier könnte es bald eine analoge Regelung für heutige Gewerbeordnungs-Vermittler geben – möglicherweise parallel zu heutigen Haftungsdächern.
Treten also die zukünftigen „Vertriebsgesellschaften“ damit in Konkurrenz zu den heutigen Haftungsdächer – die ebenfalls angebundene Vermittler beschäftigen, dafür aber eine KWG-Lizenz benötigen? Wir haben drei renommierte Rechtsanwälte um eine Einschätzung gebeten.
„Vertriebsgesellschaften und traditionelle Haftungsdächer können nebeneinander bestehen“

Könnten die geplanten „Vertriebsgesellschaften“ und die bestehenden Haftungsdächer einander Konkurrenz machen?
Philipp Mertens: Rein aufsichtsrechtlich können „Vertriebsgesellschaften“ und „traditionelle Haftungsdächer“ nebeneinander bestehen. Es ist allerdings derzeit ein gewisser Trend zu erkennen, Anlageberatung zu vermeiden und Kunden in die einfacher zu handhabende Finanzportfolioverwaltung umzustrukturieren. Diese Möglichkeit haben Vertriebsgesellschaften nicht. Ich könnte mir daher eher vorstellen, dass sich größere 34f-Vertriebe angesichts der weitergehenden Harmonisierung erneut mit der Frage auseinandersetzen werden, ob sie nicht selbst eine Erlaubnis nach Paragraf 32 KWG beantragen sollen.
Wird die Tätigkeit für einfache Vermittler, die sich einem anderen Vermittler anschließen und unter dessen Lizenz arbeiten, dann einfacher - weil viele umständliche Nachweise nicht mehr selbst zu erbringen sind und die Regeln für „Vertriebsgesellschaften“ möglicherweise laxer ausfallen als bei traditionellen Haftungsdächern?
Mertens: Traditionelle Haftungsdächer sind Institute nach Paragraf 32 KWG und haben deutlich weitergehende Organisations- und Compliance-Anforderungen zu erfüllen als eine „Vertriebsgesellschaft“, die demnächst 34f-ler unter ihre Haftung nimmt. Ich gehe davon aus, dass die Regelung zu „Vertriebsgesellschaften“ die bisherige Regelung in Paragraf 34f Abs. 4 GewO aufgreift und erweitert: Mitarbeiter müssen dann nicht mehr angestellt werden, sondern können als vertraglich gebundene Vermittler (vgV) angebunden werden.
Wie wird sich das Vertriebssegment der Ex-34f-und 34h-ler insgesamt verändern?
Mertens: Sofern der Gesetzgeber das Haftungsdach für 34f-ler nach dem Vorbild der heute schon bekannten Haftungsdächer installiert, müssen die 34f-ler ausdrücklich im Namen des Haftungsdaches auftreten. Vermutlich werden die Haftungsdächer dann verlangen, dass nur noch vorgegebene Produkte eingesetzt werden dürfen. Eine Erweiterung des Produktspektrums etwa auf Aktien und Anleihen ist nicht vorgesehen.
Wie könnte sich das auf die großen Strukturvertriebe auswirken?
Mertens: Für die größeren Strukturvertriebe stellt die Einführung eines 34f-vgV vermutlich eine Erleichterung dar: Sie könen dann wieder „Mitarbeiter“ anbinden, die zwar die Qualifikation (Sachkunde) nachweisen, aber weder eine eigene Erlaubnis haben noch angestellt werden müssen. Insbesondere Letzteres dürfte arbeitsrechtlich von Vorteil sein. Stand heute müssten sie aber erstmal nichts ändern, denn der Gesetzgeber lässt ja auch ausdrücklich die Möglichkeit von Strukturvertrieben zu.
Könnte das Vorhaben „Bafin-Aufsicht für 34f- und 34h-Vermittler“ noch ganz abgeblasen werden, falls die große Koalition zerbricht?
Mertens: Denkbar ist vieles. Aber das Thema „Harmonisierung des Finanzvertriebs“ haben meines Wissens nicht nur beide Regierungsparteien auf der Agenda, sondern insbesondere auch die Grünen. Lediglich die FDP neigt zu mehr Marktfreiheit. Sollte die große Koalition zerbrechen, gehe ich aber nicht davon aus, dass die FDP in einer möglichen Folgeregierung maßgeblichen Einfluss auf den Koalitionsvertrag nehmen wird.