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Economic Outlook September Ist „alles Notwendige“ noch genug für eine Erholung in Europa?

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Ausgehend von den jüngsten politischen Maßnahmen der EZB, welche nächsten Schritte erwarten Sie?

Die Erwartungen in unserem Basisszenario lassen sich am besten erläutern, wenn wir den dreiteiligen Rahmen betrachten, den EZB-Präsident Mario Draghi skizziert hat:
- weitere konventionelle Maßnahmen, um einer zu restriktiven Politik entgegenzuwirken, darunter Zinssenkungen, Liquiditätsspritzen und die ersten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (LTRO);
- gezielte LTROs (TLTRO), um weitere Beeinträchtigungen des Transmissionsmechanismus zu beseitigen;
- umfassende Wertpapierkäufe, um die mittelfristigen Inflationsaussichten zu beeinflussen.

In den zurückliegenden Monaten hat sich der Fokus der EZB auf die Abwärtsrisiken für die Inflation verlagert, da diese wiederholt nach unten überrascht hat und die Inflationserwartungen gesunken sind. Aufgrund von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Inflationsziels der EZB hat Mario Draghi signalisiert, dass die EZB bei Bedarf handeln werde. Das ist wohl nicht nur eine präventive Maßnahme, jedoch muss Draghi eine Gratwanderung vollziehen: Er muss die Fakten anerkennen und die deutschen Vertreter bei der EZB und vor allem die deutsche Regierung und Öffentlichkeit im Boot halten.

Angesichts der schwachen Wachstums- und Inflationsaussichten für Deutschland ist es wahrscheinlich, dass die Bundesbank bei ihrer Haltung gegenüber einer quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) nun nachgiebiger ist. Gleichwohl bedarf es weiterer Belege für Abwärtsrisiken für die Inflation, ehe die Bundesbank umfassende Wertpapierkäufe unterstützt – oder wenigstens gnädig duldet.

Welche Maßnahmen sind seitens der EZB noch zu erwarten?

Am 4. September gab die EZB bekannt, dass sie Asset-Backed Securities (ABS) und Covered Bonds kaufen wird, was unter dem Strich die gleiche Art von QE ist, die die US-Notenbank (Fed) mit dem Kauf von Mortgage-Backed Securities (MBS) umsetzte. Die Maßnahme der EZB scheint zwar auf den Transmissionsmechanismus abzuzielen, sollte aber besser als erster Schritt im Rahmen des umfassenden Wertpapierkaufprogramms der EZB verstanden werden.

Tatsächlich hat Mario Draghi klargestellt, dass seine Bedenken in Bezug auf die Schrumpfung der EZB-Bilanz (nach der Rückzahlung der LTRO-Darlehen) in der Sorge der EZB über die mittelfristigen Inflationsaussichten wurzeln. Die TLTROs sind für die europäischen Banken sicherlich positiv, jedoch erwarten wir, dass die gesamtwirtschaftlichen Effekte begrenzt sein werden.

Wahrscheinlich wird die EZB keine sehr großen Mengen von Asset-Backed Securities (ABS) kaufen können, es sei denn, die technischen Schwierigkeiten, mit denen Banken bei der Verbriefung von Krediten in ihren Bilanzen konfrontiert sind, werden behoben und/oder die technischen und politischen Herausforderungen bei staatlichen Garantien für ABS für kleine und mittlere Unternehmen angegangen. Daher ist ein ausgewachsenes QE-Programm wahrscheinlich, das – die politischen Herausforderungen einmal außen vor gelassen – für die EZB wie bereits für die Fed, die Bank of England (BoE) und die Bank of Japan (BoJ) der praktikabelste Ansatz wäre.

Und welche Folgen hätte dies?

Die quantitative Lockerung würde über mehrere Kanäle wirken: Verankerung der Realzinsen und Dämpfung der Volatilität, Signalisieren von Reflationsabsichten zur Vermeidung eines destabilisierenden Rückgangs der Inflationserwartungen sowie Portfolioneugewichtungen, bei denen Finanzmarktteilnehmer aufgrund der niedrigeren Risikoprämien sichererer Anlagen in risikoreichere Anlagen umschichten, wodurch die Risikoprämien weiter sinken. Das wiederum könnte den positiven Nebeneffekt haben, dass der Euro geschwächt wird.

Zudem hat Mario Draghi die Notwendigkeit einer fiskalpolitischen Expansion, soweit diese möglich ist, und von Strukturreformen, wenn diese zur Unterstützung einer quantitativen Lockerung bei der Förderung des mittelfristigen Wachstums nötig sind, betont. Die politischen Rahmenbedingungen – darunter die Koordination der Geld- und Fiskalpolitik – in den USA und im Vereinigten Königreich waren zwar längst nicht perfekt, haben gemessen an ihrem Einfluss auf das Wachstum und die Inflation aber zweifellos besser gewirkt als in der Eurozone.

In der Eurozone herrscht bereits die abgeschwächte Form einer Stagnation nach japanischem Muster. Wenn politische Hemmnisse weiterhin verhindern, dass die EZB entsprechend agiert, wird die Gefahr einer ausgewachsenen, destabilisierenden Deflation wachsen.