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Edward Guinness: Wie ein Familienunternehmen die Welt erobert
Edward Guinness hätte es sich leicht machen können. Als entfernter Spross der berühmten Brauerei-Dynastie stand ihm die Welt praktisch von Geburt an offen. Doch der heutige Chef des unabhängigen Vermögensverwalters Guinness Global Investors wählte bewusst einen anderen Weg: „Eigentlich wollte ich nie in das Fondsgeschäft einsteigen –weil es genau das war, was mein Vater machte“, erinnert sich der heute 50-Jährige.
Stattdessen studierte er Ingenieurwesen und startete seine Karriere bei HSBC im Investment Banking. Die Arbeitszeiten waren brutal, erinnert er sich: „Unser Managing Director erwartete, dass wir um 7 Uhr morgens da waren. Vor 21 Uhr ging niemand, und zwei bis drei Wochenenden im Monat waren auch fällig.“
2002 zog es ihn nach New York zum Hedgefonds Tiedemann – weit weg vom väterlichen Einfluss. Erst 2006, als sein Vater Tim Guinness Unterstützung beim Aufbau eines nachhaltigen Energiefonds suchte, kehrte er zurück. „Wir haben überraschend festgestellt, dass wir gut zusammenarbeiten können“, schmunzelt er heute.
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Edward Guinness hätte es sich leicht machen können. Als entfernter Spross der berühmten Brauerei-Dynastie stand ihm die Welt praktisch von Geburt an offen. Doch der heutige Chef des unabhängigen Vermögensverwalters Guinness Global Investors wählte bewusst einen anderen Weg: „Eigentlich wollte ich nie in das Fondsgeschäft einsteigen –weil es genau das war, was mein Vater machte“, erinnert sich der heute 50-Jährige.
Stattdessen studierte er Ingenieurwesen und startete seine Karriere bei HSBC im Investment Banking. Die Arbeitszeiten waren brutal, erinnert er sich: „Unser Managing Director erwartete, dass wir um 7 Uhr morgens da waren. Vor 21 Uhr ging niemand, und zwei bis drei Wochenenden im Monat waren auch fällig.“
2002 zog es ihn nach New York zum Hedgefonds Tiedemann – weit weg vom väterlichen Einfluss. Erst 2006, als sein Vater Tim Guinness Unterstützung beim Aufbau eines nachhaltigen Energiefonds suchte, kehrte er zurück. „Wir haben überraschend festgestellt, dass wir gut zusammenarbeiten können“, schmunzelt er heute.
Von London in die Welt
Diese Rückkehr markierte den Beginn einer behutsamen Evolution des Familienunternehmens. Unter seiner Mitwirkung öffnete sich die Firma international, baute neue Geschäftsfelder auf und modernisierte ihre Strukturen. Heute verwaltet Guinness Global Investors Vermögen für Kunden aus aller Welt, mit Schwerpunkten in nachhaltiger Energie, globalen Aktien und Venture Capital.
Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile weltweit 83 Mitarbeiter. Mit 10 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen ist sein Haus groß genug, um relevant zu sein, aber noch klein genug, um flexibel und unabhängig agieren zu können. Eine Position, die Guinness gezielt verteidigt.
„Die großen Asset Manager machen in meinen Augen zwei entscheidende Fehler“, analysiert er. „Sie werden zu komplex und lassen ihre Fixkosten aus dem Ruder laufen.“ Statt wie die Großen der Branche ein Dutzend verschiedene globale Aktienstrategien anzubieten, beschränkt er sich auf wenige, klar definierte Ansätze. „Wenn man zu viele Varianten eines Produkts hat, verliert man die Differenzierung.“
„Provisionsmodelle schaffen falsche Anreize“
Auch bei der Bezahlung macht er vieles anders als die Konkurrenz: „Wir vergüten unser Vertriebs- und Marketingteam komplett diskretionär, ohne starre Formeln“, erklärt er. „Feste Provisionsmodelle schaffen falsche Anreize. Wir wollen Qualität statt blindem Wachstum." Eine Philosophie, die sich durch alle Unternehmensbereiche zieht.
Bei Übernahmen, dem liebsten Wachstumspfad vieler Konkurrenten, winkt er ab: „M&A ist in der Fondsindustrie unglaublich schwierig. Man bringt Menschen mit Egos und oft völlig unterschiedlichen Ansätzen zusammen. Das funktioniert selten.“ Stattdessen setzt er auf organisches Wachstum.
Bei einer Sache sind sich Vater und Sohn definitiv einig: „Eine Börsennotierung wäre der größte Fehler.“ Edward Guinness spricht diesen Satz mit einer Überzeugung aus, die keinen Zweifel zulässt. Während viele unabhängige Vermögensverwalter vom großen Geld der Börse träumen, geht der Chef von Guinness Global Investors bewusst einen anderen Weg: „Man braucht eine klare Vision und Entscheidungskraft statt endloser Komitee-Sitzungen.“
Edward Guinness über aktive ETFs
Auch beim größten Branchentrend, dem Aufstieg der aktiven ETFs, hat Guinness einen Plan. In den USA bietet man bereits fünf ETFs an, in Europa arbeitet er mit Hanetf zusammen. Das Segment sei spannend, aber er differenziert zwischen verschiedenen ETF-Ansätzen. „Die großen US-Häuser machen es mit ihren 'Research-Enhanced'-Produkten sehr clever“, analysiert er. „Das ist eine Art 'Passive Plus' mit leichten Übergewichtungen zum Index – aber zu Passive-Preisen. Für uns ist das jedoch nicht der richtige Weg. Wir setzen auf echte aktive Strategien.“
Allerdings warnt er vor kurzfristigen Hypes: „Viele thematische ETFs können zwar schnell Assets einsammeln, verlieren sie aber genauso schnell wieder. Wir setzen dagegen auf langfristige Strategien.“
Diese Langfristperspektive prägt auch die Produktentwicklung. Die europäische Einkommens-Strategie etwa wurde innerhalb eines Jahres von 10 auf 60 Millionen Euro ausgebaut, nun schielt man auf die 100-Millionen-Marke. Geografisch stehen beim Business Japan und Kanada im Fokus. Ein 350 Millionen Dollar schweres Venture-Capital-Geschäft rundet das Portfolio ab.
Nur 45 Prozent der Anleger kommen noch aus Großbritannien, der Rest verteilt sich über Europa, Asien und Amerika. Deutschland sei nach Großbritannien der zweitwichtigste Markt: „Hier gibt es eine sehr analytische, strukturierte Herangehensweise an Investments“, erklärt er. „Das passt hervorragend zu unserem systematischen Investmentprozess. Deutsche Investoren schätzen unsere klar definierten Abläufe und nachvollziehbaren Entscheidungswege.“
Die Geschäfte laufen in eine gute Richtung, doch man müsse sehr vorsichtig sein, welche Mittelzuflüsse man akzeptiere, betont Guinness. Sein größter Investor macht 14 Prozent der Assets aus, nur einer liegt noch über 10 Prozent. „Diese Diversifikation ist wichtig. Große Investoren können aus einer Laune heraus abspringen, das muss nicht einmal etwas mit einem selbst zu tun haben. Darauf muss man vorbereitet sein.“
Delegieren statt Mikromanagement
Die Vorsicht hat er möglicherweise von seinem Vater geerbt. Allerdings unterscheidet sich sein Führungsstil deutlich: Während der Senior als klassischer „Mikromanager“ jedes Detail kontrollieren möchte, setzt Edward Guinness auf Delegation und klare Verantwortlichkeiten.
„Als wir noch zehn Leute waren, konnte jeder alles machen“, erinnert er sich an seine Anfänge 2006. „Mit unserer heutigen Größe braucht man andere Systeme. Nur wenn man den richtigen Leuten Verantwortung überträgt, kann man ein wirklich großes Unternehmen aufbauen.“
Dabei hilft ihm seine Ausbildung: Der Cambridge-Absolvent bringt als gelernter Ingenieur einen analytischen Blick mit. Seine Führungsphilosophie vergleicht er mit der eines Cricket-Selectors: „80 bis 90 Prozent der Entscheidungen basieren darauf, die Meinungen des Teams einzuholen. Nur bei 10 bis 20 Prozent muss man eigene Ideen durchsetzen.“
Ohne Menschen geht es nicht
Die größten Herausforderungen sieht Guinness im steigenden Regulierungsdruck und der zunehmenden Digitalisierung. „Die regulatorische Last für global tätige Fondsmanager ist enorm“, klagt er. „Jedes Land interpretiert die Regeln anders – die Franzosen anders als die Deutschen, die Italiener anders als die Amerikaner.“
Auch die Digitalisierung verändert das Geschäft fundamental. „Allein durch ESG haben wir heute viel mehr Datenpunkte zu jedem Unternehmen, die verarbeitet und analysiert werden müssen“, erklärt er. Sein Haus investiert stark in Technologie, um diese Datenflut zu bewältigen. „Aber am Ende braucht es immer noch den Menschen, der die Muster erkennt und die richtigen Schlüsse zieht.“
Der Geschichte verpflichtet
Diese Mischung aus Tradition und Moderne spiegelt sich auch in seiner Familiengeschichte wider. Die Guinness-Brauerei wurde über sechs Generationen familiengeführt, großmütterlicherseits gibt es eine Privatbank in der 13. Generation. „Auf beiden Seiten meiner Familie gibt es diese Tradition der langlebigen Unternehmen“, sagt er nicht ohne Stolz.
Seine eigenen drei Kinder – 16, 14 und 11 Jahre alt – sollen diese Tradition eines Tages fortführen können, aber ohne Druck. Dass der Älteste derzeit von einer Karriere als Astronaut träumt, kommentiert er mit typisch britischem Humor: „Vielleicht legt er ja später den ersten Fonds auf dem Mars auf.“ Wichtiger sei es, zunächst die richtigen Strukturen zu schaffen, in denen künftige Generationen in verschiedenen Bereichen des Unternehmens ihre Erfahrungen sammeln können.
Er selbst denkt ohnehin noch lange nicht ans Aufhören: „Wir bauen ein Geschäft für Generationen", betont er. Das bedeutet für ihn auch, selbst noch lange aktiv zu bleiben: „Ich habe das Privileg, eines der spannendsten Geschäfte der Welt zu führen, umgeben von brillanten Menschen. Warum sollte ich damit aufhören wollen?“ Sein Vater, der noch immer fünf Tage die Woche arbeitet, lebt diese Hingabe vor.
Auf den Spuren der Großen
Die Vision für sein Unternehmen ist klar: „Wir wollen definitiv ein globaler Player werden, keine Boutique.“ Dabei helfe die bereits heute internationale Investorenbasis, die sich über vier Kontinente erstreckt. „Nur in Lateinamerika haben wir noch keine nennenswerten Investments“, schmunzelt er.
Als Vorbild nennt er Firmen wie Vanguard: „Die waren in den 60er und 70er Jahren auch noch winzig. Dreißig Jahre später waren sie riesig. Ich glaube, wir können einen ähnlichen Weg gehen.“ Allerdings nicht durch blinde Nachahmung, sondern auf seine Art: behutsam, analytisch und mit klarem Fokus.