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Aktualisiert am 10.02.2021 - 17:23 UhrLesedauer: 8 Minuten
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Aktien 2021 Ein heikler Balanceakt

Hoheitszeichen Indonesiens
Hoheitszeichen Indonesiens: In früheren Rezessionen haben exportorientierte Volkswirtschaften wie die asiatischen unter einem Rückgang des Welthandels gelitten – diesmal scheinen viele asiatische Volkswirtschaften robuster zu sein. | Foto: imago images / Pacific Press Agency
Romain Boscher, globaler Anlagechef für Aktien

Dank der enormen geld- und fiskalpolitischen Reaktion auf die wirtschaftlichen Schäden, die durch die Corona-Viruskrise verursacht wurden, stiegen die Aktienkurse während eines Großteils des Jahres 2020 weit stärker an, als es den Gewinnerwartungen entsprach. An der Schwelle zum Jahr 2021 werden sich die Erträge wahrscheinlich weiter erholen, jedoch in ungleichmäßigem Tempo. Dies könnte die Marktbewertungen auf die Probe stellen. Die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Sektoren, erhöhte Bewertungen am Gesamtmarkt und das gestiegene Risiko eines plötzlichen Favoritenwechsels erfordern 2021 einen heiklen Balanceakt zwischen Chancen und Risiken sowie die Fähigkeit zu raschem Handeln bei sich ändernden Rahmenbedingungen.

Unternehmensgewinne auf lange Sicht entscheidend

Über weite Strecken des Jahres 2020 setzten die Aktienanleger auf ein wirtschaftliches Best-Case-Szenario und eine Konjunkturerholung mit V-förmigem Verlauf. Diese zuversichtliche Erwartung stützte sich auf das Ausmaß der geld- und fiskalpolitischen Anreizmaßnahmen. Beispielsweise blieben in den USA die Konsumausgaben dank der jede Woche an US-Bürger gezahlten 600 US-Dollar höher, als sie sonst in der ersten Jahreshälfte gewesen sein dürften. Sollte die neue US-Regierung jedoch feststellen, dass sie die ausfallende Nachfrage in den kommenden Monaten nicht vollständig durch staatliche Hilfszahlungen ersetzen kann, ist eine erneute Rezession wahrscheinlicher.

Möglich ist aber auch eine K-förmige Entwicklung, bei dem die Bewertungen der als Gewinner angesehenen Sektoren beziehungsweise Aktien und die der mutmaßlichen Verlierer stark auseinanderlaufen. Die Marktstimmung könnte außerdem wechselweise von der reichlichen Liquidität oder dem wirtschaftlichen Schaden dominiert werden. Letztlich werden jedoch die Gewinne der Maßstab sein, an dem der Unternehmenserfolg langfristig gemessen wird. Trotz Dividendenkürzungen in einzelnen Segmenten bieten Aktien nach wie vor ein Renditepolster von durchschnittlich etwa 2 bis 3 Prozent, was in einem Umfeld mit Zinsen nahe Null immer noch attraktiv erscheint.

Gegenwind für Banken und Ölwerte

Die lang erwartete Rotation der Investmentstile ist auch 2020 nicht eingetreten. Auf kurze Ausflüge der Anleger in das Value-Segment folgte rasch wieder eine Rückkehr zu Wachstumstiteln, obwohl die Bewertungsdifferenz zwischen den beiden Stilen auf einem Allzeithoch lag. Das Unvermögen des Value-Segments insgesamt, in Führung zu bleiben, könnte auf strukturelle Hemmnisse in zwei Branchen zurückzuführen sein: Banken und Öl.

Banken sehen sich in weiten Teilen der entwickelten Welt mit der Aussicht auf niedrige Zinsen für einen längeren Zeitraum konfrontiert. Sie verdienen ihr Geld, indem sie die Differenz zwischen lang- und kurzfristigen Zinssätzen ausnutzen und Einlagen in Wertpapiere investieren; doch wo immer sie ihr Kapital derzeit anlegen, ist die Rendite extrem gering. Obwohl sie in dieser Krise in besserer Verfassung als während der Finanzkrise waren, könnte die Zahl der notleidenden Kredite steigen, falls die Pandemie bis 2021 andauert.

Die Ölgesellschaften stehen unterdessen vor mehreren Herausforderungen. In vergangenen Krisen hat ein niedriger Ölpreis die Wirtschaft angekurbelt, doch in der Corona-Viruskrise sind die Reise- und Freizeitunternehmen, die sonst von billigerem Treibstoff hätten profitieren können, in ihren Aktivitäten stark eingeschränkt. Auch das fiskalpolitische Umfeld ändert sich für sie, wobei die Politik wahrscheinlich „grüner“ sein wird als in der Vergangenheit und das Segment „Erneuerbare Energien“ begünstigt. Auf dem Höhepunkt der Pandemie, als der Ölpreis um 40 Prozent fiel, verharrten die Preise im Bereich „Erneuerbare Energien“ auf hohem Niveau. Die großen Ölgesellschaften nehmen dies mittlerweile zur Kenntnis, sie haben ihre Dividenden gekürzt und Kapital umgeschichtet, um in „grüne“ Energie zu investieren. Unternehmen, die beim Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft ins Hintertreffen geraten, erscheinen zunehmend gefährdet.

Ein weiterer Trend, der sich durch die Pandemie beschleunigt hat, ist die Digitalisierung. Unternehmen mit bereits vorhandener Infrastruktur, wie zum Beispiel im Bereich Cloud Storage, die die zusätzliche Nachfrage nach ihren Systemen auffangen konnten, sind die Hauptprofiteure. Am anderen Ende der Skala stehen traditionelle Firmen mit physischen Geschäften wie etwa Einzelhändler. So geht es weniger um die Frage Value oder Growth, sondern eher um einen Generationswechsel zwischen alten und neuen Sektoren.