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Eine Abrechnung Die 3 Denkfehler der Europäischen Zentralbank

Redakteur Andreas Harms hat mit der aktuellen Geldpolitik so seine Probleme
Redakteur Andreas Harms hat mit der aktuellen Geldpolitik so seine Probleme | Foto: Kasper Jensen

Hey EZB, altes Haus! Wir haben schon so viel zusammen erlebt. Über 20 Jahre kennen wir uns schon. Und weißt du was? Am Anfang fand ich dich richtig cool. Ich war damals Bankberater und hielt in Schulen Vorträge über die neue Europa-Währung. Du würdest schon aufpassen, dass sie stabil bleibe, hatte ich damals angekündigt. Und ich glaubte das auch wirklich. Ich war jung und begeistert von der Idee einer gemeinsamen Währung. Damals.

Und heute?

Heute halte ich den Euro, also deinen Schutzbefohlenen, nur noch für eine Idee, im Grunde gut gemeint aber in der Praxis unglaublich schlecht umgesetzt. Weitere Versuche, die Länder unter einen Hut zu kriegen? Fehlanzeige. Stattdessen fehlen mit frei schwingenden Wechselkursen und landeseigenen Zinsen zwei wichtige Ventile für volkswirtschaftliche Differenzen. Soll heißen: Es hat nicht mehr jedes Land die Zinsen und die Währung, die es verdient.

Doch das hast du ja gar nicht verbockt, das waren Regierungen, die sich darauf ausruhen, dass du die Zinsen immer schön tief hältst. Wir haben bis zur Oberkante der Unterlippe verschuldete Staaten, denen höhere Zinsen sofort das finanzielle Genick brechen würden. Wir haben frustrierte Anleger, denen du alles wegkaufst und deren Renditen du vernichtet hast. Wir haben einen Euro, der die Staaten nicht vereint, sondern verzankt hat. Wir haben einen Finanzmarkt, der nicht mehr so funktioniert, wie er soll. Normalerweise bekommt ein Schuldner, der sich übernimmt, von seinen Gläubigern die Quittung, indem sie höhere Zinsen fordern. Dieses Grundgesetz hast du ausgehebelt, wie die Renditen italienischer Anleihen belegen.

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Soweit ich das einschätzen kann, offenbarst du mindestens drei dicke Denkfehler, die ich einer Profi-Truppe wie deiner nie zugetraut hätte.

Denkfehler Nummer 1: Die Inflation muss knapp unter 2 Prozent liegen

Du selbst hast dir 2003 ins Gebetbuch geschrieben, dass die Inflation nicht einfach nur unter, sondern nahe 2 Prozent liegen soll. Und seitdem kriegst du immer gleich Schnappatmung, wenn die Preise mal nur um 1 Prozent anziehen. Erstens ist das noch keine Deflation. Zweitens ist noch immer umstritten, ob Deflation wirklich immer und überall schlecht ist. Vielleicht ist sie nämlich gar nicht die Ursache für Abschwünge, sondern nur deren Symptom.

Nun gibt es ja die These, dass Einkäufe und Investitionen aufgeschoben werden, wenn die Preise sinken. Kriegt man ja schließlich immer billiger, einfach abwarten. Das lässt Nachfrage sinken, Gewinne schrumpfen und Unternehmen Menschen entlassen. Die gefürchtete Deflationsspirale entsteht auf diese Art. Ein paarmal schon passiert, gar keine Frage.

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