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Einsteigen oder lieber nicht Überbewerteter Aktienmarkt – was sollen Anleger tun?

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  • Aktien können sich über Jahre und Jahrzehnte auf einem überbewerteten Niveau bewegen. Überbewertung allein führt nicht zu einem baldigen Crash. Ziehen wir beispielsweise das berühmte Shiller-KGV, auch CAPE-Ratio genannt, heran (Cyclically adjusted price-to-earnings ratio, das Shiller-P/E wurde vom Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller entwickelt), war der US-Aktienmarkt in den letzten rund 25 Jahren von Mai 1993 bis Ende Juni 2018 in 290 von 300 Monaten überbewertet. Das heißt, in 96 Prozent der Zeit während der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte – und eben nicht nur ein oder zwei Jahre vor einem starken Absturz – bewegte sich der Aktienmarkt oberhalb seiner historisch durchschnittlichen Bewertung seit 1881.
  • Aktien produzieren langfristig eine rund sechsmal so hohe Rendite wie die so genannte "risikofreie Anlage" (zum Beispiel staatlich garantierte Tagesgelder, Sparbuchguthaben oder kurzfristige Staatsanleihen hoher Qualität). Diese sechsmal so hohe Durchschnittsrendite schließt die Verluste aus den zahlreichen Aktienmarktkrisen in den letzten 100 Jahren natürlich mit ein. Selbst wenn Aktien, zum Beispiel gemessen am Markt-KGV, um gut 250 Prozent überbewertet wären, wäre ihre erwartete Rendite in der Zukunft immer noch so hoch wie die erwartete Rendite der "risikofreien" Anlage, sofern diese "fair" bewertet wäre. Tatsächlich sind jedoch auch risikofreie Anlagen aktuell hoch bewertet, ihre erwartete Rendite heute also niedriger als unserer Rechnung zugrunde gelegt.
  • Alle drei Haupt-Asset-Klassen (Aktien, zinstragende Anlagen und Immobilien) waren Mitte 2018 "teuer", das heißt sie waren höher bewertet als ihr historischer Mittelwert gemäß der üblichen hierbei verwendeten Kennzahlen (zinstragende Anlagen, einschließlich Anleihen, sind umso höher bewertet, je niedriger das Zinsniveau ist). Bewertungen sind immer relativ zu sehen, denn in "nichts" anzulegen oder "nicht anzulegen" ist im wahrsten Sinne des Wortes unmöglich. Wer von hohen Bewertungen spricht und nicht im gleichen Atemzug sagt, in was er stattdessen sein Geld investiert, sollte die Narrenkappe aufgestülpt bekommen.
  • Aus der Sicht der Wissenschaft existiert kein Beleg dafür, dass "Crash Timing", also der systematische Versuch, starke Börsenabschwünge durch "Rein-Raus" zu umschiffen, zuverlässig genug funktioniert (exemplarisch Boudoukh u.a. 2018). Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Diese Form von Market Timing zu praktizieren, heißt mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit, langfristig gegenüber einem Buy-and-Hold-Anleger Geld in den Sand zu setzen. Wer Crash Timing rational betrachtet, müsste eigentlich erkennen, dass es keine Sicherheitsmaßnahme ist, sondern selbst ein höchst risikoreiches Unterfangen.
  • Gefühlt ist immer die falsche Zeit, in Aktien zu investieren. 70 Prozent der Zeit sind Aktien laut einem oder vielen namhaften Experten aus den Medien oder der Finanzindustrie "zu teuer" und die restlichen 30 Prozent der Zeit ist es gemäß der Experten "besser, erst einmal abzuwarten, bis sich die Märkte wieder beruhigt haben und eine nachhaltige Erholung oder Aufwärtsentwicklung erkennbar ist". Ein Beispiel: Im März 2009 erreichte der globale Aktienmarkt während der Großen Finanzkrise nach rund 16 Monaten Abwärtsbewegung seinen Tiefpunkt. Ob das die endgültige Talsohle sein würde, war naturgemäß in diesem Moment unklar. In der ersten Jahreshälfte 2009 erschien das Ratgeberbuch "Crashkurs" des Experten Dirk Müller. Auf Seite 140 des Buches schrieb er: "Aktien und Aktienfonds gehören in diesen unsicheren Zeiten schlicht nicht ins Depot." In den zwölf Monaten ab Ende Juni 2009 legte der Dax um 24 Prozent zu, in den 24 Monaten ab Ende Juni 2009 um 53 Prozent. Heute, Ende Juni 2018, steht der Dax 257 Prozent über dem Niveau von Mitte 2009. Das Befolgen der Einschätzung von Mr. Dax war also ein kostspieliges Unternehmen.
  • Für junge Anleger oder – etwas präziser formuliert – jeden Anleger, der bis zu diesem Punkt weniger als die Hälfte seines lebenslangen Sparvolumens investiert hat, ist ein Crash ein Geschenk des Himmels, weil dieser Anleger nach dem Crash für viele Jahre viel billiger und damit wohl ertragreicher investieren kann als vor dem Crash. Der amerikanische Finanzökonom und Buchautor William Bernstein formulierte das so: "Wenn Sie ein Mittzwanziger zu Beginn Ihrer Sparphase sind, dann fallen Sie auf die Knie und beten Sie für den nächsten Crash."
  • Dass ein Crash kommen wird, ist garantiert und zwar auf jedem Bewertungsniveau, egal ob wir uns auf einem überdurchschnittlichen, einem durchschnittlichen oder einem eher unterdurchschnittlichen Niveau befinden. Was hingegen nicht garantiert ist: Wann der Crash kommen, wie tief er sein, wie lange er andauern und welche Asset-Klassen er betreffen wird; Aktien, zinstragende Anlagen, Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe, Sammlerobjekte oder mehrere zugleich. Was ebenfalls nicht garantiert ist: Ob es sich um einen kurzen heftigen, weithin sichtbaren Crash handeln wird (wie typischerweise bei Aktien, Edelmetallen und Rohstoffen) oder einen schleichenden, langsamen, "weniger sichtbaren", wie das oft bei Immobilien der Fall ist, zum Beispiel bei deutschen Wohnimmobilien in den nun schon wieder vergessenen 29 "Zeitlupen-Crash-Jahren" von 1981 bis 2009.

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