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Braucht es eine Auffanglösung für insolvente Sachversicherer?

Element-Insolvenz und kein Ende: Nun melden sich die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten (BdV) zu Wort. Der Interessenverein weist auf ein aus seiner Sicht gravierendes Problem für einen möglichen Teil der Kunden des Insurtechs hin.
Rentenansprüche aus Haftpflicht- und Unfallversicherungen verfallen
Der BdV erklärt, dass bei bestimmten Unfallversicherungen eine monatliche Rente gezahlt wird, die durch eine Insolvenz aber wegfällt. So zahlt etwa der Versicherer bei einem unfallbedingten Invaliditätsschaden (ab 50 Prozent gemäß den Versicherungsbedingungen) eine lebenslange Rente – zumindest so lange eine Invalidität ab 50 Prozent fortbesteht.
Ähnlich bei der Privathaftpflicht: Hier kann der Schadenersatz nicht nur als einmalige Kapitalleistung an den Geschädigten ausgezahlt werden, sondern auch als Rentenleistung, bei bleibenden Schäden auch lebenslang. Auch diese Rentenleistungen erlöschen mit der endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, warnt der BdV. Hier müssen Element-Kunden ab sofort als Schadenverursacher Rentenleistungen für Geschädigte selbst aus eigenen Einkünften und Vermögen erbringen, da der zugrunde liegende Schadenersatzanspruch nicht erlischt.
Dramatische Warnung der Verbraucherschützer
„Insbesondere für Menschen, die Rentenleistungen aus Element-Verträgen bezogen haben, wird die Insolvenz massive Auswirkungen haben“, sagt BdV-Chefökonom Constantin Papaspyratos. Denn laut Versicherungsaufsichtsgesetzes (§ 316 Satz 1 Nummer 5) erlöschen Rentenansprüche aus Haftpflicht- und Unfallversicherungsverträgen bereits unmittelbar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit der endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März ist klar, dass noch besehende Verträge automatisch mit Ablauf des 1. April enden werden.
Wie auch zuvor die Bafin und die Verbraucherzentrale zuvor rät der BdV Versicherungsnehmern, die noch nicht gehandelt haben, umgehend ihre Verträge zu prüfen und sich um alternativen Versicherungsschutz zu bemühen. „Vor allem bei Haftpflicht-, Hausrat-, Unfall- und Wohngebäudeversicherungen sind große Schäden möglich, die die betroffenen Versicherten wirtschaftlich in erheblichem Maße überfordern können.“ Es sei ungewiss, in welchem Umfang versicherte Schäden im Zuge des Insolvenzverfahrens reguliert werden können.
Insolvenzverwalter gibt bereits Entwarnung
Auch wenn es Haft- und Unfallpolicen im Element-Bestand gibt, scheint die Warnung auf den ersten Blick unnötig, da Insolvenzverwalter Friedemann Schade bereits Entwarnung gegeben hat. Laut des Fachportals „Versicherungsmonitor“ erklärte er, dass es bei Element überhaupt keine Schadenfälle mit Rentenansprüchen gibt. Selbst Papaspyratos sagte: „Wie viele Element-Versicherungsfälle mit Rentenleistungen bestehen, ist uns nicht bekannt. Wir hoffen jedoch, dass keine Versicherten und Geschädigten betroffen sind.“ Auf die Idee, den Insolvenzverwalter zu fragen, waren die Verbraucherschützer offenbar nicht gekommen.
BdV fordert besseren Gläubigerschutz
So fragwürdig im Angesicht dessen die dramatischen Worte der Lobbyisten erscheinen, der Element-Fall zeigt, dass beim Schutz der Versicherten bei der Insolvenz von Schaden- und Unfallversicherern gefährliche Lücken klaffen. Darauf zielt auch der BdV ab. Er verweist darauf, dass es bislang für die betroffenen Versicherungssparten keine Auffanglösung gibt, wie Medicator für die substitutive Krankenversicherung, die Protektor Lebensversicherung für die Lebensversicherung oder mit vergleichbarer Funktion bei Insolvenzen die Verkehrsopferhilfe für die Kfz-Haftpflichtversicherung.
BdV-Vorstand Stephen Rehmke sagt: „Das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in existenzielle Risikoversicherungen darf nicht zum Spielball von Wagniskapital und Start-Up-Schmieden werden. Will man solche Geschäftsmodelle ermöglichen, brauchen sie ein enges Korsett durch die Finanzaufsicht und einen effektiven Gläubigerschutz für die Versicherten. Die Unzulänglichkeiten im Versicherungsaufsichtsgesetz müssen jetzt dringend ausgebessert werden.“
Noch ist unklar, was die Aufsichtsbehörde Bafin zu der Kritik sagt. In der Vergangenheit hatte die Behörde deutlich gemacht, dass für Insurtech-Unternehmen die gleichen Regeln gelten wie für die anderen Marktteilnehmer.
Branchenexperte fordert Gesetzgeber zum Handeln auf
Auch Branchenbeobachter wie Blogger Stephan von Heymann sehen die Problematik im Fehlen eines entsprechenden Sicherungsfonds. In einem aktuellen Beitrag schreibt er: „Die aktuelle Situation fordert eine dringende gesetzgeberische Initiative, um eine bessere Absicherung für Rentenempfänger aus Haftpflicht- und Unfallversicherungen zu gewährleisten. Die Einführung eines Sicherungsfonds für diese Versicherungszweige könnte die bestehenden Lücken im Versicherungsschutz schließen und den Rentenempfängern ein gewisses Maß an Sicherheit bieten“.

Von Heymann verweist auf einen weiteren Aspekt. „Ist der Versicherungsvertrag über einen Versicherungsmakler platziert worden, könnten sowohl Versicherungsnehmer einer Unfall- als auch einer Haftpflichtpolice ein Auswahlverschulden des Maklers prüfen lassen.“ Allerdings sei zu bedenken, dass zwischen Vertragsschluss, Eintritt der Rentenzahlungen und Insolvenz des Versicherers lange Zeiträume, gar Jahrzehnte, liegen können. „Da ist nicht immer abzusehen, wie sich selbst ein zunächst solide anmutender Versicherer entwickelt.“
Bafin sollte in kritischen Sparten enger kontrollieren
Auch Sicht des Experten sollte auch die Bafin viel engmaschiger kontrollieren. Als Probleme des Berliner White-Label-Versicherers benennt er: zu wenig Eigenkapital, zu hohe Abhängigkeit vom Rückversicherer, schlechtes Underwriting, keine saubere Prämienkalkulation und dass man sich die Preise und Deckungen von Assekuradeuren in die Bücher habe diktieren lassen.
„Start-up-Versicherer sollten sich zunächst auf kleines Sachgeschäft mit geringem Ausfallrisiko pro Kunde konzentrieren, beispielsweise Fahrrad, Garantieverlängerungen oder Hausrat, Haftpflicht sehe ich schon kritisch. Bei Unfallversicherung und auch Multirenten ist die Bafin gefordert“, so von Heymann.
Ablehnende Stimme: Sicherungsfonds würde zu Preiseingriffen führen
Anders sieht es Andreas Sutter, Co-Administrator der größten Facebook-Gruppe für Versicherungsvermittler. Er schreibt: „Nicht richtig ist, dass das Erlöschen der Verträge nach §316 VAG dazu führt, dass Rentenempfänger aus Unfall- oder Haftpflichtversicherungen leer ausgehen.“ Für Rentenzahlungen müssten auch Kompositversicherer Deckungsrückstellungen bilden. Diese sind durch Aktiva im Sicherungsvermögen abgedeckt, für die strenge Anlagegrundsätze gelten, und über das der Versicherer nicht frei verfügen kann.
Sutter: „Mit dem Erlöschen der Verträge gehen die Forderungen der Rentner nicht unter, im Gegenteil: die Versicherungsforderungen sind in der Insolvenz in der Höhe des Sondervermögens vor allen anderen Gläubigern bevorrechtigt, und zwar in Höhe des versicherungsmathematischen Barwertes der Rente.“ Reicht das Sondervermögen nicht aus, um alle Forderungen zu erfüllen, wird entsprechend anteilig quotiert.
Neben den Regelungen aus Solvency II bieten die Bestimmungen des VAG laut des Experten aktuell einen ausreichenden Schutz der Betroffenen. „Würde der Gesetzgeber hier mit einem Sicherungsfonds zusätzlich eingreifen, müsste er auch in Komposit Vorsichtsprinzipien und damit Preiseingriffe wie in der Kranken- oder Lebensversicherung vornehmen. Das würde über steigende Prämien schnell zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft gehen.“