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Wird das die echte Pflichtversicherung gegen Elementarschäden?

CDU/CSU und SPD haben sich in ihren Verhandlungen für einen Koalitionsvertrag offenbar auf Einzelheiten zu einer möglichen verpflichtenden Elementarschadenversicherung geeinigt. Das berichten aktuell übereinstimmend mehrere Medien mit Verweis auf die Nachrichtenagentur Reuters. Ihnen soll ein entsprechendes Papier aus der Arbeitsgruppe 1 vorliegen soll, die sich in den Verhandlungen mit dem Themenkomplex „Innen, Recht, Migration und Integration“ beschäftigt.
Das Thema Pflichtversicherung war verstärkt nach der Ahrtal-Flut im Jahr 2021 aufgekommen. Im vergangenen Jahr betrugen die Schäden durch Sturm, Hagel und Überflutungen nach Berechnungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 5,5 Milliarden Euro. Laut Statistiken des Verbands besteht nur für rund 54 Prozent der Gebäude in der Bundesrepublik eine Elementarschutzversicherung.
Nur CDU/CSU mit klarer Positionierung im Wahlprogramm
Die Unionsparteien waren dennoch die einzigen, die eine Position pro Elementarschadenpflicht in ihrem Wahlprogramm stehen hatten. Begründet wurde dies mit einer gerechten Verteilung der Lasten auf die Steuerzahler.
Die Ampel-Regierung konnte sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Insbesondere die SPD machte sich dafür stark, forderte eine Lösung nach französischem Vorbild. Dort gibt es neben dem privatwirtschaftlichen Versicherungsschutz schon seit mehr als 40 Jahren ein staatlich initiiertes Entschädigungssystem. Die FPD war allerdings dagegen, unter anderem wegen befürchteter zusätzlicher Bürokratie.
Pläne klingen nach französischem Modell
In dem jetzt bekannt gewordenen Entwurf heißt es konkret: „Wir führen ein, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird, und im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden. Dabei prüfen wir, ob dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist. Um eine langfristige Rückversicherbarkeit sicherzustellen, führen wir eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden ein. Die Versicherungsbedingungen werden weitgehend reguliert.“
Letzteres klingt ähnlich wie die in Frankreich vom Gesetzgeber vorgeschriebene Lösung. Dazu heißt es: „Wir werden gesetzlich einen Katalog von Naturgefahren definieren, deren Schäden von der Versicherung erfasst sind“, wurde berichtet. Dieser enthalte nur „außergewöhnliche beziehungsweise extreme Ereignisse“. Genannt wurden „Hochwasser beziehungsweise Überschwemmungen durch Starkregenereignisse oder steigendes Grundwasser, Lawinen, Erdbeben oder Bodensenkungen nach erheblichem Regen“. Und: „Die Elementarschadenversicherung muss insbesondere auch Schäden durch Sturmfluten abdecken.“
Alles noch offen: Keine echte Pflichtversicherung bei Opt-Out-Lösung
Dennoch gibt es bei einem entscheidenden Punt Unklarheit: Die erwähnte Opt-Out-Lösung, die viele Versicherer bereits jetzt für Neuverträge nutzen, würde bedeuten, dass Versicherungsnehmer sich aktiv gegen den Schutz aussprechen müssten, sollte dieser nicht gewünscht sein. Damit wäre eine echte Pflichtversicherung aber de facto vom Tisch. Ohnehin ist nicht von einer verpflichtenden Versicherung für jedes Haus die Rede. Es ist vielmehr gekoppelt an den freiwilligen, aber in der Regel obligatorischen Abschluss einer Wohngebäude-Police.
Keine Aussage zu den Kosten
Unklar bleicht auch, was Hauseigentümer und somit auch Mieter eine etwaige Pflichtversicherung kosten würde. Gerade die Versicherungsbranche hatte immer wieder vor unbezahlbarem Schutz in gefährdeten Gebieten gewarnt. Durch den staatlichen Rückversicherer könnte sich zumindest die Befürchtung der Erstversicherer mindern, sich durch die eine etwaige Versicherungspflicht viele schlechte Risiken in die Bücher zu holen.
Einigkeit über Neubau-Begrenzung
Einigkeit herrscht offenbar darüber, den Neubau von Wohngebäuden in Gebieten zu begrenzen, in denen es ein erhöhtes Risiko für Elementarschäden gibt. Konkret heißt es: „Wir prüfen, wie Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei der Bauleitplanung in besonders schadensgefährdeten Gebieten sensibilisiert werden können und konkretisieren die Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen. Die Belange der Mieterinnen und Mieter haben wir dabei im Blick.“
Versicherungsbranche kämpfte massiv gegen Pflichtversicherung
Die Versicherungsbranche hatte sich seit Jahren massiv gegen eine gesetzliche Pflicht bei der Elementarschadenversicherung gewehrt, zuvorderst der Lobbyverband GDV. Über Jahre betonte man in der Debatte, dass echter Hochwasserschutz nur über klimaangepasstes Bauen und Prävention zu erreichen sei.
Der Verband befürwortete zuletzt die vom damaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vorgeschlagene einmalige Angebotspflicht, die vorsah, dass Altverträge per Angebot aufgestockt werden können und Neuverträge eine abwählbare Elementarschadenversicherung enthalten. Also genau, die jetzt noch nicht finale entschiedene Opt-Out-Lösung.
GDV hofft auf weiter Opt-out-Lösung
Bei dieser Gemengelage fiel die Reaktion des GDV erwartungsgemäß eher zurückhaltend aus. In einer schriftlichen Stellungnahme wertete es Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen als „positiv“, dass Bewegung in die Debatte komme und nannte den Text eine gute Basis „für einen ganzheitlichen Ansatz mit wirksamer Prävention und einer engen Zusammenarbeit zwischen Staat und Versicherern – insbesondere die Überlegungen zum Opt-out bei einer Pflichtversicherung.“
Zugleich wies Asmussen aber darauf hin, dass es sich erst um den Text einer Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen handele. „Die Details einer Rückversicherungslösung müsste man sich im Gesetzgebungsverfahren genau ansehen, da erscheint vieles offen zu sein“, so der Spitzenfunktionär.