Schwellenländer-Aktien Das wahre Nvidia: KI-Boom aus Taiwan
Die Auftragsbücher sind voll und die Telefone stehen nie still: So muss man sich den Alltag beim Halbleiterunternehmen Taiwan Semiconductors (TSMC) vorstellen. Zumindest wenn es nach den jüngsten Exportzahlen des Inselstaats im Pazifik geht. Allein im Juni 2024 exportierte Taiwan Chips und ähnliche Produkte im Wert von 3,5 Milliarden Euro – ein spektakuläres Plus von 422 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Maßgeblich daran beteiligt ist TSMC, dessen Halbleiter den fortschreitenden Boom um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen. TSMC und andere taiwanesische Unternehmen produzieren nach aktuellen Schätzungen bis zu 90 Prozent der leistungsfähigsten Chips der Welt. Die Emerging Markets haben damit nicht nur ihre eigene Antwort auf Nvidia. Der amerikanische Chip-Gigant gehört zu TSMCs größten Abnehmern.
Trotz beeindruckendem Umsatzplus von 40 Prozent im zweiten Quartal und seiner Schlüsselrolle für den Erfolg der US-Tech-Giganten bleibt TSMC für viele Anleger noch im Schatten der bekannteren Namen.
Emerging Markets im Aufwind: Chancen jenseits der US-Tech-Riesen
Während insbesondere US-Technologieunternehmen in den vergangenen Jahren die Aktienkurse und die Schlagzeilen dominierten, blieben Schwellenländer-Aktien oft im Hintergrund. Dennoch: Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass Aktien in den USA in den vergangenen fünf Jahren um rund 77 Prozent zulegten, doch auch die Emerging Markets konnten mit einem Plus von 19 Prozent aufwarten.
In jüngster Vergangenheit drückten vor allem makroökonomische Faktoren wie die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und die weltweit gestiegenen Zinssätze die Kurse in den Schwellenmärkten. Nach der Pandemie erholten sich die aufstrebenden Volkswirtschaften unterschiedlich schnell. Ein durch hohe Zinsen erstarkter Dollar wirkte bremsend auf Schwellenländer, wo es in der Folge erfahrungsgemäß zu einer Liquiditätsverknappung kommt.
Doch der Wind scheint sich zu drehen: Die erwarteten US-Zinssenkungen könnten potenziell den umgekehrten Effekt haben und den Dollar schwächen. Das würde die Liquidität in den Emerging Markets verbessern. Hinzu kommt, dass gerade viele asiatische Märkte sowohl im Vergleich mit entwickelten Märkten als auch historisch gesehen unterbewertet sind – und das bei langfristig guten Wachstumsaussichten. Die erwarteten Wirtschaftszahlen des Internationalen Währungsfonds IWF heben die Schwellenmärkte als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft hervor. Der IWF prognostiziert für 2024 ein BIP-Wachstum von 4,2 Prozent in den Schwellenländern, verglichen mit nur 1,7 Prozent in den Industrieländern.
Nachhaltiges Wachstum: Ökoworld setzt auf indischen Markt
„Langfristiges Investieren in Schwellenmärkte bietet das Potenzial für überdurchschnittliche Renditen“, lautet daher auch die Schlussfolgerung der Experten von Ökoworld. Der Ökoworld Growing Markets 2.0 (ISIN: LU0800346016) verfolgt einen nachhaltigen Ansatz, der strenge ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt, um von dem starken Wachstumspotenzial aufstrebender Regionen zu profitieren.
Trotz der begrenzten Anzahl an Unternehmen, die für den Artikel-9-Fonds infrage kommt, gelingt der Strategie eine der besten Performances im Regionenschwerpunkt. In den vergangenen fünf Jahren erzielte er einen Wertzuwachs von mehr als 60 Prozent. „Wir investieren gezielt in Unternehmen, die von strukturellen Wachstumstrends wie Digitalisierung, erneuerbare Energien und Bildung profitieren“, erläutert das Fondsmanagement. Dabei fasst der 285 Millionen schwere Fonds den Begriff der „Growing Markets“ weiter und schließt neben den klassischen Schwellenländern auch ausgewählte Positionen in entwickelten Märkten ein.
In der Länderallokation setzt der Fonds, anders als viele Indizes, einen stärkeren Akzent auf Indien als auf China. Obwohl das Management China weiterhin als bedeutende Volkswirtschaft sieht, zeigt es sich von den bisherigen Konjunkturmaßnahmen wenig überzeugt und gibt dem Markt einen Anteil von 14,5 Prozent am Portfolio. Das größere Vertrauen gilt den Wachstumsperspektiven und dem starken Binnenmarkt Indiens, wo der Fonds zu knapp 22 Prozent investiert ist.
Geopolitische Risiken: Neue Dynamiken in Schwellenmärkten
Die zunehmenden geopolitischen Spannungen, insbesondere zwischen China und den westlichen Industrienationen, haben vielschichtige Auswirkungen auf die Emerging Markets. Der Trend zur Deglobalisierung erschwert einerseits den Export aus Schwellenländern, kann andererseits aber auch fördernd auf die Entwicklung lokaler Binnenmärkte wirken. Ebenso begünstigt er das Nearshoring, bei dem die Produktion näher an die Absatzmärkte verlagert wird, einige Regionen wie Osteuropa oder Mexiko stärker als andere.
Anleger sollten beachten, dass die Entwicklung von Emerging-Markets-Aktien nicht zwangsläufig im Gleichschritt mit dem US-Aktienmarkt verläuft. Die fortschreitende Deglobalisierung könnte diese Entkopplung sogar verstärken. „Das ist ein Risiko, aber auch eine enorme Chance für die Portfolio-Diversifikation“, resümiert Ökoworld.
Starke Performance ohne China-Exposure
Die Herausforderungen für Chinas Wirtschaft bleiben erheblich, wie auch das Emerging-Markets-Team von Invesco anerkennt. Der Vermögensverwalter bietet Aktienfonds sowohl mit als auch ohne China-Exposure an. Besonders bemerkenswert ist der Invesco Emerging Markets ex-China Equity Fonds (ISIN: LU1775963298), der auf Fünf-Jahres-Sicht ein Plus von 47,4 Prozent verzeichnet und damit zu den leistungsstärksten Fonds seiner Vergleichsgruppe zählt.
Invesco betont, dass die existierenden Strategien ohne China nicht bedeuten, dass die Analysten den chinesischen Markt meiden. Im Gegenteil können in diesem Markt auch Chancen entstehen: „Wir stellen fest, dass die lukrativsten Gelegenheiten dann entstehen, wenn der Markt pessimistisch gestimmt ist.“ Vielmehr gehe es darum, verschiedene Kundenbedürfnisse zu bedienen.
Interessanterweise sieht der Invesco-Fonds ex-China, anders als der Ökoworld Growing Markets, in Indien keine Alternative zu der Volksrepublik: „Wir haben unser Engagement in Indien aufgrund der hohen Bewertungen reduziert.“
Stattdessen nimmt Südkorea mit 21 Prozent den größten Anteil in der Zusammensetzung des Invesco-Fonds ein. Dicht gefolgt von Taiwan mit 20 Prozent – eine große Position angesichts der starken Abhängigkeit des Inselstaats von dem aus der Fondsstrategie ausgeschlossenen China. Gemessen an der zentralen Bedeutung von TSMC für den KI-Boom ist das taiwanesische Halbleiterunternehmen im Fonds jedoch folgerichtig am höchsten gewichtet, gefolgt von Südkoreas Vorzeigeunternehmen Samsung Electronics mit 6,4 Prozent.
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Outperformance durch aktives Management
Die Schwellenländer umfassen eine Vielzahl unterschiedlicher Volkswirtschaften mit oft divergierenden Einflussfaktoren. Dennoch lassen sich einige gemeinsame Trends identifizieren: „Steigende Einkommen, Urbanisierung und positive demografische Trends schaffen eine stetig wachsende Gruppe von Konsumenten der Mittelschicht“, beobachten die Invesco-Spezialisten.
Allerdings bergen die Märkte auch politische Risiken. Länderspezifische Ereignisse können signifikante Auswirkungen auf Portfolios haben, was ein sorgfältiges Risikomanagement unerlässlich macht.
Das Managementteam des Robeco QI Emerging Markets Active Equities (ISIN: LU0940007189) unter der Leitung von Wilma de Groot verfolgt daher einen ausgewogenen Ansatz: „Im Gegensatz zu typischen Schwellenländerstrategien nehmen wir keine großen Länderabweichungen von Indexgewichten in Kauf.“
Die Herangehensweise hat sich bewährt: Während der MSCI Emerging Markets Index in den vergangenen fünf Jahren einen Wertzuwachs von 18,6 Prozent erzielte, konnte der Robeco-Fonds mit einem Plus von 52,9 Prozent glänzen. Dies unterstreicht, dass in den Schwellenländern häufiger als in den Industrieländern eine längerfristige Outperformance durch aktives Management möglich ist.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Bottom-up-Aktienauswahl des Fonds. Das Team konzentriert sich dabei auf Burggrabenunternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. „Solche Unternehmen möchten wir gern unter ihrem intrinsischen Wert kaufen“, erklärt de Groot. „Dieser innere Wert wird durch die Bewertung der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und der immateriellen Werte eines Unternehmens ermittelt.“
Auch in dieser Strategie spielen die führenden Technologieunternehmen aus Taiwan und Südkorea eine bedeutende Rolle, die in ihren jeweiligen Nischen über starke Wettbewerbsvorteile verfügen.
Dividendenchancen in Schwellenländern
Gleichzeitig bieten die fernöstlichen Tech-Werte auch Potenzial für Dividendenrendite, wie der Allianz GEM Equity High Dividend Fonds (ISIN: LU0293313325) zeigt. Das Team verfolgt einen Multifaktor-Ansatz mit Fokus auf Dividenden. „Ziel ist eine Zusatzrendite, weitestgehend unabhängig von Faktoren wie der konjunkturellen Entwicklung“, wirbt Portfoliomanager Florian Mayer für die Dividendenstrategie.
TSMC, Samsung und die chinesische Internetplattform Tencent die Top-3 Holdings des 175-Millionen-Euro-Portfolios, das über 200 Positionen umfasst. Bei der Titelauswahl spielen „das Dividendenwachstum sowie deren Stabilität“ eine Rolle, um das Risiko für Dividendenkürzungen zu reduzieren. Die Leistung des Fonds spricht für sich: Mit einer Fünf-Jahres- Performance von 44,0 Prozent hat er die Benchmark deutlich übertroffen.
Neue Anlagehorizonte: Frontier Markets im Fokus
Ein weiterer Fonds, der die Chancen in den Schwellenländern auf besondere Weise nutzt, ist der Evli Emerging Frontier Fonds (ISIN: FI4000066915). Im Gegensatz zu vielen anderen Emerging-Market-Fonds setzt das Managementteam um Burton Flynn und Ivan Nechunaev stark auf Frontier Markets und kleinere, oft übersehene Märkte. „Wir folgen dem Motto ‚Viele Fische, wenig Angler‘“, so die Manager. Etwa die Hälfte des Portfolios ist in Ländern wie Malaysia, Pakistan, Türkei, Vietnam und Indonesien investiert – Märkte, die in den gängigen Schwellenländer-Indizes oft unterrepräsentiert sind.
„Wir suchen Unternehmen, deren Aktienkurse sich in zwölf Monaten verdoppeln können“, so die Manager Dabei achten die Manager besonders auf Faktoren wie Gewinnwachstum, niedrige Bewertung und hohe Qualität. Nur etwa 7 Prozent der Portfoliopositionen sind in den gängigen Emerging-Markets-Indizes enthalten.
Der unkonventionellen Strategie erzielte auf Drei-Jahres-Sicht, wo viele Schwellenländerfonds im Minus landeten, ein Plus von 33,3 Prozent. Die Definition von Schwellenmärkten ist fließend und kann je nach Index variieren – Länder wie Südkorea und Taiwan werden von manchen Beobachtern bereits zu den entwickelten Märkten gezählt. Nicht nur daran zeigt sich, wie vielfältig das Anlageuniversum der Emerging Markets ist. Regional kann es deutliche Unterschiede geben:
- Lateinamerika und insbesondere Afrika kämpfen noch mit höheren politischen Risiken und weniger entwickelten Finanzmärkten.
- Indien bietet hohes Wachstumspotenzial, weist aber bereits seit Längerem hohe Bewertungen auf.
- Asien, trotz der Kontroversen um China, vereint niedrige Bewertungen mit einer Stärkung der Kapitalmärkte und verbesserter Unternehmensführung.
- Südostasien entwickelt sich mit Ländern wie Vietnam, Thailand und Indonesien zu einem vielversprechenden Investmentziel.
Die fortschreitende Digitalisierung und Investitionen in Technologie sprechen für gute Aussichten der Technologiesektoren in Taiwan und Südkorea. Insbesondere TSMC scheint gut positioniert, um seinen Erfolgskurs fortzusetzen und weiterhin vom globalen Technologie- und KI-Boom zu profitieren.