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Emerging Markets „Die Frage ist nicht, ob sich die Anlage lohnt, sondern wo sie getätigt wird“

Schwellenländer stellen heute global nach Fläche, Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Aktienmarktkapitalisierung einen maßgeblichen Teil der Weltwirtschaft dar.

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In diesem Jahr haben zwei Hauptfaktoren zur Wertentwicklung der Schwellenländer beigetragen: die potenziell bevorstehende Verschärfung der Geldpolitik durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und Sorgen um ein nachlassendes Wirtschaftswachstum in China. Unseres Erachtens haben die Märkte auf die möglicherweise anstehende Zinswende in den USA überreagiert. Mehrere Notenbanken aus Schwellenmärkten haben die Fed sogar aufgefordert, die Zinsen zu erhöhen, damit die Ungewissheit ein Ende hat.

US-Wirtschaftswachstum stark von Schwellenländern abhängig

Schon in der Vergangenheit konnten wir im Vorfeld geldpolitischer Straffungen der Fed bei Schwellenmarktwährungen und -aktien ähnliche starke Kreiselbewegungen des Marktes beobachten. Während der tatsächlichen Umsetzung früherer Zinserhöhungszyklen in den USA konnten sich Aktien allerdings erholen. Das entspricht klar unserer Überzeugung, dass die Märkte vor einem solchen Ereignis tendenziell ein „Worst Case“-Szenario einpreisen.

Mit Blick auf den MSCI Emerging Markets Index lag die durchschnittliche Wertentwicklung über ein Jahr nach einer Zinserhöhung durch die Fed bei 12,4 Prozent. Die nachstehende Grafik zeigt, dass der Markt nach Eintritt in die letzten drei Straffungsphasen der Fed 1994, 1999 und 2004 nicht zusammengebrochen ist.

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Gleich mehrere aggressive Zinsschritte der Fed in Folge wären ein Bärensignal für die Schwellenmärkte. Doch das halten wir für unwahrscheinlich. Das Wachstum multinationaler US-Unternehmen ist weitaus stärker von Schwellenländern abhängig als in der Vergangenheit. Daher hat eine Wachstums- und Währungsschwäche in den Schwellenländern heute eine viel größere direkte Auswirkung auf das US-Wirtschaftswachstum. Damit ist auch die Freiheit der Fed eingeschränkt, die Zinsen heraufzusetzen. Außerdem führen andere Zentralbanken in Europa, Japan und China über quantitative Lockerungen oder Zinssenkungen Liquidität zu.

China: Liberalisierung des Finanzmarktes schreitet voran

Auch die Panik um die Auswirkungen der Wachstumsabschwächung in China halten wir für unbegründet. Meldungen über das Auf und Ab der Märkte in China geben zwar reißerische Schlagzeilen her. Doch der Effekt der jüngsten Rückgänge der Festlandaktien-Indizes auf die breitere Wirtschaft dürfte begrenzt ausfallen. Schließlich entfällt nur ein geringer Anteil am Vermögen chinesischer Haushalte auf Aktien – unseren Analysen zufolge keine 20 Prozent. Da die Haushalte nur sehr schwach in lokalen Aktien engagiert sind, dürfte unserer Ansicht nach selbst ein Börsen-Crash in China keinen durchschlagenden Vermögenseffekt zeigen.

Die Regierung geht außerdem systematisch auf die Strukturschwächen in der Wirtschaft ein. Sie hat die Übertragung notleidender Kredite der Banken auf Vermögensverwaltungen, höhere Rückstellungen für Problemkredite bei Banken und die Entwicklung von Märkten für Kommunalanleihen angeordnet. Obwohl das Gesamtverschuldungsniveau angesichts der Wirtschaftsentwicklung in China relativ hoch ist, verfügt das Land als Gegengewicht weiterhin über enormes Staatsvermögen, von Devisenreserven bis zu Unternehmen im Staatsbesitz.

Fortgesetzte rasante Lohnsteigerungen und erhebliche Stellenzuwächse im Dienstleistungssektor dürften die Abschwächung auf dem Häusermarkt sowie die rückläufige Beschäftigung im Produktionsgewerbe ausgleichen. Die größere Flexibilität des Renminbi stellt einen weiteren willkommenen Schritt hin zur Liberalisierung des Finanzmarktes dar.

Indisches Leistungsbilanzdefizit in zwei Jahren um drei Viertel reduziert

Nach diversen Maßstäben sind viele asiatische Volkswirtschaften in unseren Augen heute robuster als früher. Zu diesen Maßstäben zählen Leistungsbilanzdefizite, Devisenreserven sowie das Verhältnis der Schulden in Lokalwährung zu US-Dollar-Verbindlichkeiten.

Ein gutes Beispiel für die Entkopplung der Stimmung von den konjunkturellen Fundamentaldaten ist Indien. Dort ist die Währung gegenüber dem US-Dollar circa fünf Prozent gefallen. Das ist eine Parallele zu 2013, als die angekündigte Drosselung der Fed-Geldpolitik Verluste und Volatilität auslöste. Aus makroökonomischer Perspektive ist Indien aber heute weitaus stärker.

Die Handelsschulden Indiens sind mit 185 Milliarden US-Dollar unseres Erachtens ausgesprochen verkraftbar. Auch in der Vergangenheit waren Refinanzierungen selbst während turbulenter Phasen kein großes Problem. Wichtiger ist: Seit Ende 2013 konnte das indische Leistungsbilanzdefizit von 88 Milliarden US-Dollar auf weniger als 20 Milliarden US-Dollar reduziert werden. Die Devisenreserven decken heute die Importe von zehn Monaten, früher waren es sieben. Und mit Narendra Modis Wahl zum Premierminister haben sich auch die Aussichten für ausländische Direktinvestitionen verbessert.

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