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Energie neu denken: Lösungen für den wachsenden Strombedarf

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 hat sich die energiepolitische Landschaft in Europa grundlegend verändert. Die jahrzehntelange Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wurde quasi über Nacht zu einem sicherheitspolitischen Risiko ersten Ranges. Besonders Deutschland, das vor dem Krieg laut Bundesnetzagentur rund 55 Prozent seines Erdgases aus Russland bezog, stand vor enormen Herausforderungen. Die Versorgungssicherheit, lange als selbstverständlich betrachtet, rückte plötzlich ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit.
In den vergangenen drei Jahren hat Europa seine Energieabhängigkeit von Russland drastisch reduziert. Dies war ein beispielloser Kraftakt, der nur durch die Kombination verschiedener Maßnahmen möglich wurde: Diversifizierung der Lieferquellen, Ausbau der Infrastruktur und Einsparungen beim Verbrauch.
LNG als Brückentechnologie: Der schnelle Ausbau der Infrastruktur

Geschäftsführer bei TBF Sales and Marketing
Eine Schlüsselrolle bei der Neuausrichtung der europäischen Gasversorgung spielt verflüssigtes Erdgas (LNG). Anders als Pipelinegas kann LNG mit Tankern weltweit transportiert werden, was eine Diversifizierung der Bezugsquellen ermöglicht. Als Hauptlieferanten listet die Stiftung Wissenschaft und Politik die USA, Katar und Australien auf.
Deutschland, das vor dem Ukrainekrieg über keinen eigenen LNG-Terminal verfügte, hat in Rekordzeit mehrere schwimmende Flüssigerdgas-Terminals in Betrieb genommen. In Wilhelmshaven ging bereits im Dezember 2022, nur zehn Monate nach Baubeginn, der erste deutsche LNG-Terminal ans Netz. Mittlerweile sind weitere Terminals in Brunsbüttel, Stade und Lubmin in Betrieb.
Dennoch bleibt die Frage der langfristigen Nutzung dieser Terminals kontrovers. Kritiker bemängeln, dass die neuen LNG-Kapazitäten die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verlängern könnten und damit den Klimazielen widersprechen. Befürworter hingegen verweisen auf die Möglichkeit, die Terminals später für klimaneutralen Wasserstoff umzurüsten.
Europäische Vernetzung: Der Ausbau der Energieinfrastruktur
Ein weiterer Schlüsselaspekt der Versorgungssicherheit ist die europäische Vernetzung. Energieinseln darf es in Europa nicht mehr geben. Jeder Mitgliedstaat muss mit mindestens zwei anderen Ländern verbunden sein, um im Notfall Energie austauschen zu können.
Der Ausbau der Stromleitungen und Gaspipelines zwischen den EU-Staaten wurde massiv beschleunigt. Ein Beispiel ist die Baltic Pipe, die seit 2022 norwegisches Gas über Dänemark nach Polen transportiert. Auch die Pyrenäen-Pipeline MidCat, die jahrelang auf Eis lag, wurde unter dem neuen Namen H2Med wiederbelebt und soll künftig grünen Wasserstoff von der Iberischen Halbinsel nach Frankreich und Mitteleuropa bringen.
Die Stärkung der europäischen Energieinfrastruktur ist eine Win-win-Situation. Sie verbessert nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern erleichtert auch die Integration erneuerbarer Energien ins Gesamtsystem.
Die Kernfrage: Woher kommt die Energie der Zukunft?
Während die akute Versorgungskrise durch den raschen Ausbau der LNG-Infrastruktur und Einsparungen beim Verbrauch überwunden werden konnte, bleibt die grundsätzliche Frage: Woher soll die Energie für Europa langfristig kommen?
Die EU hat mit dem „REPowerEU“-Plan bereits im Mai 2022 die Weichen gestellt: Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 45 Prozent steigen, deutlich mehr als die ursprünglich angestrebten 32 Prozent. Dies bedeutet einen massiven Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in allen Mitgliedstaaten.
Deutschland hat den Ausbau erneuerbarer Energien zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklärt und Genehmigungsverfahren beschleunigt.
Andere europäische Länder setzen teilweise andere Akzente. Frankreich baut weiterhin auf Kernenergie und plant den Bau von sechs neuen Druckwasserreaktoren.1 Polen investiert massiv in Offshore-Windparks in der Ostsee, will 2028 aber auch mit dem Bau seines ersten Kernkraftwerks beginnen. Der erste Reaktorblock der westlich von Danzig geplanten Anlage soll 2036 ans Netz gehen.2 Spanien und Portugal haben ihre Sonnen- und Windenergiepotenziale bereits stark erschlossen und positionieren sich nun als künftige Wasserstoffexporteure.
Die Achillesferse: Speicherung erneuerbarer Energien
Die größte Herausforderung beim Umstieg auf erneuerbare Energien bleibt jedoch die Speicherfrage. Wind- und Sonnenenergie fallen unregelmäßig an und müssen zwischengespeichert werden, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten.
Kurzfristige Schwankungen können durch Batteriespeicher ausgeglichen werden. Hier sind die Kosten in den vergangenen Jahren drastisch gesunken, was den Ausbau beschleunigt. Für die saisonale Speicherung – etwa Sonnenenergie im Sommer für den Winter – kommen vor allem Energieträger wie Wasserstoff in Frage.
Die EU hat mit ihrer Wasserstoffstrategie ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen in Europa jährlich zehn Millionen Tonnen grüner Wasserstoff produziert und weitere zehn Millionen Tonnen importiert werden. Deutschland allein plant laut Bundesministerium für Bildung und Forschung den Bau von Elektrolyseuren mit einer Leistung von 10 Gigawatt bis 2030, was der Leistung von drei Kernkraftwerken entspricht.
Neben technischen Speichern gewinnt auch die Sektorkopplung an Bedeutung – die Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Verkehrssektor. Durch intelligente Steuerung können beispielsweise Elektroautos oder Wärmepumpen als flexible Abnehmer oder temporäre Speicher dienen.
Besondere Herausforderung: Steigender Energiebedarf durch Digitalisierung
Eine zusätzliche Dimension erhält die Frage der Versorgungssicherheit durch den wachsenden Energiebedarf infolge der fortschreitenden Digitalisierung. Rechenzentren, KI-Anwendungen, 5G-Netze und das Internet der Dinge treiben den Stromverbrauch massiv in die Höhe.
So kann ein modernes KI-Rechenzentrum so viel Strom verbrauchen wie eine Kleinstadt. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass der Energiebedarf von Rechenzentren in Europa bis 2030 um bis zu 60 Prozent steigen könnte. Schon heute entfallen etwa 3 bis 4 Prozent des europäischen Stromverbrauchs Bitkom zufolge auf digitale Infrastruktur – Tendenz stark steigend.
Diese Entwicklung stellt die europäische Energiepolitik vor ein Dilemma: Einerseits ist die Digitalisierung ein zentraler Treiber für Wirtschaftswachstum und technologische Innovation. Andererseits verschärft sie die Herausforderungen bei der Energieversorgung erheblich.
Es gilt, die Energieeffizienz digitaler Technologien drastisch zu verbessern. Gleichzeitig brauchen wir eine Kopplung von Digitalisierung und erneuerbaren Energien – etwa durch intelligente Netze, die Angebot und Nachfrage optimal aufeinander abstimmen. Einige Tech-Konzerne gehen bereits mit gutem Beispiel voran. So verpflichten sich immer mehr Unternehmen, ihre Rechenzentren vollständig mit erneuerbaren Energien zu betreiben oder die Abwärme für Fernwärmenetze zu nutzen. In Dänemark und Schweden entstehen Hyperscale-Rechenzentren, die direkt an Offshore-Windparks angeschlossen sind.
Die Kombination von Digitalisierung und Energiewende birgt enorme Chancen, doch beide Transformationen müssen strategisch zusammengedacht werden, um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden.
Fazit: Versorgungssicherheit neu denken
Die durch den Ukrainekrieg ausgelöste Energiekrise hat Europa gezwungen, das Thema Versorgungssicherheit neu zu denken. Die einseitige Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten gehört der Vergangenheit an. Stattdessen setzt Europa auf einen diversifizierten Energiemix, verstärkte regionale Zusammenarbeit und den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien.
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