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in Denker der WirtschaftLesedauer: 5 Minuten

Volkswirt Johannes Mayr So steht es um die Energiewende

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Zwei Mechanismen stehen sich dabei gegenüber: Auf der einen Seite könnte ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien die CO2-Emissionen in Europa mittelfristig deutlich senken. Auf der anderen Seite scheinen verstärkte Öl- und Gaslieferungen aus anderen Teilen der Welt und verlängerte Laufzeiten von Kohle- und Kernkraftwerken kurzfristig unabdingbar, um mögliche Versorgungslücken in Europa zu schließen.

Dies birgt das Risiko, dass in den Erzeugerländern wieder stärker in fossile Energieträger investiert wird. So wächst etwa in den USA der Druck auf die Administration die Förderkapazitäten für Öl und Gas deutlich auszubauen. Problematisch ist dies vor allem deshalb, da dadurch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energieträger beeinträchtigt werden könnte.

In diesem Spannungsverhältnis gewinnt der Preismechanismus für CO2-Emissionen zusätzlich an Bedeutung. Denn nur dieser kann das Problem der zeitlichen Inkonsistenz der Maßnahmen begrenzen. Ein erhebliches Risiko liegt deshalb in politischen Maßnahmen mit dem Ziel einer Entlastung der Haushalte und der Wirtschaft durch eine Absenkung des CO2-Preises oder eine Verzögerung im Ausbau des Systems.

Marktseitig scheinen die Zweifel an der Entschlossenheit der Politik in diesem Bereich bereits zugenommen zu haben. Im europäischen Handelssystem ist der CO2-Preis seit Beginn des russischen Angriffs um rund 20 Prozent gesunken. Ein Selbstläufer wird die Energiewende also auch unter den neuen Gegebenheiten nicht.

Mit der Energiewende und vor allem dem Ausbau erneuerbarer Energien wird sowohl die Erwartung von grünem Wachstum als auch die Hoffnung auf eine Sicherung des Friedens und der Freiheit in der Welt verbunden. Beides scheint überzogen. Die Energiewende basiert zentral auf der Annahme einer Internalisierung von bisher externen Kosten der Produktion und wirkt deshalb inhärent preissteigernd und ceteris paribus wohlfahrtsreduzierend, solange der Kapitalstock insgesamt nicht zulegt oder Produktivitätssprünge durch „grüne“ Investitionen ausbleiben.

Regional und sektoral verteilen sich die entstehenden Erträge und Kosten allerdings unterschiedlich, und natürlich gibt es Profiteure. Dies wiederum legt nahe, dass es – ähnlich wie bei den fossilen Energieträgern – zu Verteilungskämpfen und Konflikten kommen wird. Denn die für die Umstellung benötigten, „grünen“ Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und seltene Erden sind global ebenso sehr ungleich verteilt.

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