Alexander Bernhardt, BNP Paribas AM

Ein großer Teil des globalen „Superwahljahres“ 2024 ist vorüber: Die Wahlen in Indien, Indonesien, Südafrika und Mexiko liegen ebenso hinter uns wie die Abstimmung über das Europäische Parlament. Und auch wenn mit der US-Präsidentschaftswahl das weltweit wohl bedeutendste politische Ereignis erst im November auf der Agenda steht: Es lohnt sich ein Blick auf die Auswirkungen, die die bisherigen Ergebnisse auf den Kampf gegen den Klimawandel haben könnten.

Auf europäischer Ebene gab es einen deutlichen Rechtsruck. „Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die bestehenden klimapolitischen Maßnahmen, von denen die meisten bereits gesetzlich verankert sind, zurückgenommen werden“, sagt Alexander Bernhardt, globaler Leiter Nachhaltigkeits-Research bei BNP Paribas Asset Management. Die Ambitionen für den Klimaschutz könnten jedoch abnehmen. 

Mit Blick auf die US-Wahlen hängt die weitere Entwicklung nach Bernhardts Einschätzung davon ab, ob eine der Parteien beide Kammern des Kongresses und die Exekutive für sich gewinnt. „Wir werden keine signifikante Rücknahme bestehender Maßnahmen sehen, es sei denn, es gibt eine rote Welle – also einen umfassenden Sieg der Republikaner. Und es wird keine deutliche Ausweitung der Maßnahmen geben, außer im Falle einer blauen Welle, bei der die Demokraten das Rennen machen.“ Dass der Inflation Reduction Act (IRA), das klimapolitische Kernstück der Regierung unter Joe Biden, aufgehoben wird, denkt Bernhardt nicht: „Viele der im IRA enthaltenen Anreize kommen auch republikanisch dominierten Staaten zugute.“ 

 

Mehr finanzielle Unterstützung für den globalen Süden

Neben der US-Wahl steht in der zweiten Jahreshälfte aus klimapolitischer Sicht die Klimakonferenz COP 29 im Fokus, die am 11. November in Baku in Aserbaidschan beginnt. „Dabei geht es vor allem darum, die Finanzzusagen der Länder des globalen Nordens an die Länder des Südens von derzeit rund 100 Milliarden US-Dollar auf 1 Billion US-Dollar zu erhöhen“, sagt Bernhardt. Dies könne erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in den Schwellenländern haben.  
„Die Schwellenländer sind der Ort, an dem der Kampf gegen den Klimawandel gewonnen oder verloren wird“, betont der Nachhaltigkeitsexperte. „Auf sie entfallen heute 40 Prozent der weltweiten Emissionen.“ Diese seien zudem aufgrund des wachsenden Energiebedarfs und in einigen Fällen des zunehmenden Kohleverbrauchs zuletzt sogar gestiegen. Man müsse sich daher insbesondere auf diese Länder konzentrieren.  

Indien fährt Klimaschutzambitionen zurück

Vor allem in Indien wurden die Ambitionen zurückgeschraubt. Das Land hat angekündigt, zur Deckung der steigenden Nachfrage die Kohlekapazitäten erhöhen zu wollen. Ähnliche Rückschritte gab es auch in Indonesien und Südafrika. „In beiden Ländern wurden ebenfalls ein Anstieg der Energienachfrage und die Schwierigkeit, diese allein mit erneuerbaren Energien zu decken, angeführt“, erläutert Bernhardt. 
Der Bau Erneuerbarer-Energien-Anlagen ist zunächst kapitalintensiv. Das macht die Kosten solcher Projekte sehr zinsabhängig. „Da wir uns in einem Umfeld höherer Zinssätze befinden, sind die entsprechenden Kapitalkosten für Investoren und Länder schwieriger zu tragen.“  

Höhere Zinsen belasten erneuerbare Energien

Was bedeuten alle diese Entwicklungen nun für Anleger? Nach Auskunft Bernhardts zunächst wenig: „Die meisten der politischen Richtungsänderungen sind langfristiger Natur und haben kurzfristig keinen Einfluss auf die Märkte.“ Aus seiner Sicht viel interessanter sind die Auswirkungen der Inflation und der Geldpolitik auf die Klimapolitik. „Die aufgrund des höheren Zinsniveaus gestiegenen Kosten für erneuerbare Energien sind eine Schlüsselkomponente für den Rückgriff auf konventionelle Energiequellen.“  

Das veränderte Zinsumfeld ist eine Herausforderung für Investments in erneuerbare Energien. „Viele investitionsintensive Strategien, die beispielsweise neue Projekte über Schulden finanzieren, reagieren sehr empfindlich auf das erhöhte Zinsniveau. Wenn sich also die Zinssätze infolge einer steigenden oder sinkenden Inflation ändern, können sich auch die Ziele der Klimapolitik sowie die Renditedynamik im Bereich der erneuerbaren Energien ändern“, erwartet Bernhardt.  

Das 1,5-Grad-Ziel ist zu schaffen

Alles in allem bleibt der Nachhaltigkeitsexperte positiv gestimmt: „Es ist leicht, in Pessimismus abzudriften. Aber: In den vergangenen Quartalen sind zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen verabschiedet worden. Es gibt also Raum für Optimismus.“ 

So ist BNP Paribas Asset Management einer der Sponsoren der Inevitable Policy Response Initiative (IPR). Diese entwickelt auf aktuellen Bewertungen der klimapolitischen Entwicklungen basierende Klimaprognosen. Bernhardt: „Wir haben also einen detaillierten Überblick – und die Forschungsergebnisse des IPR geben mir Hoffnung. Es bedarf keiner großen Verschärfung unserer Ambitionen oder unserer bestehenden politischen Maßnahmen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Ich bin optimistisch, dass wir es schaffen werden.“