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FPSB-Vorstand Maximilian Kleyboldt
Erbschleicherei: „Bestimmte Grundtypen kommen immer wieder vor“
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FPSB-Vorstand Maximilian Kleyboldt Erbschleicherei: „Bestimmte Grundtypen kommen immer wieder vor“

Von in Tipps & RatgeberLesedauer: 9 Minuten
Junger Mann schiebt ältere Dame im Rollstuhl
Vor allem, wenn sie auf Hilfe angewiesen sind, können ältere Menschen ins Visier von Erbschleichern geraten. | Foto: Pewxels / Rollz International

DAS INVESTMNENT: Stichwort Erbschleicherei: Bitte schildern Sie einmal das Problem.

Maximilian Kleyboldt: Bei Erbschleicherei versuchen Dritte, sich an dem Vermögen anderer ungerechtfertigt zu bereichern. Als Definition habe ich herausgesucht: 'Ein Erbschleicher ist jemand, der auf moralische Weise einen vermuteten Erblasser im eigenen Sinne beeinflussen will.' Es gibt bestimmte Grundtypen, die immer wieder vorkommen.

Welche sind das?

Kleyboldt: Ein klassisches Beispiel ist, dass ein Pfleger oder eine Pflegerin sich des Vertrauens einer älteren Person bemächtigt, sich mit ihr anfreundet und dann erwirkt, dass die vermögende Person ihr Vermögenswerte zuwendet. Es gibt Fälle, in denen Pfleger sogar mit einem Hausarzt zusammenarbeiten. Wenn der ältere Mensch zu diesem Hausarzt wechselt, ist er noch stärker von dem Pfleger abhängig. Dann werden im Nachhinein Testamente geändert, oder es tauchen handschriftliche Testamente auf, die diesen Pfleger begünstigen. Ein anderer Fall ist der Nachbar, der versucht Sympathie zu erwecken und Betreuungsaufgaben zu übernehmen. So erhofft er sich, vielleicht auch Geld oder Immobilienvermögen zu bekommen. Oder die schwarze Witwe: Die junge Erbschleicherin heiratet den Senior oder der junge Erbschleicher die reiche ältere Witwe. Dann wären da noch die vorteilsuchenden Geschwister – Familie ist ja immer ein besonderes Thema. Unter Geschwistern gibt es möglicherweise solche, die näher an Mutter oder Vater dran sind, weil sie sie pflegen. Es kommt vor, dass sich jemand in dieser Situation selbst bedient oder sich auf sonstige Weise einen Vorteil verschafft. Typische Erbschleicher – das wären also Nachbarn, Betreuer, professionelle Pfleger, schwarze Witwe oder Witwer und Geschwister.

„Berater sind oft erst nachgelagert involviert“ 

Sind Sie in der Kundenberatung schon selbst auf solche Fälle gestoßen?

Kleyboldt: Ich selbst glücklicherweise nicht. Aber man liest und hört davon immer wieder. Berater sollten sehr aufmerksam zu sein und im Zweifel die Alarmglocken hören. Manchmal dürfte es allerdings auch schwierig sein, problematische Fälle zu erkennen.

Das klingt, als müsste ein vermögender älterer Mensch erst einmal allen Menschen misstrauen.

 Kleyboldt: Nein. Aber wenn auf einmal dritte Personen auftauchen, die eigene Interessen verfolgen könnten, dann sollte man eine gewisse Sorgfalt pflegen. Häufig sind wir als Berater bei dem Thema erst nachgelagert involviert. Erbschleicherei spielt sich ja meistens zunächst zwischen dem Erbschleicher, dem Vermögensinhaber und der Familie ab. Wenn dann eine Vollmacht und Vermögenswerte übertragen werden, sind die Dinge manchmal schon in den Brunnen gefallen. Dann lässt sich höchstens im Nachgang prüfen, was dagegen zu tun ist.

 

Was kann denn ein Berater machen, wenn er den Eindruck hat, ein schon älterer Kunde oder eine Kundin ist gerade dabei, sich in den Fängen eines Erbschleichers zu verwickeln? Möglicherweise ist auch eine beginnende Demenz im Spiel.

Kleyboldt: Dann sollte man im Zweifel selbstständig Kontakt mit der Kindergeneration suchen und fragen, ob das Problem in der Familie bekannt ist. Ansprechen, ob eine Geschäfts- und Testierfähigkeit vorliegt. Damit die andere Seite auch Bescheid weiß und sich die Kinder gegebenenfalls um das Vermögen kümmern und sich Vollmachten einrichten lassen können. Denn dann können die Kinder für den Vater oder die Mutter die Vermögenstransaktionen durchführen, und es kann keine dritte, ganz unbekannte Person dazwischenfahren. Als Berater sollte man natürlich das nötige Feingefühl haben und am besten auch das Erbrecht kennen. Man könnte auch Urkunden an einen Notar übergeben und mit ihm festlegen, dass er unter festgelegten Bedingungen bestimmte Unterlagen ausgibt.

Bei Bedenken wegen möglicher Fremdeinflüsse gilt es, vertrauensvolle Personen mit der Vermögenssorge zu bevollmächtigen. Eventuell könnte die Vermögenssorge auch nur gemeinschaftlich ausgeübt werden – oder ein Kontrollbevollmächtigter überwacht sie. Der oder die Vermögende sollte am besten frühzeitig und bei klarem Verstand Personen des eigenen Vertrauens Vollmachten erteilen. Es gibt auch „unwiderrufliche“ Vollmachten. Diese kann nur der Vollmachtgeber widerrufen, nicht aber andere Bevollmächtigte. In einer Vorsorgevollmacht lässt sich auch mit einer Innenverhältnisregelung definieren, wozu der Bevollmächtigte genau befugt ist. In umsichtig formulierten Vorsorgevollmachten wird außerdem geregelt, dass der Bevollmächtigte immer unmittelbaren Zugang zum Vollmachtgeber haben muss. Erfahrungsgemäß unterbinden Erbschleicher systematisch den Kontakt des Betroffenen zu seinem Umfeld.

Abhilfe vor Erbschleicherei können natürlich auch bindende letztwillige Verfügungen schaffen. Eheleute und eingetragene Lebenspartner haben die Möglichkeit, gemeinschaftliche Testamente zu errichten. Wenn ein gemeinschaftliches Testament keine Öffnungsklausel enthält, dann werden wechselbezügliche Verfügungen mit dem Ableben des Erstversterbenden bindend.

Wenn der Kunde bereits verstorben ist: Was lässt sich aus Beratersicht tun, wenn nach dem Ableben eines vermögenden Kunden eine Person Ansprüche aufs Vermögen erhebt, die dem Berater verdächtig erscheint?

Kleyboldt: Beim Berater sollten dann die Alarmglocken schrillen, wenn unerwartet Familienfremde auftauchen, die mit einer Vollmacht oder gegebenenfalls mit einem Testament ausgestattet sind. Dann sollte ein Berater den Kontakt zum Beispiel zu den Kindern des Verstorbenen suchen und fragen, ob das korrekt ist.

Und wenn es auch den Angehörigen nicht koscher erscheint – was ist zu tun?

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Kleyboldt: Es gilt, die Geschäfts‐ und Testierunfähigkeit, die Anfechtbarkeit einer letztwilligen Verfügung und die Sittenwidrigkeit zu prüfen. Ein Testament lässt sich anfechten. Das lässt sich in die Wege leiten, indem Sie die Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht kenntlich machen. Dafür gibt es allerdings Fristen. Die Frist beginnt nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes und beträgt ein Jahr. Beim Anfechten eines Testaments kann ein Rechtsberater helfen. Erbschleicherei als solches ist kein Straftatbestand. Man kann Erbschleicher aber möglicherweise wegen Betrugs, Untreue, Urkundenfälschung oder Urkundenunterdrückung belangen. Es ist ein schmaler Grat.

 

Unter welchen Bedingungen lässt sich ein Testament erfolgreich anfechten?

Kleyboldt: Ein Anfechtungsgrund kann zum Beispiel Inhaltsirrtum sein: dass der Erblasser sich geirrt hat in der Bedeutung der Erklärung. Oder Erklärungsirrtum: dass er oder sie sich versprochen oder vertippt hat. Oder Motivirrtum: dass die Besonderheiten im Erbrecht als solches nicht richtig erkannt wurden. Diese Aspekte lassen sich als Grundlage nehmen, um ein Testament anzufechten. Ich empfehle außerdem immer, dass sich die zukünftigen Erben schon im Vorfeld Schriftproben des Vermögenden sichern. Denn der Erbschleicher könnte Erklärungen oder Unterschriften fälschen. Das ist der allgemeine Aspekt. Man sollte aber anwaltlichen Rat hinzuziehen, weil es hier sehr aufs Detail ankommt. Eine späte Heirat zum Beispiel kann in die Kategorie der Sittenwidrigkeit fallen, wenn es nur darum ging, sich ein Erbrecht zu sichern. Allerdings sind mit der Feststellung der Sittenwidrigkeit hohe Anforderungen verknüpft. Wer ein Testament auf dieser Grundlage anfechten will, muss dafür Belege erbringen. Die Sittenwidrigkeit beurteilt sich nach Gesamtcharakter, Inhalt, Zweck, Motiv, Art und Weise des Zustandekommens und Auswirkungen der letztwilligen Verfügung.

„In der Familie guten Kontakt zueinander pflegen“ 

Und wenn ein vermögender älterer Mensch, der noch bei guter Gesundheit ist, sein Erbe regeln möchte – zu welchen Vorkehrungen kann ein Finanzberater raten?

Kleyboldt: Die grundsätzlichen Maßgaben sind, dass zum Beispiel Eheleute zu Lebzeiten bereits Vorsorge treffen. Dass sie ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag schließen. Dass die Erbfolge klar ist. Dass man insbesondere Vorsorgevollmachten mit Kontrollvollmachten verbindet. Dass man Vermögensgegenstände wie Schmuck vielleicht in einem Schließfach aufbewahrt und dort nur ein gemeinsamer Zugang erlaubt ist. Dass man das gesamte Vermögen inventarisiert, um festzustellen, was überhaupt da ist. Und das möglichst detailliert: Zum 1. Juli 2024 waren 24 Teile von diesem besonderen Porzellan-Service da, zum Beispiel. Wertsachen können auch in einem Schließfach hinterlegt werden und die Bank könnte jeweils notieren, wer und insbesondere welcher Bevollmächtigte auf das Fach zugegriffen hat.

Man kann Vermögen auch zu Lebzeiten schon übertragen und sich Nießbrauchsrechte vorbehalten. Man partizipiert dann weiter am Vermögen, aber die eigentliche Vermögensmasse liegt schon beim Kind. Man kann weiterhin Familiengesellschaften errichten oder Stiftungen gründen. Wichtig ist natürlich, dass der Kontakt zwischen der älteren und der jüngeren Generation hält. Das ist für Berater im Einzelfall jedoch schwierig zu beurteilen. Daher wäre meine Empfehlung an die Kindergeneration eines Kunden: Sie sollten eine enge Beziehung zu Vater oder Mutter pflegen. Idealerweise sollten sie auch einen Wohnungsschlüssel haben, bis hin zum Mitbesitzrecht an einer Wohnung, insbesondere am Schlüssel. Damit ist die Erbengeneration enger an der entsprechenden Person dran. So lässt sich verhindern, dass sich ein Erbschleicher zur einzigen Vertrauensperson entwickelt.

Der Bergsteiger Reinhold Messner hat öffentlich beklagt, er habe einen großen Fehler gemacht, indem er sein Erbe schon zu Lebzeiten an seine Kinder verteilt hat. Sollte das anderen Vermögenden eine Warnung sein?

Kleyboldt: Grundsätzlich eher nein und dennoch eine schwierige Frage. Man kann man nicht alle Eventualitäten vorhersehen. Es macht grundsätzlich Sinn, die eigene Vermögensnachfolge aktiv zu regeln und testamentarisch festzulegen. Insbesondere damit im Todesfall nicht zum Beispiel eine ungewollte Erbengemeinschaft entsteht. Vermögenswerte können frühzeitig auf die Kindergeneration übertragen werden. Aber die Versorgung der Erblassers und der Partnerin sollten erste Priorität haben. Wenn man nun an Schenkungen denkt, bietet das Estate Planning diverse Gestaltungen. Zum Beispiel, dass die Kindergeneration noch nicht freizügig über Vermögenswerte verfügen kann. In Familienpoolgestaltungen lassen sich Kapitalanteile, Stimmrechte und Ausschüttungen unterschiedlich verteilen. Mittels der 99+1-Regelung bei Versicherungsgestaltungen lässt sich Vermögen kontrolliert übertragen. Kinder können dann nicht eigenständig über das Vermögen verfügen. Im Todesfall bietet das Modell auch einkommensteuerliche Vorteile.

Was ist bei Schenkungen zu Lebzeiten zu beachten?

Kleyboldt: Bei Schenkungen sind Vermögenswerte vor Dritten erst einmal geschützt. Es bestehen zum einen gesetzliche Widerrufsrechte – etwa falls der Schenker in eine finanzielle Notlage gerät. Oder der Beschenkte begeht eine schlimme Verfehlung, die einen Wiederruf rechtfertigt. Zum anderen lassen sich Schenkungen auch mittels vertraglicher Rückforderungsrechte rückgängig machen. Empfehlenswert ist grundsätzlich, dass sich der Schenker Nutzungsrechte einräumt, wie Nießbrauch, Leibrente oder Wohnrecht. Verbunden damit, dass innerhalb der Familie ein guter Kontakt zueinander gepflegt wird.

@ FPSB Deutschland

Über den Autor:

Maximilian Kleyboldt ist Direktor Wealth Planning bei der Bethmann Bank. Der vom FPSB zertifizierte Finanzplaner ist zugleich Co-Vorstand bei dem Finanzplanerverband FPSB Deutschland. 

 

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