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Globale Aktienchefin von AGI im Interview „Wettlauf um Macht und 'digitalen Darwinismus'“

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Das wird von vielen institutionellen Investoren – auch aus Deutschland – meines Erachtens noch nicht hinreichend wahrgenommen. Asien ist ein riesiger und weiter stark wachsender Wirtschaftsstandort und Konsummarkt. Man muss dort dabei sein. Dafür muss man sich allerdings auskennen in den einzelnen Ländern, am besten mit eigenen Leuten vor Ort.

Was denken Sie über China

Maisonneuve: Ich bin dem Land seit Jahrzehnten verbunden, habe für institutionelle US-Anleger mit die ersten China-Aktienfonds aufgelegt. Die Regierung dort denkt nicht in Quartalen, sondern viel langfristiger. Viele im Westen verstehen nicht, dass die Partei in China mit Plänen arbeitet, die mindestens eine Dauer von 5 Jahren haben. Derzeit geschieht dort eine strategische Neuausrichtung. China möchte als global Player ernst genommen werden. Dabei geht es nicht in erster Linie um Handel, oder einen Handelskrieg.

„So tickt China: langfristige Pläne, Entwicklung, Testphase, Marktreife“

Es geht um den globalen Wettlauf um Macht und ist verbunden mit etwas, das ich „digitalen Darwinismus“ nenne, nämlich dem Machtzuwachs für einzelne Länder durch die Nutzung von Technologie und Daten. Daher geht China Ungleichgewichte oder Abhängigkeiten an. Beispielsweise verbraucht das Land 30 Prozent aller weltweiten Halbleiter, produziert aber nur 10 Prozent. Halbleiter sind ein Schlüssel zu Macht, weil sie für die Industrie extrem wichtig sind. China transformiert die Wirtschaft in Richtung Deutschland oder Japan, indem es versucht, nationale industrielle und technologische Champions zu bilden. Das Land geht dabei aber sehr clever vor.

Haben Sie ein Beispiel?

Maisonneuve: China verschwendet keine Zeit mit 5G. Sie schauen bereits auf 6G. In China gibt es riesige Test-Areale, in denen alle Daten bereits in der Cloud sind. Es gibt Test-Städte, in denen alles verbunden ist – Stichwort: Internet der Dinge. Die Chinesen haben deshalb bereits einen großen Vorsprung vor dem Westen. So tickt China: langfristige Pläne, Entwicklung, Testphase, Marktreife.

Welche Rolle spielt dabei für China der Umweltschutz?

Maisonneuve: China ist der größte CO2-Verursacher der Welt. Dort werden - wegen des Energiemangels - noch immer Kohleminen eröffnet. Aber ich bin überzeugt, dass es der Regierung mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2060 sehr ernst ist. Das Land wird immer wieder in Märkte – auch in Finanzmärkte – eingreifen, um erkannte Missstände anzugehen. Siehe das Vorgehen gegen Evergrande, Tencent und weitere Unternehmen. All das ist meines Erachtens aber keineswegs ein Zeichen dafür, dass man nun nicht mehr in China investieren sollte.


China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft des Planeten, es ist eine eigene Asset-Klasse. Mit einem langfristigen Anlagehorizont und genug Erfahrung gibt es dort gute Investmentmöglichkeiten in ausgewählten Unternehmen. Dafür benötigt man jedoch einen Ansatz der gezielten Einzeltitelselektion und nicht den Kauf des breiten Marktes, etwa über einen ETF.

Wie sieht es denn kurzfristig aus?

Maisonneuve: Die Weltwirtschaft wird sich in diesem Jahr voraussichtlich etwas abkühlen. In einer solchen Umgebung können schlechte Nachrichten insofern zu guten werden, als dass dies den Druck in Richtung Zinserhöhung verringert. Schaut man sich die Konjunkturentwicklung in China an, so wurde über die vergangenen acht Monate eine deutliche Verlangsamung verzeichnet.

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