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Aktualisiert am 27.01.2020 - 14:35 Uhrin DAS INVESTMENT ArtikelLesedauer: 4 Minuten

„Es hat uns voll getroffen“

Heidrun Heutzenröder
Heidrun Heutzenröder, Cominvest

DAS INVESTMENT: „Ein profundes Wachstum und hohe Unternehmensgewinne untermauern die kerngesunde wirtschaftliche Situation Deutschlands“ – mit diesem Satz warb Ihr Arbeitgeber noch im Dezember 2008, Anteile des Fondak zu kaufen. Ist das, mehr als 18 Monate nach Ausbruch der Finanzkrise, wirklich Ihre Einschätzung der Lage?
Heidrun Heutzenröder: Heute sicher nicht mehr. Die Welt hat sich grundlegend geändert. Der Kollaps von Lehman Mitte September stellt eine Zäsur dar. Die oben gemachte Aussage sollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass deutsche Unternehmen in Bezug auf ihre Produktivität und ihre Verschuldung im europäischen Vergleich besser dastehen als ihre Mitbewerber. Die Gesamtlage hat sich aber mittlerweile für alle dramatisch verschlechtert. DAS INVESTMENT: Im Sommer 2007, wenige Wochen vor Ausbruch der Krise, sah Cominvest-Chef Sebastian Klein den Dax noch auf 10.000 Punkte zumarschieren.
Heutzenröder: Das haben wir damals angesichts der konjunkturellen Lage und der extremen Nachfrage aus den Schwellenländern alle geglaubt. In solchen Phasen profitiert Deutschland als Exportnation von der Globalisierung. Mit Beginn der Finanzkrise ist die Situation dann jedoch gekippt. Das hat uns voll getroffen. DAS INVESTMENT: Mit einem Minus von 48 Prozent blieb der Fondak 2008 rund 7 Prozentpunkte hinter dem Dax zurück. War daran allein der rosarote Ausblick schuld?
Heutzenröder: Dazu beigetragen hat sicherlich, dass mit Beginn der Finanzkrise der Value-Ansatz nicht mehr funktioniert hat. Fundamentaldaten waren für die Bewertung einer Aktie plötzlich bedeutungslos. Hinzu kam, dass in Krisenzeiten liquiditätsstärkere Unternehmen gefragt sind. Die kleineren M-Dax-Werte in meinem Portfolio haben dadurch stark gelitten. Nicht zuletzt hat uns der irrationale Höhenflug der VW-Aktie wertvolle Prozentpunkte gekostet. DAS INVESTMENT: Weil Sie die Aktie aus fundamentalen Erwägungen heraus gemieden haben?
Heutzenröder: Genau. Mit der beabsichtigten Übernahme von VW durch Porsche gerieten die VW-Stammaktien zum reinen Spekulationsobjekt. Manche Investoren mussten sich um jeden Preis damit eindecken. Deshalb hat sich der Kurs 2008 verdoppelt, zwischenzeitlich betrug der VW-Anteil am Dax 27 Prozent. Wer die Aktie nicht im Portfolio hatte, ist zwangsläufig zurückgeblieben. DAS INVESTMENT: Die Deutsche Börse hat im Oktober reagiert und eine Obergrenze festgesetzt.
Heutzenröder: Das hat die Sache aus Performance-Sicht nur verschlimmert. Mit der Festlegung einer Obergrenze zu einem Stichtag, an dem die VW-Aktie noch immer irrational hoch notierte, wurde diese Überbewertung im Dax zementiert. Hierdurch entstand eine Benchmark, hinter der fundamental orientierte Anleger zwangsläufig für einen längeren Zeitraum zurückbleiben müssen. DAS INVESTMENT:Was wäre die bessere Lösung gewesen?
Heutzenröder: Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Deutsche Börse eine Aktie bei einer geplanten Übernahme vom Handel aussetzt – so wie es in anderen Ländern bereits der Fall ist. Anleger dürfen nicht für spekulative Entwicklungen bestraft werden, die fundamental nicht nachvollziehbar sind. DAS INVESTMENT: Trotzdem lässt sich die schlechte Entwicklung nicht allein VW und der Deutschen Börse ankreiden. An welcher Stelle hätten Sie anders reagieren können, um Verluste zu begrenzen?
Heutzenröder: Natürlich hätte ich meinem Value-Ansatz untreu werden und VW kaufen können. Das stand jedoch nie zur Debatte. Selbstkritisch muss ich mir jedoch eingestehen, dass ich eindeutig zu lange optimistisch war, was die Marktentwicklung betraf. Ich hätte früher reagieren müssen, als sich bei Banken und anderen Unternehmen ernste Schwierigkeiten abzeichneten. DAS INVESTMENT: Nach den schlimmen Erfahrungen der Jahre 2000 bis 2003 mit anderen Aktienfonds haben viele Anleger darauf vertraut, dass ein konservativer Fonds wie der Fondak akzeptabel durch die nächs-te Krise kommt. Die dürften jetzt von Aktienfonds endgültig genug haben.
Heutzenröder: Zwei Abstürze in so kurzer Zeit hintereinander sind natürlich eine Katastrophe. Deshalb kann ich durchaus verstehen, wenn viele Anleger sehr verunsichert sind und der Börse möglicherweise ganz fernbleiben. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir 2009 eine Trendwende sehen werden. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder zur Normalität zurückkehrt und die Aktienmärkte anfangen, einen nachhaltigen Aufschwung für 2010 vorwegzunehmen. Und dass unser Value-Ansatz in diesem Umfeld funktioniert, haben wir über viele Jahre bewiesen. DAS INVESTMENT: Wie berechnen Sie mit diesem Ansatz den fairen Unternehmenswert einer Bank, in deren Bilanzrisiken kein Investor wirklich Einblick hat?
Heutzenröder: Auch unsere Analysten müssen sich auf das verlassen, was sie von den Unternehmen gesagt bekommen. Aber die Offenheit vieler Banken hat leider sehr zu wünschen übrig gelassen. Die Spitze der Hypo Real Estate etwa hat uns noch einige Wochen vor dem Offenbarungseid die Situation deutlich besser dargestellt, als sie schließlich war. DAS INVESTMENT: Müsste nicht die Lehre für einen klassischen Value-Manager lauten, überhaupt keine Bankaktien mehr zu kaufen?
Heutzenröder: So weit würde ich nicht gehen. Auch für diese Branche brechen irgendwann wieder bessere Zeiten an. Für langfristig orientierte Investoren wäre eine solche Selbstbeschränkung deshalb kontraproduktiv. |

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