Emissionsberichterstattung ESG in der Praxis: Linde
Linde emittierte 2021 zwar 39,9 Millionen Tonnen CO2, aber das ist nur die halbe Wahrheit. In unseren Gesprächen mit der Geschäftsleitung erfuhren wir viel über den Einsatz der Produkte des Unternehmens. Linde produziert beispielsweise medizinischen Sauerstoff für Krankenhäuser, Stickstoff für die Halbleiterherstellung, Flüssigstickstoff für das Einfrieren von Lebensmitteln, Krypton für Isolierverglasungen und Wasserstoff für die Herstellung saubererer Treibstoffe. Die Gase verbessern die Energieeffizienz, verlängern die Haltbarkeit und tragen dazu bei, Treibhausgasemissionen zu vermeiden oder zu verringern. Insgesamt wurden durch Produkte und Technologien von Linde 88 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Damit haben die Kunden ihre Emissionen dank Linde mehr als doppelt so stark reduziert, wie Linde selbst Emissionen freigesetzt hat. Bei den absoluten Emissionen sollte man daher nicht nur die vom Unternehmen verursachten oder verantworteten Treibhausgase (Scope 1) berücksichtigen, sondern auch die Auswirkungen seiner Produkte und Aktivitäten auf die Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette.
Diese vermiedenen Emissionen halten wir für wichtig, um das Unternehmen und vor allem seinen langfristigen Beitrag zur Dekarbonisierung und der Erreichung des Netto-Null-Ziels zu beurteilen.
Worauf es ankommt
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir die Bedeutung von CO2-Emittenten für die absoluten Emissionen ihrer gesamten Wertschöpfungskette analysieren. Wir dürfen uns nicht auf Scope-1- und Scope-2-Daten beschränken, sondern brauchen einen ganzheitlicheren Ansatz. Er muss außer den Emissionen besonders CO2-intensiver Unternehmen auch die Einsparung von Emissionen durch ihre Produkte und Dienstleistungen berücksichtigen.
Die Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette ist schwierig, und Netto-Null ist nicht leicht zu erreichen. Unter anderem ist Folgendes nötig:
- Verbesserungen der Berichterstattung von Ländern und Unternehmen über direkte und indirekte Emissionen und der Umweltfolgen von Unternehmensaktivitäten
- Veränderungen des Energiemix und Priorisierung der langfristigen ökologischen Stabilität
- Investitionen in Infrastruktur zur Modernisierung des Elektrizitätsnetzes, um von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu werden
- Radikale Veränderungen des Verbraucherverhaltens und der Energienutzung
- Weltweite Harmonisierung der Politik, um Unternehmen und Verbraucher zu mehr Nachhaltigkeit anzuhalten
Wenn man all dies bei der Analyse der Dekarbonisierungsziele von Linde berücksichtigt, kommt man zu einem umfassenderen Bild. So sind Stahlproduzenten mithilfe des von Linde erzeugten Sauerstoffs energieeffizienter geworden, sodass 2021 12 Millionen Tonnen CO2 weniger freigesetzt wurden. Der Wasserstoff von Linde half Ölraffinerien bei der Produktion von extrem schwefelarmem Diesel, wodurch die Emissionen um weitere 62 Millionen Tonnen verringert wurden.
Außerdem hat Linde erstmals den kommerziellen Einsatz von Wasserstoff als Brennstoff für die Herstellung von emissionsarmem Stahl erprobt. Zurzeit baut das Unternehmen die weltgrößte Wasserstoff-Elektrolyseanlage auf Basis von Protonenaustausch-Membranen (PEM). Bei der Elektrolyse wird Wasser mittels Strom in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Solche Anlagen könnten dazu beitragen, dass CO2-intensive Branchen wie die Stahlproduktion in großem Umfang Wasserstoff einsetzen, der eine sauberere Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Kohle ist. Wenn die für die Wasseraufspaltung genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, wird der CO2-Fußabdruck der Stahlhersteller, die Wasserstoff von Linde nutzen, deutlich verringert.
Tiefergehende Analysen
Wer die Komplexitäten der Energiewende versteht, kann Linde besser beurteilen. Manchen Investoren mag das Unternehmen – wie gesagt – als riesiger CO2-Emittent erscheinen, der Dekarbonisierungsziele und Portfolioperformance gefährdet. Wir sehen das aber völlig anders. Linde tut allmählich so viel für den Klimaschutz, dass das Unternehmen maßgeblich zu Netto-Null beitragen kann.
Emissionsziele im Überblick
Linde hat ehrgeizige Emissionsziele und scheint sie auch einhalten zu können. Zwar liegen für die Chemieindustrie noch keine Sektorrichtlinien vor, doch plant Linde in den nächsten zwei Jahren ein wissenschaftsbasiertes Ziel. Gerade erst ist man der Stakeholder Advisory Group beigetreten, um entsprechende Richtlinien zu entwickeln. Darüber hinaus hat das Unternehmen folgende Ziele:
Ein Blick nach vorn
Weil die Industriegasbranche zu den weltgrößten CO2-Emittenten zählt, kann man die positiven Umweltwirkungen von Linde leicht übersehen, wenn man sich allein die klassischen Daten ansieht. Aus unserer Sicht hat Linde ehrgeizige und realistische Ziele. Das Unternehmen trägt dazu bei, die Lieferketten der Kunden zu dekarbonisieren, sodass Millionen Tonnen CO2 weniger freigesetzt werden. Diese Fallstudie zeigt, was aktive Eigentümerverantwortung und Engagement bewirken können und weshalb Fundamental-analysen so wichtig sind, um Chancen und Risiken zu verstehen. Das gilt für den Klimaschutz ebenso wie für andere Nachhaltigkeitsthemen. Wir glauben, dass Linde durch die Energiewende weiter wachsen kann und durch niedrigere Treibhausgasemissionen umweltfreundlicher wird. Auf dem Weg zu Netto-Null werden wir daher weiter eng mit Linde zusammenarbeiten.
Weitere Markteinschätzungen von MFS Investment Management finden Sie hier.
Bitte beachten Sie, dass auch ein nachhaltiger Investmentansatz keine Erträge garantiert. Alle Anlagen, einschließlich solcher, die ESG-Überlegungen in den Anlageprozess integrieren, gehen mit gewissen Risiken einher, einschließlich dem Risiko des Verlusts des investierten Kapitals.
Die hier dargestellten Meinungen können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.