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Franke über Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche

Die Bemühungen der Assekuranz um mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sorgen bei den Kunden nicht gerade für Begeisterung. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Sirius Campus ist der Anteil an Beratungen zu nachhaltigen Altersvorsorgeprodukten in diesem Jahr trotz Vermittlerrichtlinie nur auf 34 Prozent gestiegen. 2021 lag er noch bei 20 Prozent. Dies bestätigt auch eine Umfrage der Rating-Agentur Assekurata unter Versicherungskunden. Vor knapp drei Jahren gaben noch 68,4 Prozent der Befragten an, dass eine nachhaltige Lebensweise für sie eher wichtig oder wichtig sei. In diesem Sommer hingegen lag dieser Anteil bei nur noch 61,1 Prozent.
Einen Grund für Versicherer und Vermittler aufzuatmen, das Thema abzuhacken oder es zumindest nicht mehr bei den Kunden anzusprechen, sieht Michael Franke darin nicht. „Bestimmen Umfragen tatsächlich unser Leitbild?“, fragte der Geschäftsführer von Franke und Bornberg in seinem Vortrag „ESG – gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht“ auf der diesjährigen DKM. Wenn dem so wäre, dann müssten doch jährlich wiederkehrende Studien, die den Versicherungsvermittlern mit das schlechteste Image bescheinigen, verheerende Folgen für die Branche haben.
Die Assekuranz mache Fortschritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, fasste Franke die Ergebnisse seiner bereits im Frühjahr veröffentlichten ESG-Studie zusammen. Die Unternehmen verbrauchen weniger Ressourcen und wählen ihre Kapitalanlagen strenger aus.
ESG steht für Environmental, Social und Governance, auf Deutsch also Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Im Segment Umwelt analysiert der ESG-Report unter anderem Treibhausgasemissionen, CO2-Kompensation, Verbräuche von Wasser, Strom, Papier und Heizenergie, Abfallmengen sowie Dienstreisen und Arbeitswege. Bei Soziales geht es um Geschlechtergerechtigkeit, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, Tarifverträge und Ausbildungsplätze, aber auch gemeinwohl-orientiertes Engagement wie Spenden und Sponsoring. Im Bereich Unternehmensführung stehen die Anlagestrategien der Versicherer sowie Mitgliedschaften in Nachhaltigkeitsinitiativen im Mittelpunkt.
Höhere Serverkapazitäten sorgen für mehr Stromverbrauch im Homeoffice
Insgesamt hat Franke und Bornberg in den vergangenen Jahren drei ESG-Studien veröffentlicht. Zwischen der ersten und der dritten Studie sei der Wasserverbrauch der untersuchten Unternehmen stark zurückgegangen, sagte Franke. Beim Strom allerdings sehe es anders aus. Obwohl der Homeoffice-Anteil im Zuge der Corona-Pandemie gestiegen sei, sei auch der Stromverbrauch an Unternehmensstandorten gestiegen. Franke erklärt dies mit höheren Serverkapazitäten, die fürs mobile Arbeiten notwendig sind.
Ein weiteres Vortragsthema war die Aussagekraft der Nachhaltigkeitssiegel, die laut Franke sehr unterschiedlich sein kann. Als Negativbeispiel nannte er das berühmte Fairtrade-Siegel. Dieses sei „nur ein bisschen fair“, so Franke. Dafür sorge die sogenannte 20-Prozent-Regel, die auch als „Mengenausgleich“ bezeichnet wird. Diese Regelung gilt für sogenannte Mischprodukten wie Kekse oder Schokolade, die mehrere Inhaltsstoffe enthalten. Bei diesen Produkten muss der Anteil aller Fairtrade-Zutaten gemessen am Normalgewicht oder-volumen des Endprodukts mindestens 20 Prozent ausmachen, damit das Produkt einen Fairtrade-Siegel bekommt. Der genaue Gesamtanteil stehe zwar auf der Verpackung, aber meist kleingedruckt und auf der Rückseite, so Franke.
Konventionelle mit fair produzierten Rohstoffen vermengt
Bei manchen Produkten lasse sich zudem die Herkunft der einzelnen Bestandteile schlecht zurückverfolgen, so der Franke-und-Bornberg-Chef weiter. Manchmal werden schon im Ursprungsland bei der Verarbeitung, Lagerung oder beim Transport konventionelle mit fair produzierten Rohstoffen vermengt – etwa Orangen für den Orangensaft, Kakaobohnen, Zucker oder Tee.
„Fairtrade kann danach nicht mehr auseinanderhalten, welcher Anteil der Rohstoffe fair und welcher nicht fair gehandelt wird“, sagte Franke. Diese Produkte bekämen dann den Vermerk „mit Mengenausgleich“, allerdings auch hier meist auf der Rückseite. Wie hoch der Anteil der fair gehandelten Zutaten am Produkt ist, erfahre der Kunde nicht. „Im ungünstigsten Fall kann eine Tafel Fairtrade-Schokolade mit dem Zusatz ‚Mengenausgleich‘ kein einziges Gramm fair gehandelten Zuckers oder Kakaos enthalten“, warnte der Experte.
Das gleiche gelte auch für Kinderarbeit. Obwohl Fairtrade selbst sich klar gegen „ausbeuterische Kinderarbeit“ positioniert, könnten bei Mischprodukten sehr wohl Kinderarbeit-Erzeugnisse enthalten sein.
„Greenwashing in Reinkultur"
Fairtrade sei für ihn „Greenwashing in Reinkultur“, fasste Franke zusammen. „Das Siegel sollte kein Vorbild für unsere Branche sein“. Als Alternative empfahl Franke Siegel-Anbieter, die ihre Lieferketten komplett verfolgen. Dazu zählt er beispielsweise Gepa, die unter anderem vollständig auf Kinderarbeit verzichtet.
Den Versicherungsunternehmen rät Franke unterdessen, sich verstärkt auf Umweltprojekte in der eigenen Region zu fokussieren. Dies erzeuge eine positive Stimmung und fördere das Unternehmensimage, was man auch vertrieblich gewinnbringend nutzen könne. Auch das „S“ in ESG, also der soziale Aspekt, sollte stärker berücksichtigt werden. Wer viel für die eigene Belegschaft und die Kunden in regional sichtbaren Projekten tue, wirke sympathisch, so Franke.
Crowd-Farming, Moorschutz, Tiny Forests
Als Positivbeispiele für regional sichtbare Umweltprojekte nannte Franke das sogenannte Crowd-Farming. Dabei adoptieren Menschen Obstbäume, Tiere oder Rebstöcke. Die Landwirte liefern ihnen im Gegenzug Äpfel, Käse oder Wein vom adoptierten Produzenten direkt an die Haustür. Außerdem engagieren sich bereits mehrere Versicherer laut Franke für Moorschutz-Aktionen von Nabu. Dies sei besonders sinnvoll, da Moore mehr erdgebundene Kohlenstoffe speichern als alle Wälder der Erde zusammen.
Firmen, die trotzdem nicht auf das Baum-Pflanzen verzichten möchten, rät der Analysehaus-Chef zu sogenannten Tiny Forests. Dabei werden auf kleinen Flächen meist in den Großstädten kleine Wälder mit großer Dichte angepflanzt und gepflegt.
So klappt ESG bei Versicherungsprodukten
Auch Versicherungsprodukte könnten laut Franke umweltfreundlicher und sozialverträglicher gestaltet werden. Im Komposit-Bereich rät er zur Übernahme der Mehrkosten für nachhaltige Neuanschaffungen oder Reparaturen sowie für energetische Modernisierung und umweltfreundliche Baustoffe. In der Lebensversicherung sollte laut Franke nachhaltige Kapitalanlage im Vordergrund stehen.
In der Krankenversicherung empfiehlt der Experte eine Übernahme der Kosten für die ärztliche Zweitmeinung, Gesundheits-Apps und -Coaching, die Kostenerstattung für Naturheilverfahren sowie die Einführung der Gesundheitsmanagement-Programme.
Im Biometrie-Bereich kritisierte Franke die unterschiedliche Tarifierung von Schülern in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Wer Hauptschüler gegenüber Gymnasiasten benachteilige, handele ethisch und sozial fragwürdig und mache sich somit angreifbar, sagte er.