Roland Kölsch über nachhaltige Fonds „Die EU ist nicht ganz unschuldig am Greenwashing“

DAS INVESTMENT: Herr Kölsch, wie entwickelte sich die Nachfrage nach nachhaltigen Fonds in Deutschland seit der Vergabe der FNG-Siegel im vergangenen Jahr?
Roland Kölsch: Die Neuauflage nachhaltiger Fonds und die Deklarierung gemäß EU-Offenlegungsverordnung schritt – wenn auch etwas langsamer – weiter voran. Der gesamte nachhaltige Fondsmarkt verzeichnete zuletzt jedoch leichte Mittelabflüsse.
Tut die Rezession der Nachfrage einen Abbruch?
Kölsch: In absoluten Zahlen nicht. Das Marktvolumen wächst weiter, wenn auch langsamer. Beim Neugeschäft gibt es aber durchaus Rückgänge. Das hat meines Erachtens allerdings auch mit der anfänglichen Zurückhaltung der Berater zu tun, die ja seit August verpflichtet sind, bei Anlegern Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen. Es gibt leider immer noch viele Unklarheiten seitens des EU-Gesetzgebers in puncto Mifid II, deshalb meiden scheinbar viele Berater das an sich sehr interessante Thema noch.
Welcher Anlegertyp interessiert sich für nachhaltige Fonds?
Kölsch: Das Geschäft war lange fast ausschließlich von institutionellen Investoren geprägt. Inzwischen haben jedoch auch Privatanleger einen Sprung in den Markt gemacht. Die verwalteten Volumina des Privatkundenmarkts haben sich mehr als verdreifacht und ihr Anteil ist auf rund ein Drittel angestiegen. Man muss aber bedenken, dass ein Großteil dieses sprunghaften Anstiegs sicher nicht von aktiven Anlageentscheidungen der Kunden kommt, sondern auf die Umschlüsselung konventioneller Fonds mittels den neuen Transparenzanforderungen zur Nachhaltigkeit – die berühmten Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung – zurückzuführen ist.
Was erwarten nachhaltig orientierte Anleger von Fondsanbietern und Finanzberatern?
Kölsch: Studien zeigen, dass viele Anleger vermehrt auf die Wirkung ihrer Assets achten. Reportings und die Messung von Nachhaltigkeit sind das Maß der Dinge. Wie zeigen also Fondsanbieter den Investoren, welche Konsequenzen – positiver wie auch negativer Natur – mit nachhaltigen Geldanlagen verbunden sind? Investoren haben leider oft überzogene Erwartungen an die Leistungsfähigkeit nachhaltiger Investments. Das ist vor allem bei Anlegern der Fall, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der Investition und dem Investitionsobjekt erwarten. Neben diesem sogenannten Impact-Wunsch spielt die Vermeidung von Greenwashing eine immer wichtigere Rolle. Die Vorbeugung von Greenwashing bringt Produkte oft erst überhaupt in eine engere Auswahl. Eine weitere Herausforderung ist auch der Abgleich der Erwartungshaltung. Was stellt sich ein Anleger bezüglich der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Finanzwelt vor, wie artikuliert er diese Vorstellung und wie wird sie dann von Finanzberatern verstanden und in ein Produktangebot übersetzt? Die Abstimmung zwischen Investor und Berater muss oft in kurzer Zeit erfolgen. Häufig wissen Anleger auch überhaupt nicht genau, was sie wollen. Letztlich sollten wir uns aber auch nichts vormachen. Den meisten Menschen geht es mehrheitlich immer noch um eine Geldanlage mit den klassischen Parametern von Rendite und Risiko – obwohl Zahlen zeigen, dass Nachhaltigkeit keine Renditenachteile mit sich bringt. Dennoch hält sich der Mythos vom teuren Bio-Apfel immer noch hartnäckig. Sprich, viele Anleger glauben, mit einer nachhaltigen Geldanlage sind Renditeeinbußen verbunden.