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ESTR löst EONIA-Zins ab Was hinter dem neuen Referenzzins steckt

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Die so berechnete ESTR-Rate hängt stark vom Zinssatz der Einlagenfazilität der EZB ab, deren Rate jüngst (am 12. September 2019) von -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent gesenkt wurde. Zeitgleich mit dieser Zinssenkung hat die EZB den Freibetrag je Institut, auf den dieser Negativzins nicht fällig wird, auf das Sechsfache der Mindestreserve erhöht. Die Vorabberechnungen der EZB („Pre-ESTR“) legen nahe, dass sich das ESTR-Zinsniveau in guter Näherung aus dem Leitzins bestimmen lässt. Der ESTR ist demnach in etwa gleich dem effektiven „Strafzins“ auf Zentralbankguthaben aller europäischen Institute [3] unter Berücksichtigung der neuen Freigrenze. Der Markt konstatiert somit einen effizienten Ausgleich zwischen Banken, die ihre eigene Freigrenze ausschöpfen und solchen, die dies nicht tun. Dies setzt einen ungestörten Geldmarkt voraus, in dem die Teilnehmer keine wesentlichen Kreditrisiken erkennen. In einem gestörten Geldmarkt – wie er seit etwa zwei Wochen in den USA zu beobachten ist – wäre stattdessen damit zu rechnen, dass die ESTR-Rate sich dem marginalen Leitzins annähert oder sogar darunter liegt.

Um Marktteilnehmern den Übergang von EONIA auf ESTR zu erleichtern und Kontinuität bei bestehenden Kontrakten zu gewährleisten, wird der EONIA-Zins bis Ende 2021 weiterhin veröffentlicht. Allerdings wird er fortan als ESTR zuzüglich festem Spread quotiert. Der Spread wurde im Zuge der Konsultationen auf 8,5 Basispunkte festgelegt.

Die ESTR-Rate wird als volumengewichteter Mittelwert bestimmt. Die (neue) EONIA-Rate ist übergangsweise gleich ESTR + fester Spread.

Quelle: BLC

Referenzzinsen werden auf breiter Front reformiert

Wichtige Währungsräume sind bei der Reform ihrer Referenzzinsen weiter als der Euro-Raum, so etwa England, Schweiz, Japan und die USA. Im Euro-Raum ist die ESTR-Reform als erster Schritt zu sehen. Die Reform der längerfristigen EURIBOR-Zinssätze, die im sogenannten LIBOR-Skandal in die Kritik geraten waren, ist frühestens 2022 zu erwarten. Auch die EURIBOR-Sätze sollen nämlich nach der Reform vollständig auf Transaktionsdaten basieren, um der EU BMR zu genügen. Allerdings war ein erster Versuch diesbezüglich im Jahr 2017 nicht erfolgreich, weil das beobachtete Transaktionsvolumen nicht ausreichte. Die Genehmigungsfähigkeit eines hybriden Ansatzes, den das EMMI zwischenzeitlich entwickelt hat, wird diskutiert.

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Über den Autor:
Tobias Sander ist Senior Manager bei der Unternehmensberatung Berg Lund & Company (BLC) und Experte für Aufsichtsrecht, Risikomanagement und quantitative Banksteuerung.

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