Die massive Zunahme passiver Investments in Form von ETFs greift in die Preisbildung an den Aktienmärkten ein und verändert deren Qualität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlern der Frankfurter Goethe-Universität. Co-Autor und Wirtschaftsprofessor Christian Schlag stellt die Untersuchung „Passive Investing and Market Quality“, die bereits im vergangenen Jahr erschienen ist, Anfang Januar in San Francisco vor, auf der Jahreskonferenz der renommierten The American Finance Association (AFA).
„ETPs können auch den Wert der zugrunde liegenden Wertpapiere und die allgemeine Qualität der Finanzmärkte beeinträchtigen“ – diese Sorge mit Blick auf den boomenden ETF-Markt äußerte bereits 2017 Michael Piwowar, ehemals Kommissionsmitglied der US-Börsenaufsicht SEC. Die Studienautoren haben das Zitat ihrer Untersuchung nun vorangestellt. Es belegt: Schon damals gab es Bedenken, dass der florierende Passivmarkt Marktmechanismen verändern könnte. Die konkreten Auswirkungen auf die Marktqualität waren in dieser Tiefe bisher jedoch unerforscht.
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Die massive Zunahme passiver Investments in Form von ETFs greift in die Preisbildung an den Aktienmärkten ein und verändert deren Qualität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlern der Frankfurter Goethe-Universität. Co-Autor und Wirtschaftsprofessor Christian Schlag stellt die Untersuchung „Passive Investing and Market Quality“, die bereits im vergangenen Jahr erschienen ist, Anfang Januar in San Francisco vor, auf der Jahreskonferenz der renommierten The American Finance Association (AFA).
„ETPs können auch den Wert der zugrunde liegenden Wertpapiere und die allgemeine Qualität der Finanzmärkte beeinträchtigen“ – diese Sorge mit Blick auf den boomenden ETF-Markt äußerte bereits 2017 Michael Piwowar, ehemals Kommissionsmitglied der US-Börsenaufsicht SEC. Die Studienautoren haben das Zitat ihrer Untersuchung nun vorangestellt. Es belegt: Schon damals gab es Bedenken, dass der florierende Passivmarkt Marktmechanismen verändern könnte. Die konkreten Auswirkungen auf die Marktqualität waren in dieser Tiefe bisher jedoch unerforscht.
Aktien mit hohem ETF-Anteil hängen stärker an Stimmungen
Die meisten ETFs – jene, die einem Index folgen – benötigen keine Analysten, um ihre Investments auszuwählen, denn diese stehen von vornherein fest. Unternehmensinformationen wie Gewinne, Cashflows und andere Finanzdaten fließen somit nicht in die Investmententscheidung ein.
Die Studienautoren um Christian Schlag meinen nun: Das kann die Preisbildung bei Aktien durchaus beeinflussen. „Wir finden Evidenz, dass der Anteil der firmenspezifischen Informationen in Aktien geringer ist, je mehr sie von ETFs gehalten werden“, fasst Schlag ein zentrales Studienergebnis in einer Folge des Podcasts „Die Finanztrainer³“ zusammen.
Aktien, in denen viel passives Geld investiert ist, reagieren laut der Frankfurter Studie besonders stark auf Marktstimmungen im Vergleich zu fundamentalen Unternehmensnachrichten. Das Risiko extremer Kursausschläge steigt.
Im asymmetrisch informierten Handel tragen bestimmte Akteure damit ein höheres Risiko, etwa die Market Maker. „Sobald Marktteilnehmer, die Liquidität bereitstellen sollen, davon ausgehen müssen, dass es Informationen gibt, die nicht im Preis enthalten sind und die sie auch nicht kennen, laufen sie Gefahr, dass gegen sie gehandelt wird", erläutert Schlag. Als Ausgleich für dieses Risiko veranschlagten sie höhere Gebühren.
Spreads erhöhen sich
Die Frankfurter Wissenschaftler können nun erstmals empirisch nachweisen, dass ein höherer ETF-Anteil in der Tat zu einer Verschlechterung verschiedener Qualitätsmerkmale des Aktienmarktes führt. Je höher der Anteil passiver Investments an einer Aktie, desto höher sind die Geld-Brief-Spannen (Spreads) beim Handel, stellen sie fest.
Die Kernerkenntnisse der Studie:
- Bei Aktien mit hohem ETF-Anteil fallen die Kursrückgänge nach vorherigen Kursgewinnen deutlich stärker aus
- Die Sensitivität gegenüber marktweiten Stimmungsschwankungen nimmt zu
- Der Anteil nicht erklärter Marktdynamik steigt
- Die Geld-Brief-Spannen erhöhen sich signifikant
Kein Abgesang auf ETFs
Die Autoren warnen jedoch vor vorschnellen Schlüssen – wie etwa einer generellen Absage an passive Investments: „Mit der Studie wollen wir zu einer ausgewogenen Diskussion beitragen“, betont Schlag. Zwar hätten hohe Passiv-Zuflüsse negative Effekte auf die Marktqualität. Gleichzeitig sei jedoch ebenso bekannt, dass auch aktives Investieren problematische Aspekte mit sich bringt, besonders was das Verhältnis zwischen hohen Gebühren und Zusatznutzen betrifft.
Dennoch liefert die Studie wichtige Erkenntnisse. „Gut funktionierende Kapitalmärkte haben weiterreichende Funktionen als 'nur' den Austausch von Geld gegen Wertpapiere bereitzustellen“, gibt Schlag zu bedenken. Dabei zielt er vor allem auf den Informationsfluss ab. Wenn es sich nicht mehr lohnt, Informationen über Unternehmen zu ermitteln und in den Markt zu bringen – weil es dafür keine Belohnung in Form potenzieller Überrenditen für aktive Investoren gibt – dann unterbleibt die Informationsproduktion. Mit den in der Studie ermittelten Folgen .
Die Studie bezieht sich auf den Kosmos der großen US-Aktien. Mit Blick auf weniger liquide Märkte wie Schwellenland-Aktien oder Anleihenmärkte gibt Studienautor Schlag zu bedenken: Dort gebe es schon grundsätzlich weniger Analysten, die Titel verfolgten, wodurch insgesamt weniger Informationen verfügbar seien. Daher könnten umfangreiche Passiv-Zuflüsse dort für die Qualität der Preisfindung besonders problematisch sein.
Schlag glaubt auch: „Wenn sich der ETF-Trend so fortsetzt, wird er immer mehr in den Fokus der Regulierungsbehörden rücken.“
Über die Studie
Die Studie „Passive Investing and Market Quality“ stammt von den Co-Autoren Christian Schlag, Philipp Höfler und Maik Schmeling. Sie untersucht Marktmechanismen anhand von US-Aktien, die an den US-Börsen New York Stock Exchance, Nasdaq und Amex gelistet sind. Die Autoren untersuchten 872 ETFs im Zeitraum von Juni 1997 bis Dezember 2021. Methodisch analysierten sie Index-Rekonstitutionen, also Situationen, in denen Aktien in einen Index aufgenommen oder aus ihm entfernt werden. Grundlage waren die Indizes Russell 1000 und Russell 2000. Das erlaubt, die Effekte von ETF-Anteilsveränderungen auf die Aktienkurse isoliert von anderen Einflüssen zu betrachten.