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ETF-Experte Claus Hecher: „USA bleiben Zugpferd der Märkte"
DAS INVESTMENT: Herr Hecher, Sie sind seit vielen Jahren in der ETF-Branche tätig. Wie hat sich der Markt verändert?
Claus Hecher: Ich bin 2008 in die ETF-Branche gewechselt. Seit dieser Zeit hat sich der Markt dramatisch verändert – besonders was das Volumen angeht. Allein in diesem Jahr haben wir in Europa bereits per Ende November Rekordzuflüsse von 187,6 Milliarden Euro in ETFs gesehen – deutlich mehr als 2023 mit 127,7 Milliarden Euro. Der größte Brocken davon, nämlich 75,9 Milliarden, floss in US-Aktien. Globale Aktien-ETFs waren mit 58 Milliarden Euro das zweite große Zugpferd. Europa-ETFs kamen nur auf 6,3 Milliarden Euro, Schwellenländer auf 7,2 Milliarden Euro. Bei den Anleihen dominieren Staatsanleihen mit 21,7 Milliarden und Unternehmensanleihen mit 11 Milliarden.
Warum diese starke Dominanz der USA?
Hecher: Das hat handfeste wirtschaftliche Gründe. Die US-Wirtschaft ist in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um 0,9 Prozentpunkte stärker gewachsen als die der EU. Dieser Vorsprung beim BIP-Wachstum spiegelt sich natürlich in der Kursentwicklung der Aktien wider. Hinzu kommt die Branchenstruktur: Die großen Tech-Unternehmen wie Apple, Google oder Meta sind in den USA zu Hause. Im Dax haben wir mit SAP gerade mal ein wirklich großes Softwareunternehmen. Wenn man glaubt, dass Tech-Unternehmen auch in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen werden – und davon gehe ich aus – spricht das für eine weitere Outperformance amerikanischer Aktien.
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DAS INVESTMENT: Herr Hecher, Sie sind seit vielen Jahren in der ETF-Branche tätig. Wie hat sich der Markt verändert?
Claus Hecher: Ich bin 2008 in die ETF-Branche gewechselt. Seit dieser Zeit hat sich der Markt dramatisch verändert – besonders was das Volumen angeht. Allein in diesem Jahr haben wir in Europa bereits per Ende November Rekordzuflüsse von 187,6 Milliarden Euro in ETFs gesehen – deutlich mehr als 2023 mit 127,7 Milliarden Euro. Der größte Brocken davon, nämlich 75,9 Milliarden, floss in US-Aktien. Globale Aktien-ETFs waren mit 58 Milliarden Euro das zweite große Zugpferd. Europa-ETFs kamen nur auf 6,3 Milliarden Euro, Schwellenländer auf 7,2 Milliarden Euro. Bei den Anleihen dominieren Staatsanleihen mit 21,7 Milliarden und Unternehmensanleihen mit 11 Milliarden.
Warum diese starke Dominanz der USA?
Hecher: Das hat handfeste wirtschaftliche Gründe. Die US-Wirtschaft ist in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um 0,9 Prozentpunkte stärker gewachsen als die der EU. Dieser Vorsprung beim BIP-Wachstum spiegelt sich natürlich in der Kursentwicklung der Aktien wider. Hinzu kommt die Branchenstruktur: Die großen Tech-Unternehmen wie Apple, Google oder Meta sind in den USA zu Hause. Im Dax haben wir mit SAP gerade mal ein wirklich großes Softwareunternehmen. Wenn man glaubt, dass Tech-Unternehmen auch in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen werden – und davon gehe ich aus – spricht das für eine weitere Outperformance amerikanischer Aktien.
Im Gegensatz zu ETFs mit US-Fokus ist die Lage bei ESG deutlich weniger rosig. Wie erklären Sie sich das?
Hecher: Das stimmt, der Anteil nachhaltiger ETF-Zuflüsse ist rückläufig. In den Jahren 2021 und 2022 floss noch die Hälfte der Neugelder in nachhaltige ETFs, 2023 waren es nur noch 17 Prozent. Das hat mehrere Gründe: Zunächst ist die Regulierung sehr komplex geworden – das ist nicht hilfreich, auch wenn Regulierung grundsätzlich wichtig ist. Wenn die Regeln für Fonds nicht deckungsgleich sind mit denen für die Bankberatung entstehen Reibungspunkte, die den Absatz hemmen.
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Gibt es noch weitere Gründe für den Rückgang?
Hecher: Ein wichtiger Punkt ist die Performance-Entwicklung. Die ersten nachhaltigen Aktien-ETFs hatten sehr strenge Profile mit vielen Ausschlüssen. Oft wurden 75 Prozent der Aktien aus dem Standard-Index aussortiert, weil sie die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllten. 2021 und 2022 haben diese Strategien noch outperformt – die Denke war: Öl-Aktien wird man irgendwann nicht mehr brauchen, alles geht Richtung erneuerbare Energien. Dann kam der Ukraine-Krieg, und plötzlich waren Öl- und Gas-Aktien wieder gefragt. Die strengen nachhaltigen Indizes haben diese Rally verpasst.
Wie hat die Branche darauf reagiert?
Hecher: Es gibt inzwischen deutlich pragmatischere Ansätze. Die neuen nachhaltigen Indizes haben weniger strikte Ausschlusskriterien. Natürlich gibt es weiterhin eine „Grundhygiene“ – keine kontroversen Waffenhersteller, keine Tabakhersteller und gewisse Restriktionen im Öl- und Gasbereich. Der große Unterschied liegt in der Selektivität: Statt 75 Prozent der Aktien auszuschließen, bleiben nun 75 bis 80 Prozent der Aktien im Index. Das führt zu einem deutlich niedrigeren Tracking Error gegenüber dem Standardindex.
Was bedeutet das konkret für Anleger?
Hecher: Ein Beispiel: Bei strengen nachhaltigen Indizes liegt der Tracking Error oft bei 5 Prozent – das bedeutet große Schwankungen gegenüber dem Standardindex. Bei den neueren, pragmatischeren Ansätzen kommen wir durch Optimierungen auf Werte von etwa 1 Prozent.
Das ist das, was der Markt jetzt nachfragt: Nachhaltigkeit ja, aber mit überschaubaren Abweichungen vom Standardindex.
Ein großer Trend sind aktive ETFs. In den USA sind sie bereits sehr erfolgreich – wird sich das auch in Europa durchsetzen?
Hecher: Der Erfolg in den USA hat zunächst steuerliche Gründe. In klassischen Investmentfonds müssen dort Kursgewinne bereits im Fonds versteuert werden. In ETFs findet diese Besteuerung nicht statt. In Europa ist die Motivation eine andere: Hier geht es darum, eigene Investmentstrategien im ETF-Format anzubieten – und das zu deutlich niedrigeren Kosten als bei klassischen aktiven Fonds. Statt 2 Prozent pro Jahr zahlen Anleger oft nur 0,2 bis 0,4 Prozent.
Wo sehen Sie die größten Vorteile aktiver ETFs?
Hecher: Ein wichtiger Punkt ist die ESG-Implementation. Bei uns ist die Motivation, durch das aktive Element das ESG-Profil des Portfolios im Vergleich zu einem Index zu verbessern. Nehmen Sie Unternehmensanleihen: In einem klassischen Index-ETF schaffen Sie es kaum, 100 Prozent nachhaltige Investments zu haben. Mit aktivem Management können wir problematische Anleihen aussortieren und so einen Artikel-9-Fonds nach EU-Offenlegungsverordnung schaffen.
Welche weiteren Vorteile bietet der aktive Ansatz bei der ESG-Integration?
Hecher: Ein wichtiger Punkt ist die Flexibilität bei Kontroversen. In einem klassischen Index müssen Sie in der Regel bis zum nächsten Rebalancing-Termin warten, um ein Unternehmen auszuschließen – das kann im Extremfall sechs Monate dauern. Bei aktiven ETFs können wir theoretisch von heute auf morgen reagieren. Außerdem sind wir nicht auf einen einzelnen ESG-Datenanbieter angewiesen, sondern können verschiedene Quellen nutzen und deren jeweilige Schwächen ausgleichen.
Könnte es in Zukunft so weit kommen, dass Anleger statt klassischer Aktienfonds nur noch zu aktiven ETFs greifen? Immerhin bieten diese ja auch aktives Management, aber zu deutlich niedrigeren Kosten.
Hecher: Der Trend geht eindeutig in die Richtung. In den USA wurde diese Entwicklung stark durch steuerliche Vorteile begünstigt – einen solchen Katalysator haben wir in Europa nicht. Aber es gibt andere überzeugende Gründe, warum aktive ETFs auch hier Erfolg haben können. ETFs sind generell für drei Dinge bekannt: günstige Konditionen, hohe Transparenz und große Flexibilität. Das Kostenbewusstsein der Anleger nimmt stetig zu.
Wir sehen bereits, dass einige Fondsmanager ihre Strategien zunehmend über aktive ETFs anbieten. Der Gedankengang ist pragmatisch: Wenn sich die klassischen Investmentfonds immer schwerer verkaufen lassen, dann lieber mit einem aktiven ETF am Markt bleiben – auch wenn die Marge pro Produkt geringer ausfällt.
Aber über das höhere Volumen könnte sich das Geschäft dennoch rechnen?
Hecher: Genau das ist der Punkt.
Viele deutsche Anleger setzen traditionell auf den Dax. Ist das angesichts der lahmenden Konjunktur und der Probleme in der Automobilindustrie noch zeitgemäß?
Hecher: Das Anlageverhalten hat sich stark gewandelt. Als ich 2008 ins ETF-Geschäft kam, kauften Privatanleger hauptsächlich Dax-ETFs. Heute stehen globale Indizes wie der MSCI World deutlich mehr im Fokus. Aber der Dax ist besser als sein Ruf: Die meisten Dax-Unternehmen sind global aufgestellt und machen ihr Geschäft überwiegend außerhalb Deutschlands. Nur weil die deutsche Volkswirtschaft schwächelt, heißt das nicht, dass Dax-Unternehmen genauso leiden müssen.
Apropos Diversifikation – wie sollten Anleger ihr ETF-Portfolio krisensicher aufstellen?
Hecher: Der erste Schritt ist immer, sein persönliches Risikoprofil zu definieren und daraus die Gewichtung zwischen Aktien und Anleihen abzuleiten. Zusätzlich kann man Rohstoffe beimischen – ob gemischte Rohstoffe oder nur Gold, muss jeder selbst entscheiden. Interessant ist der Trend bei Sparplänen: Gerade die jüngere Generation nutzt ETFs für den Vermögensaufbau. Wenn man 20 oder 30 Jahre bis zur Rente hat, kann der Aktienanteil seines Investments sehr hoch sein. Je näher die Rente rückt, desto mehr sollte man über eine konservativere Mischung nachdenken.
Was erwarten Sie für 2025?
Hecher: US-Aktien dürften weiter erfolgversprechender sein als europäische – auch wenn man Europa nicht vernachlässigen sollte. Spannend wird die Zinsentwicklung: Die USA sind unabhängig von der Regierung sehr schuldenfreudig, die Republikaner in der Historie sogar noch mehr als die Demokraten. Das könnte zu steigenden langfristigen Dollar-Zinsen führen, während die Zentralbanken die kurzfristigen Zinsen wieder senken werden. Die Zinskurve wird also wieder steiler und normaler.
Anleger sollten in einem solchen Szenario bei Anleihen-ETFs eher auf kürzere Laufzeiten setzen.
Gibt es Regionen außerhalb von den USA und Europa, die Sie interessant finden?
Hecher: Der japanische Aktienmarkt hat dieses Jahr eine ähnlich gute Performance geliefert wie die US-Börsen. Nach einer Phase der Konsolidierung stehen japanische Aktien immer noch gut da. Die Frage ist, ob sie mit den US-Aktien weiter mithalten können. Auf jeden Fall beurteilt unser Strategie-Team japanische Aktien als ein solides Investment.
Manche Kritiker sehen die hohen ETF-Zuflüsse auch als Risiko. Führt das passive Investment zu höheren Marktschwankungen?
Hecher: Das sehe ich überhaupt nicht so. Als ich in jungen Jahren als Börsenhändler tätig war, hatten wir noch ganz andere Schwankungen – und das war zu Zeiten, als es noch keine ETFs gab. Was Analysten eher kritisieren, ist, dass ETFs aufgrund der Marktkapitalisierung automatisch in große Unternehmen investieren, ohne deren Qualität zu hinterfragen. Aber das birgt auch Chancen: Sollten ETFs einmal zu dominant werden, entstehen Opportunitäten für aktives Management.
Ein kurzer Ausblick zum Schluss?
Hecher: Der ETF-Markt wird sich weiter ausdifferenzieren. Neben klassischen passiven Produkten werden aktive ETFs an Bedeutung gewinnen. Bei nachhaltigen Investments erwarte ich eine Rückkehr zu pragmatischeren Ansätzen. Und die Grundregel der Diversifikation wird wichtiger denn je – auch wenn die USA wohl das Zugpferd bleiben werden.
Über den Interviewten
Claus Hecher ist seit 2023 Regional Head of ETF Sales DACH and Nordics bei BNP Paribas Asset Management. Zuvor war er in leitender Funktion bei Natixis Global Asset Management und Blackrock sowie bei der Deutschen Bank tätig. Er hat einen Abschluss als Diplom-Kaufmann sowie in Business Administration and Management von der Ludwig-Maximilians-Universität München.