ETF-Kolumne: Neue ETFs sind nicht immer sinnvoll
Detlef Glow, Lipper
Ich denke, dass wir noch viele neue Produktideen erleben werden. Allerdings werden nicht alle dieser Ideen auch in der Praxis funktionieren. Oder sie werden bei den Anlegern nicht auf das gewünschte Interesse stoßen und daher nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden.
Ein Trend, der sich in der europäischen und amerikanischen ETF-Industrie abzeichnet, ist die Spezialisierung der Produkte auf immer engere Anlagesegmente. Nachdem die großen Standardindizes inzwischen abgedeckt sind, wollen die Anbieter nun möglichst viele einzelne Länder und Regionen erschließen. Oder sie teilen die Indexwelt in einzelne Branchen und Sektoren auf, die künftig als Basiswerte für ETFs dienen sollen. Bislang gibt es Sektorprodukte nur auf den Stoxx 600 Europe, aber nicht auf den US-Markt oder auf globaler Ebene. In meinen Augen sind solche speziellen Länder- oder Branchenfonds sinnvoll, weil Anleger ihre Portfolios dadurch individueller zusammenstellen können.
Ein weiterer Trend könnte die Auflage von Indizes sein, die Ableitungen bestehender Standardindizes sind. Dazu gehört der Euro Stoxx 50 Dividend Points Futures Index. Er bildet ein gleich gewichtetes Portfolio aus Futures auf den Euro Stoxx 50 Dividend Points mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren ab. Dadurch sollen Investoren Dividenden als eigene Anlageklasse nutzen können. Warum nicht? Aber ich habe meine Zweifel, ob entsprechende Produkte auf eine ausreichende Nachfrage stoßen werden.
Mehr ETFs auf illiquide Anlageklassen
Ich kann mir gut vorstellen, dass die ETF-Anbieter nicht lockerlassen werden, um Anlagesegmente mit langer Kapitalbindung über ETFs auf täglicher Basis liquide zu machen. Das könnten Produkte auf Schiffe oder direkte Immobilieninvestments sein. Der Reiz für die Investoren wäre, dass diese Anlageklassen sich in der Regel nahezu unabhängig von Aktien, Anleihen oder Rohstoffen entwickeln - noch. Denn diese fehlende Korrelation beruht ja auch auf der Illiquidität von Investments wie Schiffen oder Immobilien. Wie schwer es ist, illiquide Assets liquide zu machen, zeigt das Beispiel der offenen Immobilienfonds seit mehreren Monaten.
Zudem werden in den nächsten Jahren sicherlich viele ETFs auf sogenannte aktive Indizes auf den Markt kommen. Erste Beispiele aus den USA zeigen, dass diese Produkte im Extremfall innerhalb eines Tages beispielsweise von Aktien auf Anleihen umschwenken können - je nach Marktumfeld. Dadurch verwischt die Grenze zu aktiv gemanagten Fonds nahezu vollständig. Und die Investments werden für die Anleger im Rahmen der Risikosteuerung eines Gesamtportfolios schwerer zu berechnen.
Risiken durch Schaffenskraft
Darüber hinaus birgt die anhaltende Innovationsfreude weitere Risiken. So werden Dividenden- und Branchenindizes oder solche auf einzelne Schwellenländer oftmals von einem Unternehmen oder einer Branche beherrscht. Das bringt ein sogenanntes Klumpenrisiko mit sich - also die Gefahr, dass die Entwicklung eines einzelnen Titels einen überproportionalen Einfluss auf die Wertentwicklung des Index hat.
Zudem bergen spezielle ETF-Kreationen hohe Anschlussrisiken. Das heißt: Verschwindet ein entsprechender ETF vom Markt - mangels Volumen oder warum auch immer - haben die investierten Anleger keine Möglichkeit, auf ein anderes Produkte mit ähnlichem Investitionsschwerpunkt auszuweichen. Dieses Risiko scheint im ersten Moment nicht gravierend zu sein. Allerdings werden Fonds in der Regel bei Rückschlägen im jeweiligen Marktsegment geschlossen. Und ich gehe davon aus, dass Anleger später auch gern von der erwarteten Erholung des jeweiligen Segmentes profitieren würden.
Insgesamt befürworte ich die Einführung weiterer Produktideen im ETF-Markt. Allerdings sollten die Innovationen für Investoren Sinn ergeben. ETFs sind zwar für viele, aber nicht alle Anlagesegmente das geeignete Instrument. Und je komplexer und spezialisierter ein ETF ist, desto versierter und spezialisierter sollten auch die Anleger sein, die ihn nutzen.
Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Thomson Reuters.
Der Autor Detlef Glow Detlef Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 leitet er dort die Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der Tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der Tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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Glow schreibt regelmäßig in der Online-Community von Thomson Reuters - Lipper, die nur für professionelle Investoren (Vermögensverwalter mit §32 KWG Zulassung o.ä.) zugänglich ist.
Ein Trend, der sich in der europäischen und amerikanischen ETF-Industrie abzeichnet, ist die Spezialisierung der Produkte auf immer engere Anlagesegmente. Nachdem die großen Standardindizes inzwischen abgedeckt sind, wollen die Anbieter nun möglichst viele einzelne Länder und Regionen erschließen. Oder sie teilen die Indexwelt in einzelne Branchen und Sektoren auf, die künftig als Basiswerte für ETFs dienen sollen. Bislang gibt es Sektorprodukte nur auf den Stoxx 600 Europe, aber nicht auf den US-Markt oder auf globaler Ebene. In meinen Augen sind solche speziellen Länder- oder Branchenfonds sinnvoll, weil Anleger ihre Portfolios dadurch individueller zusammenstellen können.
Ein weiterer Trend könnte die Auflage von Indizes sein, die Ableitungen bestehender Standardindizes sind. Dazu gehört der Euro Stoxx 50 Dividend Points Futures Index. Er bildet ein gleich gewichtetes Portfolio aus Futures auf den Euro Stoxx 50 Dividend Points mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren ab. Dadurch sollen Investoren Dividenden als eigene Anlageklasse nutzen können. Warum nicht? Aber ich habe meine Zweifel, ob entsprechende Produkte auf eine ausreichende Nachfrage stoßen werden.
Mehr ETFs auf illiquide Anlageklassen
Ich kann mir gut vorstellen, dass die ETF-Anbieter nicht lockerlassen werden, um Anlagesegmente mit langer Kapitalbindung über ETFs auf täglicher Basis liquide zu machen. Das könnten Produkte auf Schiffe oder direkte Immobilieninvestments sein. Der Reiz für die Investoren wäre, dass diese Anlageklassen sich in der Regel nahezu unabhängig von Aktien, Anleihen oder Rohstoffen entwickeln - noch. Denn diese fehlende Korrelation beruht ja auch auf der Illiquidität von Investments wie Schiffen oder Immobilien. Wie schwer es ist, illiquide Assets liquide zu machen, zeigt das Beispiel der offenen Immobilienfonds seit mehreren Monaten.
Zudem werden in den nächsten Jahren sicherlich viele ETFs auf sogenannte aktive Indizes auf den Markt kommen. Erste Beispiele aus den USA zeigen, dass diese Produkte im Extremfall innerhalb eines Tages beispielsweise von Aktien auf Anleihen umschwenken können - je nach Marktumfeld. Dadurch verwischt die Grenze zu aktiv gemanagten Fonds nahezu vollständig. Und die Investments werden für die Anleger im Rahmen der Risikosteuerung eines Gesamtportfolios schwerer zu berechnen.
Risiken durch Schaffenskraft
Darüber hinaus birgt die anhaltende Innovationsfreude weitere Risiken. So werden Dividenden- und Branchenindizes oder solche auf einzelne Schwellenländer oftmals von einem Unternehmen oder einer Branche beherrscht. Das bringt ein sogenanntes Klumpenrisiko mit sich - also die Gefahr, dass die Entwicklung eines einzelnen Titels einen überproportionalen Einfluss auf die Wertentwicklung des Index hat.
Zudem bergen spezielle ETF-Kreationen hohe Anschlussrisiken. Das heißt: Verschwindet ein entsprechender ETF vom Markt - mangels Volumen oder warum auch immer - haben die investierten Anleger keine Möglichkeit, auf ein anderes Produkte mit ähnlichem Investitionsschwerpunkt auszuweichen. Dieses Risiko scheint im ersten Moment nicht gravierend zu sein. Allerdings werden Fonds in der Regel bei Rückschlägen im jeweiligen Marktsegment geschlossen. Und ich gehe davon aus, dass Anleger später auch gern von der erwarteten Erholung des jeweiligen Segmentes profitieren würden.
Insgesamt befürworte ich die Einführung weiterer Produktideen im ETF-Markt. Allerdings sollten die Innovationen für Investoren Sinn ergeben. ETFs sind zwar für viele, aber nicht alle Anlagesegmente das geeignete Instrument. Und je komplexer und spezialisierter ein ETF ist, desto versierter und spezialisierter sollten auch die Anleger sein, die ihn nutzen.
Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Thomson Reuters.
Der Autor Detlef Glow Detlef Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 leitet er dort die Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der Tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der Tecis Asset Management AG verantwortlich war.
Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Thomson Reuters.
Glow schreibt regelmäßig in der Online-Community von Thomson Reuters - Lipper, die nur für professionelle Investoren (Vermögensverwalter mit §32 KWG Zulassung o.ä.) zugänglich ist.
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