Regulierung Portfolio-Transparenz bei aktiven ETFs: Das sagt die irische Aufsicht
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Die europäische ETF-Industrie erlebt 2024 ein außergewöhnliches Jahr. Bereits Ende September wurden die bisherigen Jahres-Rekordmarken bei den Mittelzuflüssen übertroffen. Analysten erwarten für das Gesamtjahr Netto-Neugelder von mehr als 220 Milliarden Euro – ein historischer Höchststand. Doch der Boom täuscht über strukturelle Herausforderungen der Branche hinweg.
Der klare Gewinner dieser Entwicklung ist Irland. Seit der Zulassung des ersten europäischen ETFs im Jahr 2000 hat sich das Land zum wichtigsten ETF-Standort Europas entwickelt. „Etwa 70 Prozent der EU-ETFs sind gemessen am verwalteten Vermögen in Irland domiziliert“, betont Derville Rowland, stellvertretende Gouverneurin der irischen Zentralbank, in einer Rede Ende Oktober. Das verwaltete Vermögen irischer ETFs stieg von 162 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf aktuell rund 1,45 Billionen Euro.
Konzentration nimmt zu
Trotz der positiven Gesamtentwicklung zeigt eine detaillierte Analyse der Mittelflüsse ein differenziertes Bild. „Nur wenige Anbieter und Produkte profitieren überproportional vom Trend zu ETFs, während ein großer Teil der Marktteilnehmer und Produkte geringe, sehr geringe oder keine Zuflüsse verzeichnet“, erklärt Detlef Glow von LSEG Lipper.
Einige Anbieter müssen sogar Mittelabflüsse verkraften – und das in einem Rekordjahr, wohlgemerkt. Die Folge: Kleinere Anbieter haben zunehmend Schwierigkeiten, ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Ein Beispiel ist der britische Vermögensverwalter Circa 5000, der sich aufgrund mangelnder Zuflüsse als Anbieter vom europäischen ETF-Markt zurückgezogen hat.
Die Zuflüsse bündeln sich zunehmend bei den Großen der Branche. Eine Übersicht der zehn größten aktiven ETFs finden Sie hier.
Regulatorische Erleichterung für ETF-Anteilsklassen
Ein wichtiger Meilenstein für die weitere Entwicklung des ETF-Marktes ist die jüngste Regulierungsänderung der Central Bank of Ireland (CBI). Die Aufsichtsbehörde hat im Oktober 2024 ihre langjährigen Anforderungen an die ETF-Namensgebung überarbeitet. „Künftig kann die Ucits-ETF-Kennzeichnung auf Ebene eines Teilfonds oder einer Anteilsklasse erfolgen“, erläutert Rowland.
Diese Änderung schafft mehr Flexibilität für Fondsgesellschaften und bringt die irische Regulierung in Einklang mit anderen Fondsstandorten. Besonders aktive Manager profitieren von der neuen Regelung. Sie können nun einfacher ETF-Anteilsklassen innerhalb bestehender aktiver Fonds auflegen, statt komplett neue aktive ETFs zu lancieren. „Dies wird für Fondsmanager und Anleger mehr Klarheit schaffen, insbesondere wenn der Fonds sowohl börsennotierte als auch nicht börsennotierte Anteilsklassen hat“, so Rowland.
Die Lockerung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem das Interesse an aktiv gemanagten ETFs stark zunimmt. Die CBI reagiert damit auf Rückmeldungen aus der Branche und intensive Abstimmungen auf europäischer Ebene. Die Behörde will die Details der neuen Regelung in Kürze in einem aktualisierten Ucits-Q&A-Dokument veröffentlichen.
Portfolio-Transparenz im Fokus
Im Zusammenhang mit aktiven ETFs beschäftigt sich die CBI auch mit der Frage der Portfolio-Transparenz, die vor allem im Kontext aktiv gemanagter ETFs an Bedeutung gewinnt. Während das tägliche Offenlegen der Portfoliopositionen bei klassischen, indexnachbildenden ETFs Standard ist, stellt diese Anforderung für aktive Manager eine besondere Herausforderung dar. Sie fürchten, dass zu große Transparenz ihre Anlagestrategien für Wettbewerber offenlegen könnte.
Die CBI zeigt sich in dieser Frage pragmatisch. „Während aktive ETFs derzeit nur einen relativ kleinen Teil des Marktes ausmachen, beobachten wir in Europa ein zunehmendes Interesse an diesen Produkten“, so Rowland. Als führende ETF-Aufsicht in Europa sei die Zentralbank bereit, mit der Branche zusammenzuarbeiten, um einen „verhältnismäßigen und effektiven Ansatz für verschiedene Modelle der Portfolio-Transparenz“ zu entwickeln.
Statt starrer Vorgaben strebe die Behörde dabei einen prinzipienbasierten Regulierungsrahmen an. Dieser soll einerseits den berechtigten Schutzinteressen aktiver Manager Rechnung tragen, andererseits aber auch die für das ETF-Format wesentliche Transparenz und Preisfindung gewährleisten. Diese neue Flexibilität könnte ein entscheidender Faktor sein, um weiteren aktiven Managern den Einstieg in den wachsenden ETF-Markt zu erleichtern und das Produktangebot für Anleger zu erweitern.
„Obwohl die wachsende Produktauswahl grundsätzlich positiv für Anleger ist, erhöht sie den Bedarf an detaillierterer Research-Arbeit, da diese neuen ETFs keine standardisierten Indexprodukte sind“, heißt es bei Lipper. „Daher kann festgestellt werden, dass die neuen Produkte die Marktkomplexität und die erforderliche Analysetiefe bei der Produktauswahl erhöhen.“
Chancen der Tokenisierung
Eine weitere technologische Innovation könnte die Branche nachhaltig verändern: die Tokenisierung. „Tokenisierung hat das Potenzial, Abwicklungszyklen zu beschleunigen und die Effizienz sowie Liquidität des Handels mit Vermögenswerten zu erhöhen“, erläutert Rowland. Die irische Zentralbank steht dem Thema aufgeschlossen gegenüber und arbeitet mit der Fondsbranche an möglichen Implementierungen innerhalb des bestehenden Regulierungsrahmens.
Trotz der Herausforderungen bleiben die Wachstumsaussichten positiv. Die Produktpalette wird breiter, der Wettbewerb intensiver. Neue Produkte wie Festlaufzeit-Anleihen-ETFs sollen Anlegern künftig noch präzisere Anlagemöglichkeiten bieten. Die irische Zentralbank erwartet, dass das Wachstum in den kommenden Jahren die aktuellen Erwartungen übertreffen wird.
Entscheidend für den langfristigen Erfolg dürfte sein, wie die Branche die technologischen Herausforderungen meistert und ob es gelingt, auch Privatanleger stärker einzubinden.