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Von wegen niedrige Gebühren ETFs in den USA profitieren vor allem von diesem Steuervorteil

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Mit Hilfe der Studie lassen sich die Gründe für diese auffällige und massive Allokationsveränderung von Anlageberatern sehr vermögender Anleger erklären. Die Wissenschaftler kamen zu der Erkenntnis, dass dieses Verhalten weitestgehend als steuermotiviert begründet werden kann. Die Wissenschaftler ermittelten zudem, dass aufgrund des im Vergleich zur Normalbevölkerung sehr hohen Vermögens von HNW diese Portfolioverschiebung einen Großteil der Mittelzuflüsse in ETFs und Mittelabflüsse aus aktiv verwalteten Investmentfonds seit 2008 verursacht haben.

ETFs im Vorteil

In den USA können ETFs aufgrund ihrer rechtlichen Struktur im Vergleich zu offenen Investmentfonds steuerlich effizienter für US-Anleger sein. Das liegt an dem speziellen rechtlichen ETF-Konzeptdesign, wo anders als bei offenen Investmentfonds die ETF-Transaktionen von Anlegern über autorisierte Market Maker ablaufen. Bei ETF-Rücknahmen durch Anleger erhalten die Market Maker in der Regel keine Barauszahlungen, sondern werden mit Wertpapieren aus dem ETF beliefert. Die Anleger erhalten dann wiederum vom Market Maker den Verkaufserlös in bar. ETFs müssen somit nicht notwendigerweise Aktien verkaufen, wenn der ETF Nettoabflüsse verzeichnet und aufgrund einer Ausnahmeregelung aus dem Jahr 1969 führt die „Auszahlung in Natura“ zu keinem Steuerereignis im ETF.

Offene Investmentfonds hingegen müssen bei Rücknahmen gegebenenfalls Cash produzieren und Wertpapiere wie zum Beispiel Aktien verkaufen. Beim Verkauf der entsprechenden Wertpapiere können somit realisierte Kursgewinne entstehen. ETFs und offene Investmentfonds sind in den USA verpflichtet, alle realisierten Kapitalgewinne und Dividenden jährlich an die Anleger auszuschütten.  Je geringer die realisierten Kursgewinne im Fonds sind, desto geringer sind auch die ausschüttungspflichtigen Kapitalerträge – und desto geringer fällt somit die jährliche Steuerbelastung der Anleger aus. Zudem werden die ausschüttungspflichtigen Kapitalerträge mit einem deutlich höheren Steuersatz besteuert (43,4 Prozent) als der spätere Veräußerungsgewinn mit dem Fonds (23,8 Prozent). Werden also realisierte Veräußerungsgewinne auf Fondsebene vermieden, entstehen zwei Effekte:

  1. Steuerstundung bis zum Verkauf der Fondsanteile.
  2. Geringe steuerliche Belastung aufgrund des deutlich geringeren Steuertarifs bei Verkauf der Anteile (23,8 Prozent anstatt 43,4 Prozent).

Für Vermögende besonders interessant

Für vermögende Menschen kann der Steuerstundungseffekt auch in Bezug auf die Erbplanung von besonderer Bedeutung sein, weil sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Zahlung von Steuern auf die kumulativen aufgeschobenen Kapitalgewinne mit ETFs sogar gänzlich vermeiden können.  Mit Hilfe von Heartbeat-Trades werden die generellen Steuervorteile noch maximiert. Ziel: Möglichst alle aufgelaufenen Kursgewinne von Wertpapieren sollen regelmäßig komplett neutralisiert werden, um möglichst keine realisierten Kursgewinne im ETF zu produzieren. Neben Anteilsrücknahmen können auch Depotveränderungen auf ETF-Ebene Verkäufe von Wertpapieren auslösen. Zum Beispiel, wenn der Index vom Indexanbieter verändert wird oder Rebalancing-Maßnahmen im ETF stattfinden.

Gerade in solchen Phasen sind massive Heartbeat-Trades bei den ETFs zu verzeichnen. So berichtete beispielsweise die Financial Times am 6. Juni 2019, dass ein beliebter ETF von Blackrock an einem einzigen Tag 1,5 Milliarden US-Dollar verlor. Dies wurde als der stärkste Abfluss in der sechsjährigen Geschichte des Fonds herausgestellt. Verantwortlich dafür waren aber nicht enttäuschte Anleger, sondern ein Heartbeat-Trade. Ein paar Tage zuvor hatte derselbe ETF einen vergleichbaren Mittelzufluss. Die Wissenschaftler kamen in ihrer Studie zu der Erkenntnis, dass in den vergangenen Jahren ETFs mit dieser Praxis eine um 0,92 Prozent geringere Steuerbelastung pro Jahr als aktive Investmentfonds gehabt hätten. 

So funktioniert ein Heartbeat-Trade

Bei einem Heartbeat-Trade leihen ein oder mehrere Market Maker dem ETF für sehr kurze Zeit Geld und erhalten den Wert dann in Aktien zurück, die aufgelaufene Kursgewinne verzeichnen. Mit dem frischen Geld werden die „gleichen Aktien“ neu erworben. Im Prinzip findet hier nur ein Aktientausch statt, aber mit dem Effekt, dass die alten, mit Kursgewinnen behafteten Aktien aus dem Fonds herausgenommen wurden und durch neue Aktien ohne Kursgewinnhistorie ersetzt wurden.

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