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Chef von SPDR ETF Deutschland im Interview „ETFs sind eigentlich keine Passiv-Anlagen“

Stefan Kuhn
Stefan Kuhn: Im Interview erläutert der Deutschlandchef der ETF-Sparte von State Street Global Advisors die Strategie seines Hauses. | Foto: State Street GA

DAS INVESTMENT: Welche Trends beobachten Sie aktuell am ETF-Markt?

Stefan Kuhn: Ein langfristiger Trend ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir beobachten ihn hauptsächlich auf der Aktienseite, aber auch im Rentenbereich. Außerdem hat insgesamt die Nachfrage nach Renten-ETFs stark zugelegt, auch 2020 war das so.

Woher kommt diese Nachfrage?

Kuhn: Vor allem von institutionellen Anlegern. Für sie sind ETFs ein liquides und effizientes Allokationsvehikel. Man hat sich ja lange gefragt, wie sich Renten-ETFs in Liquiditätskrisen verhalten werden. In der Covid-Krise im Frühjahr 2020 zeigte sich: Sie waren immer handelbar und teils sogar liquider als die zugrundeliegenden Anleihen.

Sprechen Sie über ein bestimmtes Anleihen-Segment?

Kuhn: Der Renten-Bereich allgemein, aber vor allem Unternehmensanleihen. Gerade dort kommt der Vorteil von ETFs zum Tragen: Viele Unternehmensanleihen haben Stückelungen von 100.000 Euro oder mehr. Das hält nicht nur viele Privatanleger fern, sondern auch Vermögensverwalter, die die Anleihen auf mehrere Portfolios aufteilen wollen. Der Unternehmensanleihemarkt ist auch wegen der andauernden Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank relativ illiquide geworden, Anleger kommen recht schwer an Anleihen heran. Das bringt viele Kunden dazu, sich im Unternehmensanleihebereich ETFs näher anzuschauen.

Gibt es ein Segment, aus dem sich Anleger 2020 eher zurückgezogen haben?

Kuhn: Anfang 2020 haben Schwellenländeranleihen Mittelabflüsse erlitten. Aktuell erleben sie eine Renaissance, viele Anleger suchen wieder das Risiko. Der Wahlausgang in den USA und die Erfolge bei der Suche nach Impfstoffen gegen Covid-19 führen dazu, dass der Markt sich wieder zyklischen Werten zuwendet.

In Europa und speziell Deutschland haben ETFs im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds noch einen geringen Marktanteil. Das ändert sich allmählich. Aus welcher Richtung erwarten Sie mittelfristig die meisten Zuflüsse?

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Kuhn: Das sind einerseits sicher Privatanleger, die über Sparpläne langfristig Vermögen aufbauen wollen. Der noch größere Wachstumstreiber ist aber der institutionelle Bereich. Letztlich legen Institutionelle allerdings auch das Geld von Privatanlegern an. Nur eben nicht selbst als Privatkunde, sondern in deren Namen als Privatbank, Vermögensverwalter, Versicherer oder Pensionsfonds.

Über ETFs fließt massiv Geld in die großen Indizes. Könnte irgendwann ein kritisches Volumen erreicht sein, ab dem ETFs kein lohnenswertes Investment mehr sind – weil sie durch die starke Konzentration zu risikobehaftet sind?

Kuhn: Der ETF-Markt ist im Vergleich zum aktiven Fonds-Markt, aber auch zu Einzel-Aktien in Europa noch extrem klein. Selbst wenn man meint, dass es ab einer gewissen Grenze Schwierigkeiten geben könnte, sind wir davon sehr weit entfernt. Und zweitens: Wenn es tatsächlich Verzerrungen geben sollte, können aktive Investoren das ausnutzen und sich gegensätzlich positionieren. Es ist ein gemeinsames Spiel. Wenn das eine besser funktioniert als das andere, wird das Kapital in die entsprechende Richtung fließen.

ETFs stehen auch auf der Empfehlungsliste von Verbraucherschützern, als idealer Einstieg in den Kapitalmarkt. Wie sähe Ihrer Meinung nach ein Portfolio aus, mit dem ein Neueinsteiger nichts falsch machen kann?

Kuhn: Mit einem Portfolio nichts falsch machen – das finde ich schwierig zu sagen.

Es gibt ja aktiv gemanagte Fonds wie „Der erste Schritt“ von Flossbach von Storch oder den „Zukunftsfonds“ von Kai Diekmann und Lenny Fischer. Beide wollen Menschen überhaupt an den Kapitalmarkt heranführen. Wie sähe ein solches Portfolio in passiv aus?

Kuhn: Wenn man die Anlage breit streuen möchte, kann man meiner Meinung nach mit zwei ETFs den Markt schon ganz gut abbilden. Das wären zum Beispiel der MSCI World beziehungsweise – inklusive Schwellenländern – der MSCI World ACWI. Dazu ein globaler Rentenfonds. Man sollte allerdings auf individuelle Präferenzen schauen. Der MSCI World gewichtet stark in den USA, entsprechend hoch ist das Dollar-Risiko. Wer das ausklammern möchte, fühlt sich in einem europäischen Index vielleicht wohler. Wenn ich Geld zehn oder 20 Jahre lang anlegen möchte, finde ich breite Ansätze am sinnvollsten. Wer aber taktisch unterwegs ist und Ereignisse wie die US-Wahl oder die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 in seine Anlage einbeziehen möchte, kann das mit ETFs auch granularer machen – indem er auf bestimmte Sektoren, Länder oder Regionen setzt.