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Ethik-Analyst im Gespräch: „Rheinmetall kommt gar nicht erst auf den Tisch“

DAS INVESTMENT: Sie bewerten mögliche Investments Ihres Hauses unter ethischen Gesichtspunkten. Was heißt das konkret und wie weit beeinflusst Ihre Analyse die Titelwahl?
Michael Heumann: Wir haben ein Ethikanalyse-Team aufgebaut, zu dem auch ausgebildete Wirtschaftsethiker gehören. Ich selbst war an der Uni St. Gallen und habe zum Thema Wachstum und Wachstumskritik geforscht. Jedes Mitglied hat Erfahrung mit wirtschaftsethischen Fragen. Falls nun das Portfoliomanagement Interesse an einem Titel hat, der noch nicht zum Anlageuniversum gehört, kommen wir ins Spiel. In einem ersten Schritt klären wir ab, ob die Gesellschaft unsere Ausschlusskriterien verletzt. In diesem Fall wird der Prozess nicht fortgesetzt, es sei denn aus didaktischen Gründen, etwa um unsere Analyse-Tools weiter zu schärfen.
Und wenn eine Gesellschaft die erste Hürde meistert?
Heumann: Dann nehmen wir das Unternehmen, um dessen Anleihen oder Aktien es geht, genau unter die Lupe. Dazu arbeiten wir einen Katalog ethischer Kriterien ab, woraus wir einen Vorschlag für unser Ethik-Komitee ableiten. Dieses ist völlig unabhängig und damit meines Wissens nach im deutschsprachigen Raum einzigartig. Sprich diejenigen, die bei uns entscheiden, sind nicht wie ich Teil des Ethikanalyse-Teams, sondern renommierte Fachleute, die sich in einem sich monatlich konstituierenden Gremium treffen und über unsere Vorschläge befinden.
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DAS INVESTMENT: Sie bewerten mögliche Investments Ihres Hauses unter ethischen Gesichtspunkten. Was heißt das konkret und wie weit beeinflusst Ihre Analyse die Titelwahl?
Michael Heumann: Wir haben ein Ethikanalyse-Team aufgebaut, zu dem auch ausgebildete Wirtschaftsethiker gehören. Ich selbst war an der Uni St. Gallen und habe zum Thema Wachstum und Wachstumskritik geforscht. Jedes Mitglied hat Erfahrung mit wirtschaftsethischen Fragen. Falls nun das Portfoliomanagement Interesse an einem Titel hat, der noch nicht zum Anlageuniversum gehört, kommen wir ins Spiel. In einem ersten Schritt klären wir ab, ob die Gesellschaft unsere Ausschlusskriterien verletzt. In diesem Fall wird der Prozess nicht fortgesetzt, es sei denn aus didaktischen Gründen, etwa um unsere Analyse-Tools weiter zu schärfen.
Und wenn eine Gesellschaft die erste Hürde meistert?
Heumann: Dann nehmen wir das Unternehmen, um dessen Anleihen oder Aktien es geht, genau unter die Lupe. Dazu arbeiten wir einen Katalog ethischer Kriterien ab, woraus wir einen Vorschlag für unser Ethik-Komitee ableiten. Dieses ist völlig unabhängig und damit meines Wissens nach im deutschsprachigen Raum einzigartig. Sprich diejenigen, die bei uns entscheiden, sind nicht wie ich Teil des Ethikanalyse-Teams, sondern renommierte Fachleute, die sich in einem sich monatlich konstituierenden Gremium treffen und über unsere Vorschläge befinden.
Was folgt daraus?
Heumann: Das Komitee nimmt unsere Vorschläge an, lehnt sie ab oder modifiziert sie, was in den meisten Fällen passiert. Eine Zustimmung bedeutet, dass das geprüfte Unternehmen keine Ausschlusskriterien verletzt und zudem eine Mindestzahl an Punkten aus den Positivkriterien erzielt. Kassiert das Komitee dagegen unseren Vorschlag, begründet es die Entscheidung zudem. In das Anlageuniversum gelangt der Titel dann keinesfalls. Wenn wir Aufträge zurückbekommen, ist es beispielsweise oft so, dass wir einige als notwendig erachtete Informationen schlicht nicht vorliegen haben.
Haben Sie ein konkretes Beispiel für uns?
Heumann: Ich kann Ihnen als solches Beispiel Paypal nennen. Das Unternehmen bleibt bei uns in der Warteschleife, weil wir nicht wissen, wie der Umgang mit einer bestimmten Kundengruppe ausfällt. Konkret gibt es Berichte, dass Paypal in den Palästinensergebieten Personen als Kunden ablehnt, weil diese der palästinensischen Volksgruppe angehören.
Wir wissen weder genau, wie systematisch das passiert, oder ob diese Berichte überhaupt genauso stimmen wie berichtet oder nicht. Wir versuchen daher alles, an Informationen zu gelangen. Das ist ein wichtiger Teil unseres Engagements. Wir wollen mit dem jeweiligen Unternehmen und relevanten Stakeholdern ins Gespräch kommen und unsere Informationen auf eine verlässliche Basis bringen. Das ist ein weiterer Aufgabenbereich des Ethikanalyse-Teams. Auf dieser Basis erstellen wir dann wiederum Vorschläge.
Wie bindend sind Ihre Ergebnisse und die des Komitees für das Portfoliomanagement?
Heumann: Sofern der Titel oder der Emittent aus ethischer Sicht abgelehnt wird, ist diese Entscheidung absolut verbindlich für das Portfoliomanagement.
Aktueller Aufreger in der deutschen Fußball-Bundesliga: Der Rüstungskonzern Rheinmetall wird künftig Sponsor des Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund. Sie haben die beiden Aktiengesellschaften genau beleuchtet. Zu welchem Schluss sind Sie mit Ihrem Analyse-Team gekommen, und wie hat nachfolgend dann der Ethikrat dazu entschieden?
Heumann: Ja, die Frage ist genau richtig, weil der Fokus oftmals allein auf Rheinmetall liegt. Aber wir haben ja zwei investitionsfähige Unternehmen, da der BVB ebenfalls an der Börse gelistet ist und damit nicht nur wirtschaftsethisch, sondern auch investmentethisch relevant ist. Bei Rheinmetall ist die Sache recht einfach, da dessen Rüstungsgeschäftsmodell anders als ein Sportverein generell ethisch zu hinterfragen ist.
Und wie lautet die Antwort?
Heumann: Rheinmetall ist ganz eindeutig kein Titel für unser Anlageuniversum. Genau genommen kommt der Konzern gar nicht erst auf den Tisch, weil er offensichtlich gegen ein Ausschlusskriterium verstößt. So kommen Unternehmen keinesfalls infrage, wenn sie Kampfmittel produzieren. Gleiches gilt für entsprechende Vorprodukte oder Dienstleistungen, übrigens inklusive des Waffenhandels, die ausschließlich dem Funktionieren militärischer Strukturen dienen.
Die Palette an Gütern reicht von normalen Handfeuerwaffen wie Gewehren bis zu richtig großen und schweren Waffensystemen. An dieser Stelle herrscht aber gerade aktuell schon ein Spannungsfeld zwischen Ethik und Moral.
Wie sieht der Unterschied genau aus?
Heumann: Wir verstehen unter Ethik die Reflexion der Moral, sprich die Beschreibung von moralischen Einstellungen, Überzeugungen und auch Gefühlen, die es in der Bevölkerung gibt und die immer auch in der Investmentwelt zum Tragen kommen. Das Stichwort Zeitenwende, welches der Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 geprägt hat, ist Teil eines Trends, der Geschäftsmodelle, die einst als nicht nachhaltig gegolten haben, plötzlich in anderem Licht darstellt.
Einige Akteure proklamieren diese dann als nachhaltig und nicht selten zugleich als ethisch legitim. Wir haben die Diskussion geführt und uns im Kollektiv entschlossen, diesen Sichtweisen nicht zu folgen, wobei das Schlusswort immer beim Ethik-Komitee liegt. Waffenproduzenten bleiben ausgeschlossen.
Und wie beurteilen Sie nun die Lage beim gesponsorten Fußballverein?
Heumann: Wir haben es nicht nur mit einer reinen Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen zu tun. Die würde auch mit einem Rüstungsunternehmen nicht automatisch zum Ausschluss führen, sonst blieben für uns gar keine Gesellschaften zum Investieren übrig. Eine Bank beispielsweise, die dem Waffenproduzenten einen Kredit gibt, produziert dennoch keine Waffen. Das ist ein qualitativer Unterschied.
Die Bank trägt etwas zur Produktion bei, das aber auch mit anderen Partnern genauso in der gleichen Form zu beschaffen wäre, weil es sich um eine weitgehend standardisierte Dienstleistung handelt. Ein Ausschlusskriterium verletzt der BVB nicht zwingend. Umgäbe sich der Verein etwa nur noch mit Rüstungskonzernen, würden wir ihn nicht einfach so ausschließen, es aber diskutieren.
Woran erkennen Sie die neue Dimension?
Heumann: Es gibt eine Kausalkette, weil bei dieser Sponsor-Entscheidung keine Geschäftsbeziehung im Hintergrund stattfindet, sondern äußerst öffentlichkeitswirksam. Wir können zum Vergleich den FC Augsburg heranziehen, der 2023 Renk als sogenannten Supplier gewann. Das Unternehmen stellt unter anderem Getriebe für Panzer her. Die Kommunikation lief allerdings ganz anders als beim BVB, nämlich sehr zurückhaltend. Der BVB will nach eigenem Bekunden einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion leisten. Demzufolge gehört die Frage dazu, ob wir als Gesellschaft beim Thema Rüstung umdenken sollten.
Man könnte auch auf die Idee kommen, das Hauptziel dieser Partnerschaft sei das Polieren der Rheinmetall-Marke. Und was sagen Sie dazu, betrifft immerhin Ihr Spezialgebiet?
Heumann: Da spielen wir selbstverständlich so nicht mit. Stattdessen lässt ja schon der Prozess einige Fragen offen. Wenn es etwa insbesondere um einen Diskursbeitrag gehen soll, warum stellen die Unternehmen die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen? Stattdessen hätten sie sich mit ihren Sichtweisen, die ja zum Teil auch gute Argumente beinhalten, anderen Meinungen stellen müssen und erst nach der Diskussion entscheiden dürfen.
Über den Interviewten:
Michael Heumann arbeitet als Ethik-Analyst bei der Zürcher Vermögensverwaltungsgesellschaft Arete Ethik Invest. Aktuell ist er an der Universität Lausanne im Bereich Wissenschaftsphilosophie in der Grundlagenforschung tätig. Heumann hat 2022 an der Universität St. Gallen als Wirtschaftsethiker promoviert mit einer Arbeit über die Grundlagen ökonomischer Wachstumskritik.



