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Etikettenschwindel bei der Inflation

Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Selten hat die Veröffentlichung einer einzigen Zahl so viel Wirbel aufgeworfen. Ende Oktober wurde bekannt, dass die Preise im Euroraum nur noch um 0,7 Prozent gestiegen sind.

Es hat gerade einmal eine Woche gedauert, bis die Europäische Zentralbank daraufhin ihre Zinsen gesenkt hat. Die Zeitungen waren voll von Berichten und Kommentaren über Deflationsgefahren. Die Inflationsbefürchtungen, über die im Sommer noch gesprochen wurden, schienen wie weggeblasen.

Alles sieht nach einem Paradigmenwechsel aus, von Inflation zu Deflation. Das hätte erhebliche politische, vor allem geldpolitische Konsequenzen. Ich teile diese Auffassung aber nicht. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass diese Diskussion nicht ganz ehrlich ist. Hier wird Etikettenschwindel betrieben.

Drei Effekte führten zur Verringerung der Inflation

Die Verringerung der Inflationsrate ist im Wesentlichen auf drei Effekte zurückzuführen. Das eine ist der Rückgang der Nahrungsmittelpreise. Sie waren im Sommer witterungsbedingt stark angestiegen. Jetzt normalisieren sie sich, sind aber immer noch 4 Prozent höher als vor einem Jahr. Das hat nichts mit Deflation zu tun. Es ist auch kein Grund, die Zinsen zu senken.

Das zweite ist der niedrigere Ölpreis. Anfang vorigen Jahres kostete Nordseeöl der Sorte Brent noch 125 Dollar je Barrel, jetzt sind es nur noch etwas über 100. Das ist ein Rückgang um über 20 Prozent. Allein das verringert die Geldentwertung um zwei Zehntel Prozentpunkte.

Auch das ist aber keine Deflation im Sinne von Wachstumsschwäche. Es beruht vielmehr auf der Angebotsausweitung durch die neuen Fördertechniken des Fracking und die Entspannung im Iran, die zu mehr Ölexporten dieses Landes führen wird. Andererseits hat die Nachfrage nach Öl in den Schwellen- und Entwicklungsländern nicht mehr so stark zugenommen.

Die sogenannte "Kernrate" der Inflation, also die Rate ohne die Preise von Energie, Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak, lag im Oktober bei 0,8 Prozent. Das ist mehr als die 0,7 Prozent, es ist freilich immer noch sehr niedrig.

Hier kommt der dritte Grund für die geringe Geldentwertung ins Spiel. Es ist die Preisentwicklung in den Peripherieländern des Euroraums. In Griechenland gingen die Preise im September (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) um 1 Prozent zurück, in Irland lagen sie auf Vorjahresniveau, in Portugal stiegen sie gerade mal um 0,3 Prozent, in Spanien um 0,5 Prozent.

Das drückt die Gesamtrate im Euroraum. Im Euroraum ohne Deutschland gerechnet, stiegen die Preise im Oktober lediglich um 0,4 Prozent (jeweils gegenüber Vorjahr) verglichen mit 1,2 Prozent in Deutschland. Deutschland ist nicht mehr Primus bei der Stabilität.

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Deutschland nicht mehr Primus
Preissteigerung in Prozent gegenüber Vorjahr


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