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Etikettenschwindel bei Mittelstandsanleihen

Marius Hoerner
Marius Hoerner
Der 22. Juli kennzeichnet für Privatanleger eine Zäsur. Neue Regulierungsvorschriften greifen, stellen den Markt der geschlossenen Fonds radikal auf den Kopf. Nun kommt ein neuer Trend auf die Anleger zu: Was Emissionshäuser bisher als geschlossene Fonds verkauft haben, bieten einige jetzt als Mittelstandsanleihen an. Im Prinzip nichts Schlechtes, aber Privatanleger können auf die falsche Fährte gelockt werden.

Wir werden künftig eine Vielzahl von neuen Anleihe-Modellen sehen. Investoren beteiligen sich an Schiffen oder Immobilien nicht mehr als Miteigentümer, wie das beim klassischen geschlossenen Fonds der Fall war. Stattdessen finanzieren sie die Projekte über eine Anleihe. Das ist zunächst keine schlechte Nachricht. Neue Produkte eröffnen neue Chancen.

Sie müssen sich natürlich verkaufen lassen. Was liegt da näher, als an einem etablierten Namen mit gutem Ruf anzuknüpfen? Man nenne die Finanzierung Mittelstandsanleihe, und schon kaufen die Anleger. Doch genau hier lauert eine Gefahr. Privatanleger stellen sich unter einer Anleihe meist einen Kredit an ein Unternehmen vor. Sie bekommen Zinsen, der Mittelständler tilgt die Anleihe nach der vereinbarten Zeit, und fertig.

Bei Projektfinanzierungen ist die Sache hingegen komplizierter. Ein Beispiel soll das zeigen: In Stuttgart will ein Immobilienentwickler die Bauphase des Projektes „Cloud Nr. 7“ über eine Anleihe finanzieren. Die Lage ist top, Steigenberger will langfristig den Hotelkomplex betreiben, die luxuriösen Wohneinheiten werden bereits vermarktet und die Anleihe erstrangig besichert. Klingt doch alles sehr gut.

Allerdings ist das genauso ein Beispiel für eine Projektfinanzierung, die in der Form bisher nur aus dem Bereich der geschlossenen Beteiligungen bekannt war. Für den Investor hat die Anleihe durchaus Vorteile: Er ist nicht an die Laufzeit eines geschlossenen Fonds gebunden, sondern kann das Wertpapier gegebenenfalls an der Börse verkaufen.

Institutionelle Investoren, also Profi-Anleger, schätzen solche Gelegenheiten. Ihre Spezialisten, die sich mit Projektfinanzierungen auskennen, können die Spreu vom Weizen trennen. Doch Privatanleger sind damit leicht überfordert, erkennen womöglich versteckte Haken nicht.

Bei der „Cloud Nr. 7“-Anleihe halten wir etwa den kalkulierten Risikopuffer von fünf Prozent für zu knapp bemessen. In der Bauphase darf es zu keinen größeren Störungen kommen, sonst drohen Nachfinanzierungen. Banken werden nur einspringen, wenn sie vorrangig besichert werden – dazu müssten die Anleihegläubiger zurücktreten. Oder die Anleihe wird aufgestockt. Das ist im Falle einer Projektfinanzierung definitiv kein Qualitätsmerkmal.

Das Beispiel zeigt: Die Projektfinanzierung durch eine Mittelstandsanleihe kann eine interessante Alternative zur geschlossenen Beteiligung sein – aber nur für Kenner der Materie. Privatanlegern raten wir zur Vorsicht. Cloud Nr. 7 ist ähnlich wie die Schiffsanleihe der Hamburger Reedereigruppe Rickmers nur ein Vorbote des neuen Trends. Beide sind gute Produkte. Für Privatanleger jedoch nur als Beimischung geeignet.

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