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EU-Gipfelergebnisse: „Kein großer Wurf“

Frank Engels
Frank Engels
Auf ihrem Treffen haben sich die Staats- und Regierungschefs auf einen flexibleren Einsatz der europäischen Rettungsschirme, eine Bankenaufsicht auf europaweiter Grundlage und Änderungen bei den Bankenhilfsprogrammen geeinigt. „Die Beschlüsse stellen einen Fortschritt bei der Bekämpfung der Symptome der Euroland-Krise dar“, meint Frank Engels, Leiter des Portfoliomanagements Renten von Union Investment. Aber die Ursachen der Krise lägen tiefer. So müssten in den Ländern Südeuropas tiefgreifende Strukturreformen ergriffen werden und ihre Wirkung entfalten. Einen endgültigen Durchbruch sieht Engels in den Gipfelergebnissen deshalb nicht.

Frage: Wie beurteilen Sie die Gipfelergebnisse?

Frank Engels: Die Beschlüsse gehen etwas über unsere Erwartungen hinaus. Vor dem Treffen war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Dafür war der Druck auf Spanien und Italien über steigende Finanzierungskosten am Kapitalmarkt einfach zu groß. Mit der Einigung auf den Einsatz der Rettungsschirme EFSF bzw. ESM zur Stabilisierung der Renditen für Staatsanleihen bei Problemländern ist die Währungsunion jetzt durch die Hintertür einen weiteren Schritt in Richtung gemeinschaftlicher Schulden gegangen. Das hilft den betroffenen Staaten, denn deren Finanzierungskosten dürften sich stabilisieren und kurzfristig vielleicht gar sinken.

Auch die Aussagen zu den Bankenhilfen in Spanien und Irland sollten zur Beruhigung der Finanzmärkte beitragen. Der Plan sieht vor, dass entsprechende Hilfsgelder der Rettungsschirme EFSF bzw. ESM künftig nicht mehr den Mutterländern der betroffenen Institute direkt zugerechnet werden. Damit würde die gesamtstaatliche Verschuldungsquote durch entsprechende Unterstützungszahlungen nicht mehr steigen, was wiederum die Rating-Einstufung der betreffenden Staaten stabilisieren könnte. Letztlich handelt es sich um eine Art Bilanztrick, der zur Entschuldungshilfe für Staaten führt, die ihren Bankensektor nicht mehr aus eigener Kraft sanieren können. Vor allem Spanien und Irland dürften davon profitieren, speziell wenn die Rating-Agenturen die heute beschlossenen Maßnahmen positiv bewerten sollten.

Schließlich hat man auch beim Thema Bankenunion erhebliche Fortschritte erzielt. Die Bankenaufsicht soll auf eine europaweite Grundlage gestellt und die Europäische Zentralbank (EZB) stärker einbezogen werden. Damit gibt es künftig im Euroraum einen zentralen Spieler bei der Kontrolle der Geldhäuser, und zwar mit einer gewichtigen Rolle für die Zentralbank. Nach der Währungsunion geht man jetzt den dringend erforderlichen Schritt hin zu einer Bankenunion und dokumentiert so den politischen Willen, enger zusammenzurücken und Finanzmarktrisiken einheitlich zu regulieren. Dadurch sollten mittel- bis langfristig die Finanzmarktrisiken transparenter werden und im Ausmaß sinken.

Frage: War der Gipfel der lang erwartete Durchbruch?

Engels: Nein, von einem Durchbruch möchte ich nicht sprechen. Ein Durchbruch ist erst dann erreicht, wenn die – in einigen Ländern leider erst teilweise ergriffenen – Strukturreformen die erhofften Wirkungen zeigen. Irland ist da ein gutes Stück weiter als beispielweise Italien. Speziell in Griechenland können wir nicht erkennen, dass die Ursachen der Krise nachhaltig adressiert worden sind. Trotzdem sind die Gipfelergebnisse ein moderater Fortschritt. Wichtig ist dabei insbesondere die Rolle der EZB. Die Politik hat den Währungshütern mit ihren Beschlüssen ein deutliches Signal gegeben, dass sie sich zum Euro bekennt, und dass sie die notwendigen Reformen zum Erhalt der Währung angehen will. Diese Botschaft ist in Frankfurt sicherlich angekommen, wodurch die EZB in Zukunft leichter agieren kann, ohne ihr Vertrauen und ihre Reputation an den Märkten aufs Spiel zu setzen. Entsprechend dürfte die EZB bei der nächsten Notenbanksitzung eine Zinssenkung vornehmen. Der Gipfel schafft also die Grundlage für eine aktive und zentrale Rolle der EZB bei der Stabilisierung des Finanzsystems der Eurozone, und das ist letztlich die ultimative Rückversicherung für die Peripherieländer und damit den Euro.

Frage: Kehrt an den Märkten jetzt Ruhe ein? Oder erwarten Sie weitere Stolpersteine?

Engels:
Kurzfristig dürften die Ergebnisse sicher zu einer Beruhigung an den Finanzmärkten beitragen. Aber es bleiben viele Punkte offen, etwa beim Thema politische Union oder Fiskalunion. Auch die Budget- und strukturellen Wirtschaftsprobleme in den Peripheriestaaten lösen sich nicht in Luft auf und werden uns weiter begleiten. Und was geschieht mit Griechenland, wo schon jetzt klar ist, dass das Land wohl eine neuerliche Finanzspritze brauchen wird? Zu guter Letzt bleibt das politische Risiko bestehen. Hier stellt sich die Frage, ob die Zustimmung für einen proeuropäischen Kurs der Politik in Ländern wie Italien und Spanien, aber auch in Deutschland, Finnland oder Österreich, in der Bevölkerung erhalten bleibt. Die anstehenden Wahlen in Italien und Deutschland sind daher eine Art Lackmustest.

Auch müssen die Gipfelbeschlüsse noch umgesetzt werden. Hier dürfte es einige Hürden geben, beispielsweise in den Geberländern. Denn die stärkere Vergemeinschaftung der Schulden geht zu Lasten der Bonität der starken Staaten. Auch wenn Deutschland sich bei der Frage der Konditionalität – Hilfe nur gegen Reformen – durchgesetzt hat, so leidet langfristig die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik. An den Märkten für Kreditausfallversicherungen konnte man diesen Effekt bereits in den vergangenen Wochen beobachten. Außerdem wird sich die Frage nach dem Umfang der europäischen Rettungsfonds stellen: Mehr Aufgaben beinhalten auch einen größeren Finanzbedarf. Irgendwann sind die vorhandenen Mittel aufgebraucht. Dann wird man nachschießen müssen. Ob und wie eine Aufstockung durchsetzbar ist, bleibt derzeit völlig offen.

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