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Vermögensverwalter kritisiert Nachhaltigkeitsverordnung EU-Taxonomie ist wenig praxistauglich

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Mehr als 2000 Seiten Nachhaltigkeits-Kriterien

Denn die bisher ausschließliche Fokussierung der Taxonomie auf den Umweltaspekt greift zu kurz. Das hängt damit zusammen, dass das Regelwerk noch gar nicht fertig ist. Bisher sind erst für die beiden Nachhaltigkeits-Bereiche „Eindämmung des Klimawandels“ und „Anpassung an den Klimawandel“ die Kriterien von der EU definiert. Allein das nimmt schon mehr als 500 Seiten in Anspruch. Doch noch immer fehlen die Nachhaltigkeits-Bereiche „Wasserressourcen“, „Kreislaufwirtschaft“, „Bekämpfung der Umweltverschmutzung“ und „Schutz der Ökosysteme“.

Gleichzeitig sind auch verschiedene Branchen wie Pharma oder Einzelhandel noch gar nicht erfasst. Schließlich fehlen auch noch die Kriterien für ein soziales Wirtschaften. Für eine gute Unternehmensführung sind sie nicht einmal geplant. Es ist zu befürchten, dass der Kriterienkatalog um weitere 2.000 Seiten wächst. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der schieren Masse viele der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, für die die Taxonomie gilt, an ihre Grenzen stoßen werden. Eine praktische Umsetzbarkeit sieht anders aus.  

Die meisten Firmen bleiben außen vor

Schon jetzt sind zahlreiche Firmen mit der Taxonomie überfordert. Die Unternehmensberatung PwC hat das Reporting von 50 Unternehmen aus dem Dax, MDax und SDax analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd. Von den insgesamt neun untersuchten Branchen wiesen nach Unternehmensangaben nur zwei einen durchschnittlichen Taxonomie-fähigen Umsatz von mehr als 50 Prozent auf. Und mit Automobil und Immobilien waren dies genau zwei der Bereiche, die zusammen mit der Energieerzeugung, der Industrie und der Landwirtschaft für das Gros der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Auf EU-Ebene fallen die Ergebnisse sogar noch deutlich schlechter aus.

 

Wenn sich Fondsmanager oder Vermögensverwalter tatsächlich an der Brüsseler Taxonomie orientieren, um „offiziell“ nachhaltige Investmentstrategien anzubieten, scheint es aktuell, als bliebe die Diversifikation auf der Strecke. Denn nicht nur die Taxonomie der EU ist bislang eher bruchstückhaft, sondern vielen Unternehmen fehlen auch noch die notwendigen Daten. Damit fallen sie durchs Raster, selbst wenn sie streng ESG-konform wirtschaften. Und das Anlageuniversum schrumpft und schrumpft, was zu einem stark erhöhten Risiko führt.

Und jetzt?

Trotzdem hat der Versuch der Brüsseler Bürokraten auch sein Gutes. Er rückt das Thema Nachhaltigkeit neben Risiko und Rendite in den Fokus. Doch welches Problem besteht im Moment? Es ist ein Vakuum entstanden: Unternehmen müssen ihr Nachhaltigkeitsengagement weiterentwickeln. Dies muss für die Finanzbranche sinnvoll messbar und vergleichbar sein und man muss gemeinsam Anlegern, die nachhaltig investieren wollen, ein verständliches Angebot machen. So weit ist es lange noch nicht. Klar ist: Bis dahin bietet bei nachhaltigen Investments weniger die EU-Taxonomie, sondern der gesunde Menschenverstand eine gute Entscheidungsgrundlage.

Über den Autor:
Andreas Kitta ist Geschäftsführer beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg.

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