Wachtendorf-Kolumne EU-Taxonomie: Transparenz wie bei Mutti Fröhlich
Neulich war ich auf einem etwas anderen Bauernhof. Bunte Bentheimer Schweine und Pinzgauer Rinder statt konventioneller Massenproduktion, das alles garniert mit einer guten und vor allem wahren Story, die zu erzählen sich lohnt: Um die Welt jettender Flugbegleiter findet in einem Landwirt aus dem Oldenburgischen die Liebe seines Lebens, zieht zu ihm in die Provinz und haucht dessen fast schon stillgelegtem Familienbetrieb neues Leben ein. „Mutti Fröhlich rockt den Hof“ hat der NDR eine eigens dazu gedrehte TV-Reportage durchaus treffend betitelt.
Was Michael „Mutti“ Fröhlich und Ehemann Stefan Schmidt im Wardenburger Ortsteil Westerburg von den Betreibern anderer Höfe unterscheidet, ist nicht nur ihre besondere Liebesgeschichte. Auch nicht der bewusst nachhaltige und empathische Umgang mit den von ihnen gehaltenen Tieren – der mag zwar längst noch nicht die Regel sein, findet sich andernorts aber ebenfalls. Meistens etikettiert mit dem staatlichen Bio-Siegel oder dem Label eines privaten Anbieters von Bioland über Demeter bis Naturland. Eine solche Zertifizierung der ausschließlich über den eigenen Hofladen vermarkteten Produkte lehnen Fröhlich und Schmidt allerdings konsequent ab. Sie sei teuer und sage letztlich wenig über Fleischqualität und Haltung aus. „Wir möchten selber entscheiden, was das Beste für unsere Schweine, Rinder und Schafe ist“, bringt es Fröhlich bei seinen regelmäßigen Führungen auf den Punkt.
Von diesem Statement den Bogen zu Fonds zu schlagen, ist keine große Kunst. Denn darüber, was ein nachhaltiges Investment auszeichnet, reden sich Politiker, Naturschützer und Beamte seit Jahren die Köpfe heiß. Wie in der Landwirtschaft gibt es dabei sinnvolle und weniger sinnvolle, passende und weniger passende Anforderungen und Meinungen. Was davon die Welt wirklich zu einem besseren Ort macht, ist vielfach Ansichtssache. Dass jede Zertifizierung und jedes Öko- oder ESG-Label das jeweilige Produkt am Ende verteuert, steht jedoch außer Frage.
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Letzteres gilt übrigens nicht nur für die Verpackung, sondern oft auch für den Inhalt. Denn sieht sich ein Fondsmanagement-Team gezwungen, bestimmte Zertifizierungs-Vorgaben zu erfüllen, verzichtet es zwangsläufig auf Chancen. Nirgendwo lässt sich das besser beobachten als im Energiesektor. So weist der unter anderem aus klassischen Öl-Unternehmen wie Exxon Mobil, Shell oder BP gebildete MSCI World Energy Index momentan ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9 und eine Dividendenrendite von 3,6 Prozent auf. Beim MSCI World Alternative Energy Index mit ungleich beliebteren Mitgliedern wie Vestas Wind oder First Solar zahlen Anleger hingegen das 38-fache der erwarteten Gewinne bei einer Dividendenrendite von nur 1,5 Prozent. Ein Gefälle, das sich auch in der Kursentwicklung zeigt: BP liegt seit Anfang 2023 mit 10 Prozent im Plus, Vestas Wind mit 26 Prozent im Minus (Stichtag 30. Oktober).
Obwohl BP Milliardensummen investiert, um den Anteil klimafreundlicher Erträge am Umsatz-Mix zu steigern, dürfte das Unternehmen für viele Anleger ein No-Go-Investment bleiben. Aber: Braucht es dafür wirklich zwingend ein System wie die EU-Taxonomie-Verordnung, die in ihren Bestimmungen weder allgemein anerkannte Ausschlusskriterien definiert noch bereits absehbare Entwicklungen berücksichtigt?
Zurück zu Michael Fröhlich und Stefan Schmidt nach Westerburg. Potenzielle Kunden können das Landwirts-Ehepaar jederzeit unangemeldet besuchen, um sich von den Haltungsbedingungen in seinen Ställen zu überzeugen. Größtmögliche Transparenz statt teurer Zertifizierung – ein Weg, den in der Fondsbranche neben dem Gesetzgeber auch die Anbieter leider noch viel zu selten beschreiten.