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Von Lesedauer: 10 Minuten
Wahlunterlagen mit Stimmzettel
Wahlunterlagen mit Stimmzettel: Etwa acht von zehn Befragten sind der Ansicht, dass die Bedeutung dieser Wahlen höher ist als in der Vergangenheit. | Foto: Imago Images / Bihlmayerfotografie

Die nach Indien zweitgrößte demokratische Abstimmung der Welt steht kurz bevor. An vier Tagen im Juni werden über 350 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments bis zum Jahr 2029 entscheiden. Etwa 20 Millionen davon werden Erstwähler sein (Quelle: „European elections 2024: People eligible to vote.“ Eurostat, 4. April 2024). Wir scheinen an einem Wendepunkt zu stehen; die Mehrheit der Bevölkerung erklärt, dass sie das Vertrauen in die traditionellen, etablierten politischen Parteien verloren habe und einen Wandel wünsche.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt?

Aus der letzten Eurobarometer-Umfrage, durchgeführt im Zeitraum Februar 2024 bis März 2024, geht hervor, dass den Wählern die folgenden Themen am meisten am Herzen liegen:

  • Bekämpfung der Armut und gesellschaftlichen Ausgrenzung (33 Prozent)
  • Unterstützung des Gesundheitswesens (32 Prozent)
  • Wirtschaftsförderung und Schaffung neuer Arbeitsplätze (31 Prozent)
  • Verteidigung und Sicherheit der EU (31 Prozent)
  • Maßnahmen gegen den Klimawandel (27 Prozent)

Die enge Verflechtung dieser Themen ist frappierend. In dieser Legislaturperiode werden die Themen Verteidigung und Sicherheit immer wichtiger, vor allem angesichts des zunehmend willkürlichen und erbitterten Krieges Russlands gegen die benachbarte Ukraine. Etwa acht von zehn Befragten sind der Ansicht, dass die Bedeutung dieser Wahlen höher ist als in der Vergangenheit. Besonders auffällig ist der einheitliche Wunsch, die Position der EU in der Welt zu stärken, wobei Verteidigung (37 Prozent), Nahrungsmittelsicherheit (30 Prozent) und Energiesicherheit (30 Prozent) die drei wichtigsten Themen sind.

Ein Parlament mit einer Tradition der rechten Mitte trifft auf Populisten

Seit Bestehen der EU wird das Europäische Parlament meist von einem Bündnis zwischen den beiden größten Fraktionen, der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) und der Europäischen Volkspartei (EVP), regiert. Beide Fraktionen sind in der politischen Mitte angesiedelt. Bei den zwei vorangegangenen Wahlen haben sie an Rückhalt verloren, und es wird damit gerechnet, dass sie im Juni noch mehr Stimmen einbüßen. In einer Welt, die von den Schockwellen der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der plötzlichen, drastischen Anhebung der Zinssätze zur Bekämpfung der galoppierenden Inflation heimgesucht wurde, finden auch weniger bekannte Populisten einen Nährboden für ihre Propaganda.

Die gemäßigten Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sind äußerst russlandfeindlich, vertreten eine harte Linie in der Einwanderungspolitik und lehnen Pläne für einen einheitlicheren und geschlosseneren „föderalen" europäischen Staat ab. Dennoch arbeiten sie mit den Parteien der Mitte zusammen. Die jüngere und aufstrebende Fraktion Identität und Demokratie (I&D) ist offenbar eher Russland und China zugeneigt, steht Brüssel skeptisch gegenüber und wird sich allem Anschein nach weniger konstruktiv an der Gestaltung der EU-Politik beteiligen.

In der Praxis wird viel von der endgültigen Ausrichtung der neuen Akteure abhängen. Die EVP wird wahrscheinlich die stärkste Partei bleiben, sodass sie auch weiterhin die Politik bestimmen und einen starken Einfluss auf die Besetzung der Regierungsämter haben dürfte.

Die Zusammensetzung des EU-Parlaments lässt (laut Umfrageprognosen) auf deutliche Zugewinne der I&D-Fraktion schließen, die aus der Alternative für Deutschland (AfD) und des Rassemblement National (RN) unter Führung von Marine Le Pen besteht. Es wird damit gerechnet, dass die Fraktion im Juni statt der jetzt 58 Sitze 98 Sitze gewinnen wird, und zwar auf Kosten der Grünen und der Renew-Partei (Quelle: European Council on Foreign Relations (ECFR), Positionspapier, 23. Januar 2024). Dies entspricht 13,6 Prozent der Gesamtzahl der Sitze, was zwar nicht ausreicht, um die Politik zu bestimmen, aber möglicherweise genügt, um politische Entscheidungen zu blockieren oder zu verschleppen.

 

Was bedeutet diese neue rechte Welle in Europa für Anleger?

Im Grunde gibt es drei große rechte Parteien in Europa: die deutsche AfD, das französische RN und die Fratelli di Italia (die „Brüder Italiens“). Alle drei verbindet eine ausdrückliche Ablehnung von Einwanderern und des Islams, ein ausgeprägter und offensiver Nationalismus, eine Abneigung gegen jeglichen vermeintlichen „Föderalismus“ im Rahmen der EU und eine Vorliebe für eine autoritäre Staatsführung. Allerdings sind sie jeweils Geschöpfe ihres eigenen innenpolitischen Ökosystems. Sie sind nicht identisch, nicht aufeinander abgestimmt und geraten nicht selten in Konflikt miteinander.

Die Fratelli di Italia sind eine „nationale“ Partei, die sowohl im Norden als auch im Süden ihres Landes Anklang findet. Dank dieser breiten Unterstützung konnte Giorgia Meloni eine Koalitionsregierung in Italien bilden und führen. Sie setzt sich entschieden für die Ukraine ein und hat die Beteiligung ihres Landes an der chinesischen „Belt and Road Initiative“ aufgekündigt. Ihre Regierung zeigt sich zwar in Bezug auf die Grenzkontrollen überaus beharrlich, pflegt aber konstruktive Beziehungen zu Brüssel.

Das RN ist nach wie vor auf seine traditionellen Hochburgen im als „Rostgürtel“ bezeichneten industriellen Norden und Osten Frankreichs angewiesen, hat aber inzwischen auch im Süden und an der Mittelmeerküste an Bedeutung gewonnen und ist nun die größte Oppositionspartei im Parlament. Innerhalb der Partei gab es schon immer eine starke russlandfreundliche Tendenz, die möglicherweise durch einen ausgeprägten Anti-Amerikanismus bedingt ist, der die Partei seit den Anfängen im Jahr 1972 prägt. Der russische Einmarsch in die Ukraine hat Le Pen und ihre Partei auf dem falschen Fuß erwischt und dazu gezwungen, schnell die Rückendeckung für Moskau herunterzuschrauben. Im September 2023 gab sie bekannt, dass die Partei ihre Restschulden bei russischen Kreditgebern beglichen habe, da diese zu einer politischen Bürde geworden waren.

Der AfD mangelt es an einer breiten nationalen Unterstützung in Deutschland. In Bezug auf die Regierungsführung ist sie die schwächste der drei Parteien, ihre Parteispitze wechselt häufig und ihre Anhängerschaft konzentriert sich auf das ehemals kommunistisch regierte Ostdeutschland. Der deutsche Verfassungsschutz stuft Teile der Partei als „verfassungsfeindliche“ Extremisten ein (Quelle: „Germany’s domestic secret service battles far-right AfD“, Deutsche Welle, 10. März 2024). Somit ist eine Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene kaum möglich, weshalb das EU-Parlament das ideale Betätigungsfeld wäre. Die Vorstellungen der Partei reichen vom Austritt aus der EU über die Abschiebung von Ausländern und im Ausland geborenen Deutschen bis hin zur Aufkündigung der Unterstützung für die Ukraine und dem Ausbau der Beziehungen zu Peking.

Sowohl gegen die AfD als auch gegen das RN wurden immer wieder Ermittlungen hinsichtlich ihrer Verbindungen zu China und Russland eingeleitet. Im April 2024 wurde ein Chinese von den deutschen Behörden unter dem Verdacht der Spionage für Peking festgenommen. Er war ein Mitarbeiter von Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD für die Wahlen zum EU-Parlament.

Und mit welchem Ergebnis ist zu rechnen?

Die „große Koalition“ aus EVP und S&D wird (voraussichtlich) immer noch 42 Prozent der Sitze haben (derzeit 45 Prozent), und wenn sie mit der RN-Fraktion kooperiert, käme sie auf 54 Prozent (Quelle: European Council on Foreign Relations (ECFR), Positionspapier, 23. Januar 2024). Die Parlamentsmehrheit stünde rechts der Mitte. Größere Spannungen zwischen Brüssel und den Regierungen der Mitgliedstaaten könnte es unter anderem in Umweltfragen geben, wo sich die neue Mehrheit wahrscheinlich gegen umfassende EU-Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels aussprechen wird. Wir rechnen damit, dass die Bereiche Bürgerrechte, Justiz und Inneres auf die Länderebene verlagert werden, und dass der Schwerpunkt auf der Umsetzung einer restriktiveren Einwanderungspolitik zu einer Überarbeitung des EU-Asylrechts führen wird. Dies wäre ein Sieg für die neuen Populisten, der es den einzelnen Ländern erlauben würde, ihre eigenen Quoten für Flüchtlinge festzulegen.

Welche Auswirkungen hat das nächste EU-Parlament auf die Anleger?

Es steht zu erwarten, dass die Versuche, die einzelnen Regierungen bei der Einhaltung von Steuervorschriften und sogar bei der Justizreform auf Kurs zu halten, deutlich nachlassen werden, wie es in Ungarn der Fall war. Außerdem könnte es auf der Ebene der einzelnen Regierungen zu einer spürbaren Abschwächung der bestehenden Bestrebungen zur Förderung einer umweltfreundlichen Wirtschaft kommen, und zwar zugunsten der Interessen des ländlichen Raums und der Landwirtschaft. Man sollte sich darauf einstellen, dass noch mehr Versuche unternommen werden, große Technologieunternehmen unter Druck zu setzen.

Dieses Szenario erscheint uns überraschend gut für Investoren. Der gesamte Haushalt und die Haushaltsführung werden wahrscheinlich weiterhin stabil sein. Der Handel dürfte nach wie vor Priorität haben, auch wenn der Prozess des „Risikoabbaus“ gegenüber China weiter voranschreitet. Die europäischen Unternehmen dürften eine deutlichere Unterstützung durch die EU erfahren, insbesondere was den Schutz vor vermeintlich unfairen Wettbewerbern wie China betrifft. Wir erwarten, dass das neue Parlament der Landwirtschaft, der Fischerei, der ländlichen Entwicklung, der industriellen Entwicklung und der Forschung Priorität einräumen wird.

Aus unserer Sicht muss eine Zeit, in der die Fähigkeit zur Durchsetzung gemeinsamer Vorschriften in den Bereichen Wirtschaft, Steuern und Regulierung eingeschränkt ist, langfristig kein strukturelles Problem darstellen. In vier Jahren könnte das Pendel wieder umschlagen!

 

Dies ist eine Marketingmitteilung. Bitte lesen Sie vor jeder abschließenden Anlageentscheidung den Verkaufsprospekt des OGAW und das Basisinformationsblatt (BiB).

Alle Anlagen sind mit Risiken verbunden, ein Verlust des Anlagekapitals ist möglich. Der Wert von Anlagen kann fallen oder steigen, und Anleger erhalten möglicherweise nicht den vollen Anlagebetrag zurück. Anleihenkurse entwickeln sich im Allgemeinen gegenläufig zu den Zinsen. Wenn sich also die Anleihenkurse in einem Investmentportfolio den steigenden Zinsen anpassen, kann der Wert des Portfolios sinken. Veränderungen der Bonitätsbewertung einer Anleihe oder der Bonitätsbewertung oder Finanzkraft des Emittenten, Versicherers oder Garantiegebers der Anleihe können sich auf deren Wert auswirken.

 

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