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EU-Wiederaufbaufonds Neubewertung europäischer Assets steht bevor

Emmanuel Macron und Angela Merkel: In der Corona-Krise rücken Deutschland und Frankreich wieder enger zusammen und machen mit der EU einen Schritt in Richtung Fiskalunion.
Emmanuel Macron und Angela Merkel: In der Corona-Krise rücken Deutschland und Frankreich wieder enger zusammen und machen mit der EU einen Schritt in Richtung Fiskalunion. | Foto: imago images / Hans Lucas

Für einen Investor in der Eurozone gab es in den letzten 10 Jahren nur wenige Lichtblicke. Kaum war die Finanzkrise überstanden, schlitterte die Region in die von Griechenland ausgelöste Eurokrise. Ohne das entschlossene Eingreifen der EZB („whatever it takes“) wäre sie wahrscheinlich schon Geschichte. Neidisch blickt man in die USA, wo die FED und trotz mancher Kritik auch die Regierungen Obama und Trump für wirtschaftlichen Aufschwung und steigende Börsen sorgten.

Als jetzt Europa mit voller Wucht von der Corona-Pandemie getroffen wurde, fühlte man sich erneut an die dunkelsten Stunden in der Finanz- oder Eurokrise erinnert. Die Eurozone schien angesichts der Probleme der südeuropäischen Länder wieder einmal in ihrer Existenz bedroht. Erneut musste die EZB mit Anleihekäufen und Kreditprogrammen aushelfen, ohne aber das seit Jahren schwelende Transferproblem zwischen dem wohlhabenden und sparsamen Norden und dem armen und „ausgabefreudigen“ Süden an der Wurzel zu packen. Da hat auch die deutliche Bilanzverlängerung auf mittlerweile 5.700 Milliarden Euro wenig geholfen.

EZB wird ein wichtiger Nachfrager sein

Aber Politiker sind offensichtlich lernfähiger, als ihnen vielfach zugetraut wird. Der deutsch-französische Vorschlag eines EU-Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie wurde dankbar von der EU-Kommission aufgegriffen und soll sogar von dem ursprünglich geplanten Volumen von 500 Milliarden Euro auf 750 Milliarden Euro aufgestockt werden. Der Clou ist aber, dass dieser Fonds über die Ausgabe von Anleihen und nicht mehr über das EU-Budget finanziert wird, d.h. die EU tritt als eigenständiger Emittent auf und nicht mehr nur die einzelnen Mitgliedstaaten. Der Einstieg in eine „Fiskalunion light“ ist damit vollzogen. Klärungsbedarf gibt es noch über die Verteilung der Mittel und die Vergabekriterien (Kredite oder Zuschüsse). Die gemeinschaftliche Finanzierung und Haftung stehen aber nicht in Frage.

Neben vielen international ausgerichteten Anlegern wie Staatsfonds, Pensionskassen, aber auch ausländische Notenbanken wird die EZB ein wichtiger Nachfrager nach diesen Anleihen sein. In diesem und dem nächsten Jahr wird sie wahrscheinlich bis zu 2.000 Milliarden Euro an Anleihen kaufen, davon etwa 1.500 Milliarden Euro Staatsanleihen. Diese Summe reicht aus, um das erwartete Budgetdefizit aller Mitgliedsländer für die Jahre 2020 und 2021 zu „monetisieren“. Die Ergänzung des monetären Transfersystems über die EZB durch eine Fiskalunion eröffnet erstmals seit 2010 eine wirkliche Chance, den Risikoaufschlag für europäische Assets, der die Furcht vor einem Zerfall der Eurozone widerspiegelt, nachhaltig zu reduzieren.

Positiv für die Bewertung aller europäischen Assets

Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone und in noch stärkerem Ausmaß die Kurse europäischer Aktien hinter den USA und Asien zurückgeblieben sind. Die Erwartungen und die Aktienquoten sind jeweils gering, die Kurse dementsprechend günstig. Also insgesamt ein idealer Nährboden für eine Aufholbewegung gegenüber der restlichen Welt. Europäische Assets sind reif für eine Neubewertung.

Eine weniger krisenanfällige Eurozone wird sich prinzipiell positiv auf die Bewertung aller europäischen Assets auswirken. Besonders werden aber die Anlageklassen profitieren, bei denen die Auswirkungen eines Zerfalls der Eurozone bisher als besonders gravierend eingeschätzt wurden, d.h. Aktien und Anleihen aus Südeuropa, Finanzwerte und konjunkturabhängige, stark auf Europa fokussierte Sektoren, die typischerweise aus dem „Value“-Segment stammen.

Value-Aktien sind seit der Finanzkrise deutlich hinter der Entwicklung des Gesamtmarktes zurückgeblieben. Eine nachhaltige Gegenbewegung hängt allerdings auch an der Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds (vgl. Grafik 1). Da die Aussichten aber selten so unklar waren wie heute – die Economic Surprises haben sich zwar von ihrem historischen Tief gelöst, die Erholung ist aber zum Stillstand gekommen – gibt es attraktivere Investitionsmöglichkeiten.

Versicherungen mit bestem Risiko-/Ertragsprofil im Aktienmarkt

Besonders der Finanzsektor hat es uns angetan, vor allem Aktien von Versicherungen und (Nachrang-) Anleihen von Banken.

Grafik1: Ohne stabilen Konjunkturaufschwung keine Outperformance von Value

Im Gegensatz zu den meisten Banken haben Versicherungsunternehmen wie die Allianz oder Axa ein stabiles und auch zukunftsträchtiges Geschäftsmodell und leiden auch weniger stark unter den Negativzinsen der EZB. Das spiegelt sich auch in dem erwarteten Rückgang der Unternehmensgewinne in diesem Jahr wider, der für den Banksektor in der Eurozone bei etwa -60 Prozent, bei Versicherungen aber „nur“ bei -22 Prozent liegen wird. Gleichzeitig sind auch die Dividendenzahlungen der Versicherungen wesentlich weniger von aufsichtsrechtlichen Kürzungsvorgaben betroffen. Sie werden wahrscheinlich um 6 Prozent zurückgehen, die der Banken aber wahrscheinlich parallel zu den Gewinnen um 60 Prozent (vgl. Tabelle).

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Wegen des weniger dramatischen Einbruchs haben Versicherungen auch wesentlich bessere Chancen, schneller das Gewinnniveau von 2019 zu erreichen und das bei annähernd gleicher Bewertung wie der Banksektor.

Tabelle: Gewinnrückgang und Dividendenkürzungen bei Banken viel dramatischer als bei Versicherungen

Banken sind attraktive Schuldner

Da der Wiederaufbaufonds mutmaßlich Südeuropa, vor allem Italien und Spanien, zugutekommen wird, werden die Risikoaufschläge für die dortigen Staatsanleihen signifikant zurückgehen, wobei Italien sicherlich das größte Potential hat. Gleichzeitig wird sich diese Entwicklung auch auf die Aktienkurse von Finanzwerten und auf deren Anleihen positiv auswirken.

In diesem Zusammenhang halten wir die Nachranganleihen (sog. AT1-Anleihen) ausgewählter Banken aus der Eurozone für besonders attraktiv. Deren Risikoaufschläge sind im März aus Furcht vor der kommenden Rezession massiv angestiegen, verstärkt durch die mangelnde Liquidität in den Anleihemärkten per se, die sich aber mittlerweile dank des Eingreifens der EZB wieder verbessert haben. Bei den Nachranganleihen kam noch hinzu, dass die Finanzaufsicht die Zahlung von Coupons verhindern bzw. sogar die Umwandlung in Aktienkapital anordnen könnte.

Grafik 2: Die Korrelation zwischen Bankaktien und AT1-Anleihen ist relativ hoch ...

Da AT1-Anleihen in der Kapitalstruktur zwischen Fremd- und Eigenkapital stehen, haben sie eine relativ hohe Korrelation zu der Entwicklung der Aktienkurse der Emittenten (vgl. Grafik 2). Geht man davon aus, dass der Rückgang der Risikoaufschläge für Staatsanleihen aus Südeuropa den Kursen der Bankaktien einen Schub geben wird, profitieren auch die genannten Anleihen.

Dabei haben sie aber einen entscheidenden Vorteil: Die Finanzaufsicht hat alle Banken in der Eurozone im Zuge der Corona-Krise aufgefordert, ihre Dividendenzahlungen zu kürzen bzw. zu streichen. Damit fällt ein wesentlicher Anreiz zum Kauf von Bankaktien weg. Gleichzeitig stärkt diese Maßnahme aber die Eigenkapitalposition und schafft mehr regulatorischen Spielraum zur Bezahlung der AT1-Coupons. Dies ist eine wichtige Entlastung, da der Eigenkapitalpuffer seit dem Jahreswechsel kontinuierlich geschrumpft ist und auch im weiteren Jahresverlauf unter Druck bleiben wird. Wir sind allerdings überzeugt, dass das Risiko-/Ertragsverhältnis ausgewählter AT1-Papiere deutlich attraktiver als bei Bankaktien ist und sich auch die wesentlich bessere Wertentwicklung in diesem Jahr weiter fortsetzen wird (vgl. Grafik 3).

Grafik 3: … aber die Wertentwicklung ist besser und vor allem stabiler

Fazit

Den EU-Wiederaufbaufonds sehen wir als Katalysator für den Einstieg in eine Fiskalunion. Das seit 2011 inhärente sogenannte „Tail-Risk“ des Zerfalls der Eurozone wird sich systematisch verringern. Zwar wird Italien immer wieder mit der Drohung eines Austritts „kokettieren“. Nichtsdestoweniger haben die Risikoaufschläge für Anleihen und Aktien aus der Eurozone die neuen Entwicklungen noch nicht nachhaltig eingepreist. Unter Risiko-/Ertragsaspekten erscheinen uns Aktien von Versicherungskonzernen (Allianz, Axa) und Nachranganleihen von Finanzinstituten (Deutsche Bank, Santander, Intesa) am attraktivsten.

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