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EuGH-Urteil zur französischen Quellensteuer: Schwere Zeiten für inländische Fonds

Pascal Schultze
Pascal Schultze
In Frankreich werden auf Dividendenzahlungen an ausländische Fonds Quellensteuern erhoben, während französische Fonds steuerbefreit sind. Deshalb stellten ausländische Fonds eine Vielzahl von Erstattungsanträgen, die der französische Fiskus in der Vergangenheit abgewiesen hat. Dies führte zu Massenklagen vor französischen Gerichten, die den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung ersucht haben. Der EuGH hat nun mit Urteil vom 10. Mai 2012 in den Sachen C 338/11 bis C 347/11 die Erhebung einer Quellensteuer auf Dividendenzahlungen an ausländische Fonds für unzulässig erklärt.

Geklagt hatten 10 belgische, deutsche, spanische und US-amerikanische Investmentfonds, die von einer Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft verwaltet werden. Sie richteten sich dagegen, dass nach der französischen Steuerregelung Dividenden, die an nicht in Frankreich ansässige Fonds ausgeschüttet werden, einer Quellensteuer von 25 Prozent unterliegen, während solche Dividenden nicht besteuert werden, wenn sie an französische Fonds ausgeschüttet werden. Dies sei eine Diskriminierung im Hinblick auf die vom Unionsrecht gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit.

Zwar können Mitgliedstaaten der EU Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Daraus dürfe aber keine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs erwachsen. Der Argumentation schloss sich der EuGH an.

Bei den 10 der Entscheidung zugrunde liegenden Fällen handelte es sich um ausgewählte Musterfälle, die das zuständige Tribunal administratif de Montreuil dem EuGH vorgelegt hat. Insgesamt liegen dem Finanzgericht Montreuil rund 4.000 gleichlautende Klagen vor. Ferner liegen noch über 10.000 Erstattungsanträge ausländischer Fonds beim Fiskus in Bearbeitung. Das streitige Erstattungsvolumen ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, samt Verspätungszinsen könnte es rund 4 Milliarden Euro betragen.

Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht nach der Entscheidung des EuGH die Massenklagen bearbeiten wird und inwieweit der Fiskus mit Bezug auf Formmängel und Forderung von Belegen versuchen wird, die Erstattungen zu begrenzen. In einem nächsten Schritt zur Klärung der Situation und Abstimmung über das weitere Vorgehen wird es am 14. Juni 2012 einen Termin mit Vertretern der Verwaltung und den Anwälten der Hauptantragsteller geben.

Der französische Gesetzgeber hat nun verschiedene Möglichkeiten, mit einer Gesetzesänderung auf das EU-Urteil zu reagieren: Entweder wird es für ausländische Fonds günstiger oder für inländische Fonds ungünstiger. Denkbar wäre aber auch, dass der französische Gesetzgeber es bei der bestehenden Regelung belässt und der Fiskus ausländischen Fonds auf Antrag die Quellensteuer erstattet.

In Fachkreisen wird erwartet, dass die unzulässige Diskriminierung ausländischer Fonds wahrscheinlich eher über eine generalisierte Besteuerung der inländischen Fonds behoben wird, als durch eine Befreiung von der Quellensteuer für ausländische Fonds.

Für die Praxis ist von Bedeutung, dass allen Dividendenempfängern, die noch Quellensteuer-Erstattungsanträge stellen möchten, durch das Urteil eine neue Frist eingeräumt wird. Ansonsten wären Erstattungsansprüche aus der Zeit vor 2011 bereits verjährt. Gemäß Artikel 190 des Livre des Procédures Fiscales können nun Anträge für den vorangegangenen Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 geltend gemacht werden.


Zum Autor: Pascal Schultze ist Rechtsanwalt und Partner von GGV Grützmacher Gravert Viegener in Paris. Er berät Unternehmen und institutionelle Anleger aus deutsch- und englischsprachigen Ländern im französischen Steuerrecht.

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