Vishal Hindocha: Shari, könnten Sie bitte einen kurzen Überblick über Ihren Werdegang geben?

Shari Friedman

Shari Friedman: Schon als junge Frau war ich sehr an Politik interessiert, sodass ich in den 1990er-Jahren in eine US-Umweltschutzbehörde eintrat und mich mit dem Klimawandel beschäftigte. Dann wurde ich Mitglied des Verhandlungsteams für Kyoto, was wirklich sehr spannend war. Dann wechselte ich ins Finanzwesen und begann, im Bereich Private Equity zu arbeiten, eine ebenfalls faszinierende Tätigkeit. Anschließend war ich für einen Vermögensverwalter tätig, arbeitete für eine Entwicklungsbank, die International Finance Corporation. Und mit der Eurasia Group schloss sich der Kreis zurück zur Politik, wo ich all diese verschiedenen Aspekte einbringen kann. Und, ganz nebenbei gesagt, als blutjunge Frau gründete ich ein Biodiesel-Unternehmen – ich begann, Biodiesel in meinem Garten herzustellen.

Hindocha: Wie bitte?

Friedman: Ich kaufte einen gebrauchten VW, und mein Nachbar und ich beschlossen, Biodiesel im Hof hinterm Haus herzustellen. Ganz einfach zu machen, dachte ich. Aber es ist eine ziemliche Drecksarbeit, man ist von oben bis unten mit Öl bedeckt. Und doch war das absolut interessant, wenn man sich fragt: Warum fahren unsere Busse und der städtische Fuhrpark mit dem althergebrachten Diesel? Jeder sollte einfach sein im Haushalt anfallendes Altöl sammeln, etwas Lauge und Methanol hinzufügen und schon können die Busse mit lokal erzeugtem Diesel unterwegs sein. Ich gründete ein Unternehmen namens SmartFuel und tat mich mit weiteren Begeisterten zusammen. Bald darauf starteten wir ein Pilotprojekt in Philadelphia. Doch dann habe ich zwei Kinder bekommen und war anderweitig schwer eingebunden.

Hindocha: Ihr offizieller Titel lautet Managing Director of Climate and Sustainability bei der Eurasia Group. Worauf konzentrieren Sie sich? Was sind die Themen, die Ihr Interesse wecken?

Friedman: Es gibt verschiedene Trends, die sich durch alle Volkswirtschaften ziehen, darunter Lieferketten, Energie, Geotechnologie sowie Klima und Nachhaltigkeit. Bei Klima und Nachhaltigkeit schauen wir uns aktuelle Trends sowie kommende Vorschriften und Maßnahmen an und schätzen ab, wie sich diese auf die Unternehmen auswirken werden. Viele dieser Trends sind im Grunde genommen nicht politisch: Sie, Vish, stehen im Zentrum eines dieser Trends, nämlich der Finanzmärkte und ihrer Interaktion mit Klima und Nachhaltigkeit. In unserer Arbeit bei der Eurasia Group befassen wir uns mit den Umwelttrends, die für unsere Kundenunternehmen von großer Bedeutung sind.

 

Hindocha: Könnten Sie das am Beispiel näher erläutern?

Friedman: Im Fokus der Eurasia Group stehen das Klima und die biologische Vielfalt. Plastik ist ebenfalls ein großes Thema, auf das die Menschen in Zukunft verstärkt achten müssen; auch hier wird der Gesetzgeber tätig werden. Das Thema Wasser betrachten wir gesondert, aber es gibt auch hier Überschneidungen mit fast allen anderen Bereichen. Die Auswirkungen des Klimawandels haben Auswirkungen auf das Wasser, die biologische Vielfalt hat Auswirkungen auf das Wasser. Bei der Herstellung von Kunststoffen wird gleichermaßen Wasser verbraucht. In diesem Zusammenhang befassen wir uns mit Klima- sowie mit Umweltprozessen im Allgemeinen. Sie wirken sich auf die Unternehmen aus, wodurch diese sie genau im Blick haben müssen.

Vishal Hindocha

Hindocha: MFS Investment Management ist entschieden langfristig ausgerichtet und nimmt beim Investieren eine Bottom-up-Perspektive ein. Uns interessieren Unternehmen, Institutionen und volkswirtschaftliche Entwicklungen, die wir jeweils genau analysieren. Wenn wir ein Rohstoff- oder Energieunternehmen genauer in den Blick nehmen, braucht es stets ein gewisses Maß an Verständnis dafür, wohin sich die globalen Märkte und die globale Politik entwickeln.

Shari, ich bin vor diesem Hintergrund sehr an Ihrer Meinung zum Thema Plastikverbrauch interessiert. Wir setzen uns mit dieser Thematik im Detail auseinander: Wir haben einen großen Anteil von Verbrauchermarken im Portfolio, bei denen Plastikverarbeitung eine große Rolle spielt.

Friedman: Wir haben zwischen 2019 und 2021 in dieses Thema eine Menge Arbeit gesteckt. Wir wollen die Rolle von neu hergestelltem Kunststoff gegenüber recyceltem Kunststoff besser verstehen: Wie oft kann man recyceltes Plastik verwenden? Welche Rolle spielt das chemische Recycling im Vergleich zu anderen Arten des gemischten Recyclings? Wann ist Recycling kosteneffizient, wann nicht?

Wir wollen diese Portfoliorisiken verstehen. Wir analysieren, was die Fragestellung für den Markenwert des Unternehmens bedeuten könnte und was sich möglicherweise tun lässt, um der Zeit voraus zu sein. Wenn ein internationales Kunststoffabkommen in Kraft tritt, das die Kosten in die Höhe treibt, wollen wir beispielsweise wissen: Wie fragil wird die Lieferkette bestimmter Unternehmen?

Unsere Analysearbeit soll unseren Kunden Vorteile beim Investieren verschaffen. Wir denken daher darüber nach, wie wir Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten und exakte Einblicke bekommen. Wir suchen daher das Gespräch mit großen Verbrauchermarken, mit Unternehmen der Abfall- und Recyclingwirtschaft und mit Verpackungsherstellern. Wir wollen die gesamte Lieferkette verstehen, um herauszufinden, wo Probleme auftreten könnten.