Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Weshalb Trumps Handelspolitik die Inflationsrisiken nur kurzfristig dämpft

Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Welche Auswirkungen die Trump’sche Handels- und Wirtschaftspolitik auf die Eurozone hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Stand heute überwiegen mit Blick auf die Konjunktur jedoch eindeutig die negativen Vorzeichen. Selbst wenn ein Teil der angekündigten US-Strafzölle (auf Importe aus der Eurozone) wieder einkassiert wird, dürften die Handelsbarrieren am Ende höher liegen als vor...
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Welche Auswirkungen die Trump’sche Handels- und Wirtschaftspolitik auf die Eurozone hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Stand heute überwiegen mit Blick auf die Konjunktur jedoch eindeutig die negativen Vorzeichen. Selbst wenn ein Teil der angekündigten US-Strafzölle (auf Importe aus der Eurozone) wieder einkassiert wird, dürften die Handelsbarrieren am Ende höher liegen als vor dem Amtsantritt von Trump und somit den Export der Eurozone belasten.
Außerdem deutet sich in den USA eine Wachstumsverlangsamung an, was generell negativ auf die Weltwirtschaft ausstrahlen wird. Schließlich hemmt das erratische Gebaren des US-Präsidenten viele Unternehmen bei den anstehenden Investitionsentscheidungen. Alles in allem zeichnet sich über den Sommer hinweg eine Wachstumsdelle in der Eurozone ab.
Weniger klar erscheinen die Auswirkungen auf die Inflation der Eurozone. Ein echter Zollkrieg, bei dem nicht nur die USA, sondern auch die EU Strafzölle verhängt, hätte zwangsläufig preistreibende Folgen. In die gleiche Richtung könnten Störungen der weltweiten Lieferketten wirken, zum Beispiel wenn China generelle Exportbeschränkungen für Seltene Erden verhängt (als Reaktion auf die US-Strafzölle).
Wesentlich schwerer wiegen in unseren Augen jedoch die preisdämpfenden Effekte. So hatte der unberechenbare Kurs der neuen US-Regierung bislang vor allem zwei Folgen: Zum einen hat das Vertrauen in die USA als verlässlicher Partner und stabiler Investitionsstandort Schaden genommen. In der Folge hat der US-Dollar weltweit abgewertet – gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn um über 10 Prozent. Importe in die Eurozone verbilligen sich entsprechend (siehe Abbildung 1).
Zum anderen hat die Angst vor einem globalen Wachstumseinbruch den Rohölpreis auf Talfahrt geschickt. Zwischenzeitlich sackte der Preis für ein Barrel der Sorte Brent von knapp 80 US-Dollar auf nur noch 60 US-Dollar ab. Beide Effekte zusammen – Euro-Aufwertung und Ölpreisverfall – dürften die Inflationsrate der Eurozone bis zum Sommer um rund 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte nach unten drücken.
Damit aber nicht genug. Aufgrund der prohibitiv hohen US-Strafzölle muss sich China neue Absatzmärkte suchen. Eine Zielregion dürfte dabei Europa sein, das sich entsprechend auf eine Schwemme günstiger chinesischer Importwaren einstellen muss – vor allem Elektronikartikel und Kleidung.
Alles in allem hat sich zumindest der kurzfristige Inflationsausblick für die Eurozone spürbar aufgehellt. War es zu Jahresbeginn mehr als fraglich, ob die Teuerungsrate 2025 überhaupt die 2,0-Prozent-Marke erreicht (im Januar stand sie bei 2,5 Prozent), rechnen wir jetzt im Juli/August mit einem Tiefpunkt von 1,7 bis 1,8 Prozent. Die Auswirkungen auf die Kerninflation sind geringer. Hier zeichnet sich aufgrund günstiger Basiseffekte aber ohnehin im Jahresverlauf ein Wert von unter 2,0 Prozent ab.
Die rückläufigen Inflationszahlen geben der EZB den Spielraum, die Leitzinsen weiter zu senken. Die 2,00 Prozent sind bereits ins Visier genommen. Darüber hinaus wird aber in zunehmendem Mass über eine noch expansivere Geldpolitik spekuliert. Ein Niveau von 1,75 Prozent bei der Depositenrate wollen wir nicht ausschließen. Das Zeitfenster für Leitzinssenkungen wird sich jedoch aus unserer Sicht im Laufe des zweiten Halbjahrs 2025 schließen.
Dies gilt vor allem dann, wenn sich die US-Administration in den nächsten Wochen mit den wichtigsten Handelspartnern auf eine Verringerung der Strafzölle einigt. Dies dürfte die Gemüter weltweit beruhigen und die Gefahr einer globalen Wirtschaftskrise verringen. In der Folge ist auch von einem wieder festeren Ölpreis beziehungsweise stärkeren US-Dollar auszugehen. Insbesondere dürfte aber die Wirtschaft der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte neuen Schwung gewinnen. Die Basis dafür ist bereits gelegt, worauf unter anderem der jüngste steile Aufwärtstrend im Einkaufsmanagerindex der Industrie hindeutet (siehe Abbildung 2). Die Inflationsrisiken könnten somit schneller zurückkehren als gedacht.
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