Merger-Experte Felix Engelhardt
Wie Europa wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft wird
Felix Engelhardt ist Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Zumera. Foto: Zumera / Canva
Bessere Wettbewerbsfähigkeit der EU – das ist eines der Ziele von Ursula von der Leyen für die zweite Amtszeit. Erreichen will sie das einerseits durch gezielten Bürokratieabbau. Andererseits sollen Fusionen und Übernahmen erleichtert werden, um der Konkurrenz aus den USA und China zu trotzen. Damit die Maßnahmen auch Wirkung zeigen, braucht es jedoch gezielte Reformen, meint Felix Engelhardt.
Es ist gut, dass Ursula von der Leyen den dringenden Handlungsbedarf bei der Wettbewerbsfähigkeit des EU-Raums erkannt und ihn zur Priorität der neuen Kommission erklärt hat. Während die USA und China in vielen zukunftsweisenden Technologiefeldern führend sind, droht Europa den Anschluss zu verlieren. Besonders bei künstlicher Intelligenz, Quantencomputing und fortschrittlichen Fertigungstechnologien hinkt Europa hinterher.
Das hat viele, teilweise hausgemachte Gründe. Einer davon ist der Mangel an Risikokapital. In der EU fehlen eine echte Start-up-Kultur und ausreichende Finanzierung für innovative Unternehmen. Darüber hinaus sind die hohen Energiekosten ein großes Problem: Im internationalen Vergleich sind die Energiepreise im europäischen Wirtschaftsraum viel zu hoch, was der Industrie massiv schadet.
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Es ist gut, dass Ursula von der Leyen den dringenden Handlungsbedarf bei der Wettbewerbsfähigkeit des EU-Raums erkannt und ihn zur Priorität der neuen Kommission erklärt hat. Während die USA und China in vielen zukunftsweisenden Technologiefeldern führend sind, droht Europa den Anschluss zu verlieren. Besonders bei künstlicher Intelligenz, Quantencomputing und fortschrittlichen Fertigungstechnologien hinkt Europa hinterher.
Das hat viele, teilweise hausgemachte Gründe. Einer davon ist der Mangel an Risikokapital. In der EU fehlen eine echte Start-up-Kultur und ausreichende Finanzierung für innovative Unternehmen. Darüber hinaus sind die hohen Energiekosten ein großes Problem: Im internationalen Vergleich sind die Energiepreise im europäischen Wirtschaftsraum viel zu hoch, was der Industrie massiv schadet.
Hinzu kommt der gravierende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der Wachstum und Innovation ausbremst. Und schließlich bremst der fragmentierte Binnenmarkt: Obwohl wir in den letzten Jahrzehnten Fortschritte erzielt haben, gibt es noch zu viele Hindernisse für grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb der EU.
Europa muss bei der Bürokratie entrümpeln
Zu den größten Hindernissen für Wettbewerbsfähigkeit zählen jedoch die überbordende Bürokratie und starke Überregulierung: Unternehmen verschwenden wertvolle Ressourcen mit der Erfüllung von Berichtspflichten, anstatt diese in Innovationen zu investieren. Hier will die neue EU-Kommission nach eigenem Bekunden ansetzen. Drei Bereiche sollte sie besonders in den Fokus nehmen:
- Vereinfachung von Berichtspflichten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs)
- Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, vor allem bei Infrastrukturprojekten und Unternehmensgründungen
- Harmonisierung von Vorschriften im Binnenmarkt, um grenzüberschreitende Geschäfte zu erleichtern
Großes Einsparpotenzial bei der Bürokratie ergibt sich durch die Digitalisierung und Automatisierung von Verwaltungsprozessen. Das sogenannte Once-Only-Prinzip bei Behördengängen könnte enorme Ressourcen bei Unternehmen freisetzen. Es zielt darauf ab, dass Bürger und Unternehmen notwendige Angaben nur noch ein einziges Mal an die Verwaltung übermitteln müssen. Mit der Zustimmung der Betroffenen können die verschiedenen Behörden dann die Daten untereinander austauschen und für ihre Zwecke nutzen.
Bürokratieabbau alleine reicht nicht
Der Abbau von Bürokratie ist ein wichtiger Hebel, er darf aber nicht der einzige sein. Damit gerade die Schlüsselbereiche KI, Quantencomputing, Biotechnologie, erneuerbare Energien, Halbleiterindustrie und Cybersicherheit konkurrenzfähiger werden, sind weitere Maßnahmen erforderlich.
Zunächst muss eine echte Kapitalmarktunion geschaffen werden, um den Zugang zu Wagniskapital zu verbessern. Zweitens gilt es, die Energiewende zu beschleunigen, wobei die Politik sicherstellen muss, dass die Energiepreise wettbewerbsverträglich sind. Das bedeutet auch, die Abschaffung von Atomkraft noch einmal zu überdenken.
Ein dritter Punkt ist die Stärkung der Aus- und Weiterbildung sowie die Erleichterung der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wir müssen, viertens, den Ausbau der digitalen Infrastruktur endlich voranbringen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Es ist die Grundvoraussetzung, dass Unternehmen von neuen technologischen Innovationen wie KI profitieren.
Fünftens sollte die Politik steuerliche Vergünstigungen für Forschung und Entwicklung schaffen. Innovationen fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis von mutigen Unternehmern. Steuerentlastungen bieten ihnen zusätzliche Anreize, kapitalintensive Forschung zu intensivieren.
Darüber hinaus sollte der Binnenmarkt vor allem im Dienstleistungssektor weiter vertieft werden, um grenzüberschreitende Geschäfte zu erleichtern und die wirtschaftliche Integration zu stärken. Flankiert werden sollte er durch eine ambitionierte Handelspolitik, um neue Märkte zu erschließen und gleichzeitig europäische Standards zu schützen.
Vermögen von Kapital- zu Leistungsträgern transferieren
Zusätzliche Impulse für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit liefert eine Vermögensteuer. Sie kann unproduktives Kapital mobilisieren und gleichzeitig Anreize für Investitionen in die Realwirtschaft schaffen. Der Kerngedanke dahinter lautet Leistungskultur statt Kapitalverwaltungskultur.
Das erreichen wir, indem große Vermögen progressiv stärker besteuert werden. Dabei sind Freibeträge für produktives Kapital einzuräumen, um Investitionen nicht zu hemmen. Diese Einnahmen können zweckgebunden in Bildung, Forschung und Infrastruktur investiert werden, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft Europas zu fördern.
Ein weitere Säule ist die Anpassung der Steuerstruktur, indem die Kapitalertragssteuer erhöht und die Einkommensteuer gesenkt wird. Um produktive Investitionen weiter zu fördern, brauchen wir Freibeträge für Beteiligungen an innovativen Unternehmen und Start-ups. Der Mittelstand als Rückgrat der Wirtschaft muss besser geschützt werden. Großzügige Freibeträge für Betriebsvermögen stellen sicher, dass Familienunternehmen nicht durch die Vermögenssteuer gefährdet werden.
Zudem müssen steuerliche Vorteile für Unternehmen geschaffen werden, die ihre Mitarbeiter am Kapital beteiligen. Dies würde nicht nur die Motivation und Bindung der Mitarbeiter erhöhen, sondern auch die Verteilung von Wohlstand innerhalb der Unternehmen gerechter gestalten.
Fusionen und Übernahmen erleichtern
Von der Leyen hat in ihrer Agenda betont, wie wichtig Expansionen auf globalen Märkten sei. Dies solle sich in der Art und Weise niederschlagen, wie Europa Fusionen beurteile. Langwierige Genehmigungsverfahren, unterschiedliche nationale Regelungen, zu niedrige Schwellenwerte für die Fusionskontrolle und unklare Kriterien für die Beurteilung von Marktmacht im globalen Kontext erschweren M&A-Deals in der Praxis immens.
Fusionen und Übernahmen sind essenziell für Wachstum und Wettbewerb. Es gibt eine Reihe zentraler Stellschrauben, an denen nun gedreht werden muss. Erstens müssen die Prüfprozesse auf EU-Ebene harmonisiert und beschleunigt werden, um Genehmigungsverfahren effizienter zu gestalten. Zweitens sollten Schwellenwerte für die Fusionskontrolle angehoben werden, sodass kleinere Fusionen schneller und unkomplizierter abgewickelt werden können.
Drittens sollte bei der Beurteilung von Fusionen das globale Wettbewerbsumfeld stärker berücksichtigt werden. Europäische Unternehmen dürfen im internationalen Vergleich nicht benachteiligt werden, daher braucht es eine globale Perspektive. Viertens wäre die Einführung eines „Fast-Track“-Verfahrens für unkritische Fusionen ein bedeutender Fortschritt. Dieses Verfahren würde es ermöglichen, weniger komplexe Transaktionen schneller abzuwickeln und so Bürokratie abzubauen.
Und fünftens sollten Effizienzgewinne und Innovationspotenziale bei der Fusionskontrolle stärker berücksichtigt werden. Fusionen, die langfristig positive Effekte für Unternehmen und den Markt haben, sollten nicht unnötig blockiert werden. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass wir mehr Spielraum für die Entstehung europäischer Champions schaffen, ohne den Wettbewerb zu gefährden.
Europa hat enormes Potenzial. Mit den richtigen Reformen können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern und wieder an die Weltspitze vorstoßen. Dafür braucht es aber den Mut zu echten Veränderungen und weniger Klein-Klein.
Wir müssen unsere Stärken wie Bildung, Forschung und Ingenieurskunst gezielt ausbauen und gleichzeitig neue Technologien und Geschäftsmodelle fördern. Nur so können wir im globalen Wettbewerb bestehen und gleichzeitig unser europäisches Sozial- und Wirtschaftsmodell bewahren. Es ist Zeit für einen „European Moonshot“ – ein ambitioniertes Programm, das Innovationen fördert, Talente anzieht und Europa wieder zum Zentrum des technologischen Fortschritts macht.
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