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Europas stiller Niedergang: Die wahren Kosten der Energiewende
In Europa gehen langsam aber sicher die Lichter aus – nicht wegen Stromausfällen, sondern durch die politisch forcierte Deindustrialisierung. In Deutschland ist die Industrieproduktion seit der Spitze 2017 um 15 Prozent gefallen (siehe Grafik unten). Sie liegt heute wieder auf dem Niveau von 2006. In Frankreich war der Rückgang ähnlich stark. In Italien kollabierte die Industrie sogar um 25 Prozent. Diese dramatischen Rückgänge erfolgten nicht auf Grund einer vorübergehenden Rezession, sondern sind offensichtlich strukturell bedingt und politisch gewollt.
Praktisch täglich sorgt die europäische Industrie für negative Schlagzeilen. Der Kreis der Sektoren im Niedergang weitet sich aus. Am stärksten ist der Abbau bei energieintensiven Sektoren. Die Chemieproduktion in Deutschland ist seit 2018 um 18 Prozent und damit mehr als die Industrieproduktion gefallen. Im gesamten Europa ging die Produktion von Plastik um 8 Prozent zurück, trotz globalem Wachstum der Nachfrage. Entsprechend ist gemäss „Financial Times“ Europas Weltmarktanteil bei der Plastikherstellung von ehemals 28 Prozent im Jahr 2006 auf heute 12 Prozent geschrumpft.
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In Europa gehen langsam aber sicher die Lichter aus – nicht wegen Stromausfällen, sondern durch die politisch forcierte Deindustrialisierung. In Deutschland ist die Industrieproduktion seit der Spitze 2017 um 15 Prozent gefallen (siehe Grafik unten). Sie liegt heute wieder auf dem Niveau von 2006. In Frankreich war der Rückgang ähnlich stark. In Italien kollabierte die Industrie sogar um 25 Prozent. Diese dramatischen Rückgänge erfolgten nicht auf Grund einer vorübergehenden Rezession, sondern sind offensichtlich strukturell bedingt und politisch gewollt.
Praktisch täglich sorgt die europäische Industrie für negative Schlagzeilen. Der Kreis der Sektoren im Niedergang weitet sich aus. Am stärksten ist der Abbau bei energieintensiven Sektoren. Die Chemieproduktion in Deutschland ist seit 2018 um 18 Prozent und damit mehr als die Industrieproduktion gefallen. Im gesamten Europa ging die Produktion von Plastik um 8 Prozent zurück, trotz globalem Wachstum der Nachfrage. Entsprechend ist gemäss „Financial Times“ Europas Weltmarktanteil bei der Plastikherstellung von ehemals 28 Prozent im Jahr 2006 auf heute 12 Prozent geschrumpft.
Globale Konzerne wie ExxonMobil oder die saudische Sabic machen ihre Plastikfabriken in Europa dicht. Europäische Chemiegiganten wie BASF investieren nur noch in den USA und China. Die Stahlproduktion Europas ist in den letzten fünf Jahren sogar um über 20 Prozent gefallen und der Branchenverband Eurofer schreit laut um Hilfe: „Europas Deindustrialisierung beschleunigt sich, mit Stahl, Autos, Erneuerbaren und Batterien am Abgrund.“
Mit der Automobilindustrie steht nun der grösste Industriesektor im Zentrum der Krise. Europas Exporte in die Welt brechen ein, da die Chinesen Elektroautos teilweise besser und vor allem viel billiger bauen. Gleichzeitig schwächelt auf dem Heimkontinent die Nachfrage. Dramatische Jobverluste bei Autobauern und Zulieferern drohen.
Erdgas viermal teurer als in den USA
Da die laufende Deindustrialisierung ihre Kreise vor allem nach der Energieintensität zieht, liegt die Vermutung nah, dass Europas hohe Strom- und Gaskosten Hauptursachen der Krise sind. Ein Blick auf die folgende Grafik zeigt, dass die Strompreise für Geschäftskunden in den wichtigsten europäischen Ländern durchs Band doppelt bis fünfmal so hoch liegen wie bei den industriellen Konkurrenten USA und China. Der Preis für Erdgas, ein wichtiger Rohstoff für die industrielle Wärmegewinnung und zahlreiche chemische Prozesse, notiert in Europas Importhub Amsterdam (TTF) derzeit auch viermal höher als in den USA.
Der Blick auf das Balkendiagramm birgt aber noch eine weitere so gewichtige wie brisante Erkenntnis: Die Strompreise sind vor allem hoch in Ländern, die zu einem grossen Teil auf erneuerbaren Wind- und Solarstrom setzen (UK und Deutschland) oder stark abhängig von Gasimporten sind (Italien). Die tiefsten Strompreise haben Länder, welche den Grossteil ihrer Elektrizität mit fossilen Brennstoffen wie Kohle (China und Indonesien) oder selbst gefördertem Erdgas (USA) erzeugen. Brasilien ist die Ausnahme, da das Land über Unmengen billiger Wasserkraft verfügt.
Ist das ein Zufall? Nein. Auch innerhalb Europas zeigt sich dasselbe klare Bild: Je grösser der Anteil der erneuerbaren Energieträger Wind und Sonne an der Stromerzeugung, desto höher liegen die Strompreise (siehe Grafik).
Aus der Regressionsgeraden lässt sich ableiten, dass Strom aus Wind und Sonne in einem Netzwerk inkrementell rund vier Mal teurer ist als konventioneller Strom aus fossilen Brennstoffen, Wasserkraft und Atomkraft.
Die Dunkelflauten sind ein Problem
Wie ist das möglich, wo die Erneuerbaren doch immer wieder als besonders günstige Energiequellen angepriesen werden? Wir hatten das Rätsel schon einmal vertieft analysiert (siehe Märchen vom billigen Ökostrom). Das Hauptproblem ist die Flatterhaftigkeit ihrer Produktion. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung von Windanlagen beträgt gemäss MacroStrategy in Europa nur 26 Prozent und von Solaranlagen 13 Prozent, was einen gewichteten Durchschnitt von 20 Prozent ergibt. Nachts scheint keine Sonne, im Winter nur wenig und beim Wind ist oft in ganz Europa gleichzeitig Flaute.
In den so gefürchteten wie häufigen Dunkelflauten fällt die Stromerzeugung aus Erneuerbaren praktisch auf null. Die Stromnetzbetreiber haben folglich die undankbare Aufgabe, ein System zu managen, bei dem eine Form der Erzeugung im Schnitt 20 Prozent ihrer Leistung, oft null und zu Spitzenzeiten das Fünffache ihrer Durchschnittsleistung liefert. An sonnigen Tagen fällt der Grosshandels-Strompreis inzwischen regelmässig in den negativen Bereich. Dann kriegen die Solar- und Windstromerzeuger oft ihre staatlich fixierten Abnahmepreise vergütet, der Netzbetreiber muss den überflüssigen Strom aber zu negativen Preisen „entsorgen“. Am Schluss tragen Stromkonsumenten und Steuerzahlen die steigenden Kosten dieses unsinnigen Systems.
Die immer noch oft propagierte Forderung, Europa solle angesichts der hohen Strompreise mit dem Ausbau der Erneuerbaren doppelt so schnell vorwärts machen, kommt quasi dem Plan gleich, die ohnehin schlingernde Wirtschaft mit Vollgas oder besser Vollstrom über die Klippe zu fahren. Solange keine günstigen Speichermedien mit ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen, bedeutet mehr Produktion von Solar- und Windenergie zu Spitzenzeiten einfach noch mehr Strom für die Mülltonne und mehr Stress und Kosten für die Netzbetreiber. Tragfähige Speichermedien sind weiterhin nicht in Sicht und die erhofften Projekte für die Erzeugung von grünem Wasserstoff als Energiespeicher werden gerade wieder reihenweise eingestampft, da zu teuer und ineffizient.
Europas Solarindustrie ist so gut wie ausgestorben
Wie soll eine Umstellung auf eine grüne Elektrizitätswirtschaft gelingen, wenn man in Europa schon jetzt unter der teuersten Elektrizität leidet? Eine Haupteigenschaft von Windtürmen und Solarpanels ist es, dass deren der Betrieb zwar keine Brennstoffe erfordert, deren Herstellung vorab aber viel mehr Energie benötigt als konventionelle Kraftwerke von gleicher Kapazität.
Die europäische Solarindustrie ist so gut wie ausgestorben, weil man keine Chance gegen importierte Solarpanels aus China hat, die mit billigem Kohlestrom herstellt werden. Auch Stahl und Aluminium sind energieintensive Produkte, die zunehmend importiert werden. Der Kohlendioxid-Ausstoss in Europa sinkt, doch er wächst dann umso stärker in China und anderen Herstellerländern mit billiger fossiler Energie.
Nach Beschluss der EU ist der für 2026 geplante „Carbon Border Adjustment Mechanism“ die Lösung für dieses Problem: An der Grenze wird für jedes Gut die importierte „Graue Energie“ und deren Kohlendioxid berechnet und als Zoll auf das Produkt geschlagen. Abgesehen von einem weiteren administrativen Albtraum für die Wirtschaft löst dieser Ansatz jedoch nicht das eigentliche Dilemma: Durch die hohen Strompreise werden alle Produkte „Made in EU“ teurer. Mit den neuen Grenzzöllen steigen dann auch die Preise für Solarpanels und andere importierte Produkte. Die Konsumenten und die verarbeitende Industrie zahlen die Zeche.
Vor allem aber werden damit alle Industrie-Exporte der EU auf dem Weltmarkt noch weniger konkurrenzfähig. Am Ende des Trends wird aus Europa ein grüne Hochpreisinsel für Touristen und Ruheständler, ganz ohne eigene Industrie.
„Europa hat Wachstum gegen Ideologie getauscht“
Nun könnte man einwenden, dass genau dies der Sinn der politisch forcierten Energiewende ist. Durch die Deindustrialisierung sinkt der Kohlendioxid-Ausstoss Europas tatsächlich rasant. Doch was ist mit dem Wohlstand und den Arbeitsplätzen? Haben die Wähler dieses Programm abgesegnet? Oder haben sie einfach die hohlen Versprechungen vom grünen Jobwunder und dem billigeren Ökostrom geglaubt?
„Europa hat Wachstum gegen Ideologie getauscht“, bringen die Analysten der britischen MacroStrategy die Lage auf den Punkt. Auch im Vereinigten Königreich sieht die Lage desolat aus. In Kontinentaleuropa und auf der Insel stagnieren Wachstum und Produktivität. Anders als in der Industrie gibt es im Service-Sektor keine einfachen Produktivitätsgewinne zu holen.
Ein immer grösserer Teil der Wirtschaftsleistung werden von Energiekosten verschlungen. Gemäss MacroStrategy gibt die EU dafür schon 6 Prozent des Bruttoinlandprodukts BIP aus. Die Amerikaner berappen für ihre Energieerzeugung nur 3.4 Prozent des BIP. Rechnet man die Pläne etwa der neuen britischen Labour-Regierung zur Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft bis 2035 hoch, gingen dann 12 Prozent des britischen BIP für primäre Energieerzeugung drauf.
Briten wie Kontinentaleuropäer müssen zudem wegen rasch schwindender NordseeFörderung und Fracking-Verbot immer mehr für den Import von fossilen Brennstoffen ausgeben. Ohne Erdgas als Reservetreibstoff in den Dunkelflauten geht es nicht. Die Handelsbilanzen verschlechtern sich auch auf der Importseite, nicht nur bei den schwindenden Industrie-Exporten.
Europas Anteil an der Wirtschaftsleistung sinkt
Der Anteil Europas an der globalen Wirtschaftsleistung ist seit 1992 von 23 Prozent auf 14,7 Prozent geschrumpft. Die Tendenz ist weiter fallend, während die USA angesichts des raschen Wachstums der Schwellenländer zumindest ihren Anteil am globalen BIP halten. Hinzu kommen Europas demographische Überalterung und überbordende Staatsschulden, welche den Handlungsspielraum einschränken. Auf diesem Pfad wird Europas Industrie weiter und weiter heruntergefahren.
Das makroökonomische Bild für Europa sieht so düster wie die momentan vorherrschenden Dunkelflauten aus. Staatsanleihen aus den meisten Ländern der Eurozone erachten wir vor diesem Hintergrund als völlig uninteressant, da die tiefen bis nicht existenten Realzinsen nicht annähernd für die beträchtlichen Risiken entschädigen. Folglich sind auch Bankaktien gefährlich, da ihr Schicksal meist mit ihren Heimatstaaten verknüpft ist. Weitere Gefahr droht den Bankbilanzen durch Massenpleiten und schwindende Immobilienpreise in Gebieten im industriellen Niedergang.
Bei der Aktienauswahl gehen wir jedoch Bottom-Up vor und analysieren jedes Unternehmen für sich. Es wird weiterhin viele europäische Firmen geben, die profitable Nischen besetzen oder auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Besonders auf der britischen Insel werden wir diesbezüglich fündig.
Für uns als Value-Investoren auf der Suche nach günstigen Aktien ist in Europa bei der Vermeidung von potenziell tödlichen Value-Traps doppelte Vorsicht angebracht. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine europäische Aktie vor allem billig aussieht, weil sie sich in einem strukturellen Niedergang befindet. Alle energieintensiven Branchen und die ganze Automobil-Industrie gehören tendenziell in diese Kategorie und müssen im Einzelfall detailliert durchleuchtet werden. Kommt dann noch eine schlechte Bilanz mit viel Schulden hinzu, lassen wir von diesen Titeln lieber die Finger.
Über den Autor
Der studierte Psychologe Peter Frech ist Value-Investor aus Überzeugung und Leidenschaft. Seit 2007 arbeitet er als Fondsmanager bei Quantex. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Geschichte, Strategiespielen und dem Piano.