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„Europa gelingt etwas, was noch keine Industrienation zuvor geschafft hat“

Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Jeder weiß, dass in den südeuropäischen Peripherieländern viel getan wird, um aus der Krise herauszukommen. Jeder hat aber auch ein paar ungute Gefühle, ob bei der Berichterstattung darüber alles mit rechten Dingen zugeht oder ob nicht in dem einen oder anderen Fall auch übertrieben wird.

Europa kann auch positiv überraschen

Ich habe mir deshalb die Zahlen einmal genauer angeschaut, sowohl Originaldaten als auch von der EU-Kommission aufbereitete. Was ich gesehen habe, sind größere Fortschritte, als ich mir vorgestellt habe.

Das gilt vor allem für die Lohnstückkosten. Sie sind seit dem Höhepunkt der Krise in Irland um 24 Prozent gesunken (im Vergleich zu den wichtigsten Industrieländern), in Griechenland um 19 Prozent, in Spanien um 15 Prozent und in Portugal um 9 Prozent (siehe Grafik).

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Das ist wirklich ein „Big Bang“. Es geht in Ausmaß, Breite und Schnelligkeit über das hinaus, was meines Wissens je in einer großen Industrieregion passiert ist. Nur in kleineren Ländern wie den baltischen Staaten (oder auch in Argentinien) sind in der Vergangenheit noch größere Veränderungen erreicht worden.

Der Abstand der Peripherieländer zu Deutschland hat sich verringert, auch weil die deutschen Lohnstückkosten gestiegen sind. Umgekehrt hat Italien keine größeren Reformmaßnahmen unternommen. Daher haben dort die Lohnstückkosten weiter zugenommen.

Maß aller Dinge: Die Leistungsbilanz

Entsprechend hat sich die Leistungsbilanz der Peripheriestaaten verbessert. Sowohl Griechenland als auch Spanien hatten in den ersten sieben Monaten 2013 kein Defizit mehr. Vor einem Jahr hatten sie noch erhebliche Fehlbeträge.  

Bei dieser Verbesserung hat freilich nicht nur die Entwicklung der Löhne und der Produktivität eine Rolle gespielt, sondern auch die Konjunktur. Die Exporte sind insgesamt weniger gestiegen als die Importe gesunken sind.

Es ist zu vermuten, dass sowohl Griechenland als auch Spanien im Gesamtjahr einen Überschuss in der Leistungsbilanz erreichen werden. Denn in den vorliegenden Zahlen ist die Tourismus-Saison noch nicht voll enthalten. Sie hat vor allem in Griechenland wegen der günstigeren Preise und wegen der geringeren Attraktivität Ägyptens als Reiseland in diesem Jahr besonders gute Ergebnisse gebracht. Allein im Juni und Juli lagen die Tourismus-Einnahmen der Griechen real um 15 Prozent über dem Vorjahr. Irland wird nach der Prognose der Europäischen Union 2013 einen kräftigen Überschuss in der Leistungsbilanz von 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) haben.  

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