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Europa: Unternehmensanleihen sind lukrativ aber stressgefährdet

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Doch die Gewichte verschieben sich, denn jetzt ist eine interessante Kettenreaktion in Gang gekommen. Wegen der Schuldenkrise fahren europäische Banken ihr Kreditgeschäft mit Unternehmen zurück. Damit die trotzdem an nötige Mittel kommen, müssen sie sich direkt an potenzielle Geldgeber wenden. Und die gibt es am Anleihemarkt. Für 43,7 Milliarden Euro gaben Unternehmen im ersten Quartal neue Anleihen aus. 80 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Draghi-Dröhnung beruhigt Markt

Das Mehrangebot müsste theoretisch die Kurse drücken und damit die Verzinsung nach oben treiben. Doch es trifft auf den erwähnten Anlagedruck und wird gierig aufgesogen. Deshalb bleibt der Markt stabil. Ein weiterer Impuls: Seit vergangenem Herbst lieh die Europäische Zentralbank unter ihrem italienischen Chef Mario Draghi Banken aus der Eurozone insgesamt eine Billion Euro zum Leitzins von einem Prozent auf drei Jahre.

Einerseits schichten Banken dieses Geld direkt in Anleihen um. Andererseits verbessert es ihre Zahlungsfähigkeit und damit die Bonität. Sie gewinnen Zeit und können Schulden abtragen, also auch eigene Anleihen vom Markt nehmen. Beides stabilisiert die Kurse und drückt die Risikoaufschläge auf die Zinsen.

Bereits investierten Anlegern beschert die Sachlage seit Dezember zusammen mit Aktien saftige Kursgewinne. Vor allem die zuvor krisenzersetzten Bankanleihen erlebten dank der Draghi-Darlehen ein kräftiges Comeback. Neueinsteiger müssen sich mit niedrigeren Renditeaufschlägen zufriedengeben. „Die  Phase, in der Unternehmensanleihen aktienähnliche Erträge liefern, ist vorbei“, sagt deshalb Tugrul Kolad, Fondsmanager bei Pioneer.

So weit, so logisch. Der schwer berechenbare Teil ist dagegen der Anleger selbst. Der hat die Angst vor der Staatsschuldenkrise derzeit weitgehend ausgeblendet. Aber wenn sie wieder hervorbricht, nützen die schönsten Fundamentaldaten nichts mehr. Dann brechen Unternehmensanleihen gemeinsam mit Aktien ein.

„Die Marktteilnehmer zeichnen sich durch einen Herdentrieb aus, der sie scheinbar wahllos zwischen Risikobereitschaft und Risikoscheu hin- und herschalten lässt“, stellt Stephen Thariyan, Leiter der Rentenabteilung bei Henderson Global Investors, fest. „Das ist weder komplex noch sonderlich intelligent.“

Aber leider nicht zu ändern. Rückschläge können somit jederzeit passieren. Der hohe laufende Ertrag „hilft jedoch bei der Aufholung eventueller Werteverluste“, wie Max Baumann, Fondsmanager für Unternehmensanleihen bei HSBC Global Asset Management, anmerkt. Die Strategen von Unicredit rechnen sogar gezielt mit Enttäuschungen in Sachen Wirtschaft, um günstig in Unternehmensanleihen einsteigen zu können.

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Stefan Lutz von Julius Bär hat in diesem Umfeld die Qual der Wahl. Um Perlen zu finden, nutzt er Vergleichsgruppen der Rating-Agentur Morningstar, vergleicht Konkurrenten über verschiedene Zeiträume miteinander. Dann schaut er sich die Portfolios an. Wie gut sind sie gestreut? Wie geschickt sind sie konstruiert? Es folgen Gespräche mit Fondsmanagern. Und über allem steht die Frage, ob Erfolge konstant sind oder ob es sich nur um einen Zufallstreffer handelt.
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